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SIPAZ Bericht 2004, Vol. IX Nr. 4, December 2004

SIPAZ-News vom 13.01.2005

  -> Analyse : Die Wahlen in Chiapas: wer hat gewonnen?
-> Fokus : Verweigerung der Strompreiszahlungen: lokaler Kampf gegen Privatisierung
-> Artikel: Die militärakademie "School of the Americas": NO MÁS, NO MORE
-> · Aktivitäten von SIPAZ

ANALYSE
Die Wahlen in Chiapas: wer hat gewonnen?

Am 3. Oktober 2004 wurden in Chiapas die 118 Bezirkspräsidenten sowie 40 lokale Kongreßabgeordnete neu gewählt.

Die Räte der Guten Regierung hielten ihr Versprechen, die Arbeit der mit der Durchführung der Wahl beauftragten Organe zu respektieren. Im August hatten sie bekanntgegeben: "so wie wir die respektieren, die wählen wollen, sollten sie die respektieren, die es nicht tun wollen." Mit dieser Entscheidung wird die Haltung der zapatistischen Bewegung bestätigt, nicht auf Konfrontation zu gehen. Während der letzten zehn Jahre hatten sich bei jeder lokalen und nationalen Wahl gewalttätige Vorfälle wie Raub, Verbrennung von Wahlurnen und Zusammenstöße zwischen entgegengesetzten Gruppen ereignet. Diesmal verliefen die Wahlen relativ ruhig, obwohl es vorher zwölf Anzeigen möglicher Wahldelikte gab. Auch werden weiterhin Geschenke und Geld an die Anhängerschaft verteilt und Wähler an die Urnen gekarrt.

Die Wahlbeteiligung am 3. Oktober war relativ hoch im Vergleich zu früheren Jahren, mit einer Enthaltung von über 45%, obwohl die Zahl der ungültigen Stimmen mit über 73.000 mehr als 5% der abgegebenen Stimmen betrug.

Eine andere Auffälligkeit ist die fast schon paradoxe Tatsache, daß die Mehrheit der politischen Akteure sich selbst als Wahlgewinner sah. Obwohl die PRI (Institutionelle Revolutionäre Partei) das erste Mal die absolute Mehrheit im lokalen Kongreß verlor, ist sie mit 18 von 40 Abgeordneten weiterhin stärkste politische Kraft in Chiapas. Auf Bezirksebene entrang die PRI der PAN (Partei der Nationalen Aktion) und anderen Parteien einige wichtige Städte wie die chiapanekische Hauptstadt Tuxtla Gutiérrez sowie San Cristóbal de Las Casas. Dennoch regiert sie nur noch in 53 statt bisher 72 der 118 Bezirke. Das heißt, sie verlor in 19 Bezirken, die sie vorher regiert hatte.

Die Allianz für Chiapas, ein Zusammenschluß von PRD (Partei der Demokratischen Revolution), PAN und PT (Arbeitspartei), erhielt fast die Hälfte der Kongreßsitze und 27 Bezirke.

Die Grüne Ökologische Partei Mexikos (PVEM) bekam über 14% der Stimmen, wodurch sie nahe an PAN und PRD herankam. Sie wird weiterhin vier Bezirke regieren und ist durch ein Bündnis mit der PRI an vier weiteren Lokalregierungen beteiligt.

Der Gouverneur von Chiapas, Pablo Salazar Mendiguchía, erlitt eine relative Niederlage, da ihm nahestehende Personen beispielsweise in San Cristóbal de Las Casas besiegt wurden. Andererseuts war sein hauptsächlicher Widersacher die absolute Mehrheit der PRI im Kongreß, die durch die Wahlen verlorenging. Dies könnte ihm helfen, sein Regierungsprojekt in den verbleibenden zwei Jahren seiner Amtszeit zu festigen.

ABGEORDNETENWAHL
Partei -- Stimmen -- Prozent
PRD-PAN-PT -- 517175 -- 38.78
PRI-PVEM -- 139638 -- 10.47
PRI -- 428718 -- 32.15
PVEM -- 124566 -- 9.34
Convergencia -- 48829 -- 3.66
Ungültige Stimmen -- 73363 -- 5.50
Nicht Verzeichnet -- 1295 -- 0.10

BEZIRKSWAHLEN
Partein -- Anzahl der Bezirke
PRI -- 53
PAN -- 11
PRD -- 14
PVEM -- 4
PT -- 3
Allianz für Chiapas -- 27
Allianz für alle -- 4
Convergencia -- 2
Gesamt -- 118

Das Wahlpanorama von Chiapas mit Blick auf 2006

Die Wahlen vom Oktober dienten als politisches Barometer in Hinsicht auf die Wahlen 2006, wenn der Nachfolger des amtierenden Gouverneurs Pablo Salazar Mendiguchía gewählt wird.

Die Vertreter der Parteien, die die Allianz für Chiapas bildeten (PAN, PRD und PT) betonten in ihren öffentlichen Erklärungen, daß sich die PRI 2006 nur mit Bündnissen besiegen lasse. Sie erkannten aber auch den umstrittenen Charakter von Koalitionen auf Bundesebene an, die die ansonsten "inkompatiblen« Parteien der Linken und der Rechten vereinigen. Die PAN ist in den ländlichen Gegenden nicht sehr präsent. Die PRD ist durch interne Kämpfe gespalten. Man wird sehen, wie sich diese Allianz halten kann.

In diesem Sinne lohnt es sich, die Verschwommenheit und Schwäche der Parteien (in geringerem Ausmaß bei der PRI) zu betonen. Am 27. September demonstrierten 8.000 Gläubige der Diözese San Cristóbal (die 46 Bezirke von Chiapas umfaßt) für die Freilassung von mehreren ihrer Gefangenen (siehe letzten SIPAZ-Bericht). In einer Erklärung diagnostizierten sie in bezug auf den Wahlprozeß: "Die Politik hat anscheinend unter dem Einfluß ökonomischer Interessen die Richtung verloren und äußert sich nur in einem kränklichen Machtkampf um der Macht willen und vergißt dabei, auf die Bedürfnisse und Forderungen der gesamten Bevölkerung Rücksicht zu nehmen.«

Ein anderes Ereignis impliziert einen Wechsel in Hinblick auf 2006: Ende Oktober wurde ein Gesetz angenommen, das Artikel 35 der chiapanekischen Verfassung in Bezug auf die Voraussetzungen für Gouverneurskandidaten ändert, was einige Bewerber wie Roberto Albores (PRI) und Emilio Zebadúa (PRD) außen vor lassen könnte.

Unter anderem können Personen, die bereits das Amt des Gouverneurs, provisorischen Gouverneurs, Interimsgouverneurs oder stellvertretenden Gouverneurs innehatten, oder gegen die ein Gerichtsverfahren läuft, sich nicht um das Gouverneursamt bewerben. Außerdem muß der Bewerber seinen Wohnsitz seit mindestens fünf Jahren in Chiapas haben und von Geburt Chiapaneke sein.

Der Vorschlag beinhaltet auch weitere änderungen der ausführenden Gesetze in Bezug auf die Wahlen. So sollen sich Ehepartner oder Familienangehörige der Gouverneure oder Bürgermeister nicht an Wahlkampagnen beteiligen dürfen. Die Dauer des Wahlkampfs soll auf zwei Monate beschränkt werden und eine autonome und unabhängige Wahlstaatsanwaltschaft geschaffen werden; letztere würde jedoch auf Vorschlag der Lokalregierung vom chiapanekischen Kongreß berufen.

Diese Tatsache rief verschiedene Proteste hervor, besonders von der chiapanekischen PRI, für die der Fraktionsvorsitzende Mario Carlos Culebro die Maßnahme als "antidemokratisch, autoritär, unterwerfend (?), totalitär, veraltet und gegen den Willen des chiapanekischen Volkes« bezeichnete.

Wachsende Delegitimierung der Parteiendemokratie

Die Ereignisse in Chiapas reflektieren die Situation auf nationaler Ebene, wo ebenfalls 2006 Neuwahlen stattfinden. Die wichtigsten politischen Parteien befinden sich nach den verschiedenen Finanzskandalen der letzen Zeit in einer schweren Krise ihrer politischen Glaubwürdigkeit, aus der keine einzige Partei unbeschadet hervorgegangen ist. Auch die Machtspiele, die versuchten, den jetzigen Gouverneur von Mexiko-Stadt, Andrés Manuel López Obrador, durch eine Amtsenthebung an der Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2006 zu hindern, erschien der Öffentlichkeit fraglich.

Mitte November schien ein anderes Ereignis den bereits vorhandenen Riß zwischen der exekutiven und der legislativen Gewalt aufbrechen zu lassen, als Präsident Fox ankündigte, daß er den Ausgabenetat für 2005, der von der Abgeordnetenkammer verabschiedet worden war, juristisch anfechten werde. Er bezeichnete diesen Etat als "unschlüssig und undurchführbar«. Er betonte, daß die Abgeordneten der Opposition die Zentralregierung blockieren und verhindern wollten, daß sie ihr Ziel, ein besseres Leben für die Mexikaner zu schaffen, erreiche. Senatoren der PRI und der PRD forderten Fox auf, die Konfrontation mit dem Kongreß zu unterlassen und den verabschiedeten Etat zu akzeptieren, da er anderenfalls das Land in die Unregierbarkeit führe.

Ein anderes Ereignis, das als Zeichen der Schwäche und des Ansehensverlustes der Institutionen sowie des wachsenden Mißtrauens der Bevölkerung ihnen gegenüber interpretiert wurde, war der Lynchmord an zwei Polizisten in Tháhuac im Regierungsbezirk Mexiko-Stadt. Die Kommentatoren wiesen auch auf die Verantwortung der Medien, speziell des Fernsehens, hin, die ein "Klima des Terrors« geschaffen hatten, um die Repression und die Gewalt zu rechtfertigen. Für den Direktor der mexikanischen Sektion von Amnesty International nehmen diese Gewaltanwendungen zu, besonders in den Ländern, in denen die Rechtstaatlichkeit nicht garantiert ist.

Die Suche nach Alternativen

Vor diesem Hintergrund wurde am 27. und 28. November in Mexiko-Stadt der Erste Nationale Dialog für ein Projekt der Nation mit Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie einberufen. Diese Initiative, die hauptsächlich, aber nicht ausschließlich von gewerkschaftlichen Kräften getragen wurde, rief "alle sozialen, kulturellen und politischen Sektoren« auf, "gemeinsam an einer Analyse der großen nationalen und internationalen Probleme zu arbeiten, die wichtigsten Aspekte eines Alternativen Projekts der Nation zu umreißen und alle Widerstandsbewegungen gegen den Raubtierkapitalismus und das korporative System zu vereinigen, um einen Vorschlag zu erarbeiten, der sich dem Abgleiten der Nation in die neoliberale Barbarei entgegenstellt.«

Mehr als 17.000 Teilnehmer/innen von 164 sozialen, indigenen, studentischen, gewerkschaftlichen und politischen sowie Arbeiter- und Bauernorganisationen nahmen an dem Forum teil und kamen überein, "das Neoliberalismus genannte Modell der Zerstörung und des Todes abzulehnen« und "den Prozeß des Dialogs im gesamten Land fortzusetzen, mit dem Ziel, daß die Widerstandskämpfe gestärkt werden und ihrerseits den Prozeß der Formulierung eines Projekts der Nation mit Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie bereichern.« (siehe http://www.dialogonaciona1.org) Es ist zu betonen, daß viele Beiträge sich auf die zapatistischen Caracoles als positives Beispiel der neuen Art von Beteiligung bezogen, die über die Protestaktionen hinaus vorangetrieben werden soll.

Anfang Dezember fand in Chilpancingo, Guerrero, das Forum "Gegen das Schweigen und das Vergessen: die Stimme der indigenen Völker Mexikos« statt. Die beteiligten Organisationen bekräftigten ihre Entschlossenheit, den Kampf gegen die "indigene Gegenreform von 2001« (das Gesetz über indigene Rechte und Kultur, das 2001 verabschiedet wurde und von der EZLN wie auch den wichtigsten indigenen Organisationen des Landes abgelehnt wird) fortzusetzen und ihr Recht, "selbst Regierung zu sein«, durch Fakten auszuüben.

Kurznachrichten aus Montes Azules

Im Oktober kündigte die Spezialbeauftragte des Ministeriums für Agrarreform (SRA)für Montes Azules, Martha Cecilia Díaz Gordillo, an, daß 25 "irreguläre« Gemeinden innerhalb der Lakandonischen Gemeinschaft und des Biosphärenreservats Montes Azules Vereinbarungen zur Lösung des agrar-ökologischen Problems unterzeichnet haben und mit weiteren 18 über die Möglichkeit verhandelt werde, eine Umsiedlung oder Regulierung durch Enteignung zu akzeptieren (El Universal, 12.10.2004).

Auf der anderen Seite kündigte die EZLN Ende Oktober ihre Absicht an, etliche ihrer Gemeinden, die im Süden der Biosphäre Montes Azules angesiedelt sind, zusammenzulegen, und bat dafür die nationale und internationale Zivilgesellschaft um Unterstützung bei den Umsiedlungen und Neuordnungen.

Die EZLN (Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung) erklärte diese Entscheidung, indem sie betonte, daß "mit dem Voranschreiten der sogenannten ‚Räte der Guten Regierung’ ein Großteil der zapatistischen Gemeinden Mittel bekam, ihre Lebensbedingungen substantiell zu verbessern. Die Entfernung und Verstreutheit etlicher dieser Dörfer stellen jedoch große Schwierigkeiten dar, weshalb die EZLN übereingekommen ist, mit ausdrücklicher Zustimmung der Bewohner, einige der zapatistischen Ansiedlungen in dieser Zone zusammenzulegen, damit sie vom Rat der Guten Regierung der Zone Selva Fronteriza (Urwald-Grenzgebiet) abgedeckt werden. Darüber hinaus erläutert das Kommuniqué: "So können sie besser den Bedrohungen widerstehen, den Urwald besser schützen, an den Fortschritten der Räte der Guten Regierung teilnehmen und sich besser am Kampf der EZLN für den Respekt und die Anerkennung indigener Rechte beteiligen.«

Die Ansiedlungen, die zusammengelegt wurden oder noch werden (die jedoch nicht die einzigen zapatistischen Gemeinden in der Zone sind), sind Primero de Enero, San Isidro, 12 de Diciembre, 8 de Octubre, Santa Cruz, Nuevo Limar und Agua Dulce. Diese Verlegung, die eine strategische Neupositionierung seitens der EZLN bedeutet, ist von einigen als geordneter Rückzug interpretiert worden, von anderen als einziger Weg, ihre Gemeinden im Süden des Reservats besser verteidigen und unterstützen zu können. Sie ging ohne Gewalt und ohne Öffentlichkeit vonstatten.

Im November wurden 29 Tzotzil-Familien, die aus dem nichtzapatistischen Teil von San Isidro sowie aus Sol Paraíso stammten, in die neue Ansiedlung Nueva Magdalena außerhalb der geschützten Waldzone umgesiedelt. Im gleichen Monat brachen die Vertreter von 20 de Noviembre und Nuevo México, zwei der über 40 Ansiedlungen, die vertrieben oder umgesiedelt werden sollen, die Verhandlungen mit der mexikanischen und der chiapanekischen Regierung ab. Sie erklärten: "Wir glauben, daß wir schon wieder belogen werden, daß sie uns benutzen wollen, und deshalb bitten wir den Minister für Agrarreform Florencio Salazar Adame und den Gouverneur Pablo Salazar, und endgültig an unserem Ort zu lassen und nicht unseren sozialen Frieden zu stören.«

Ende November kündigten verschiedene soziale Organisationen des Bezirks Ocosingo mit Präsenz in Montes Azules an: "Wenn die Regierung den Dialog aufrechterhalten will, muß sie es mit Respekt und auf höchster Ebene tun; wir werden keine Personen akzeptieren, die keine Entscheidungsgewalt haben.« Sie verlangten außerdem die sofortige Einstellung der Feindseligkeiten, die vermutlich das CISEN (Nationales Forschungs- und Sicherheitsinstitut) gegen sie ausübt.

Weiterhin bedenkliche Menschenrechtssituation

Im Oktober erklärten verschiedene zivile Organisationen ihre Empörung über die Einsetzung von José Luis Soberanes als Präsident der Nationalen Menschenrechtskommission (CNDH) für die Periode 2004-2009. Sie bedauerten "die Art und Weise, in der der Auswahlprozeß vonstatten ging: mit einem Übereinkommen der Parteien in letzter Minute, einer sehr begrenzten Beteiligung, was sowohl die Anzahl der zivilgesellschaftlichen Organisationen betrifft als auch die Zeit, die ihnen eingeräumt wurde, um ihre Meinung und ihre Vorschläge darzulegen; alles geschah hinter verschlossener Tür (...), ohne die Kriterien für die Auswahl offenzulegen (...), so daß Dr. Soberanes fast automatisch eingesetzt wurde«. Sie betonten, daß "der Senat nicht dazu beiträgt, ein autonomes Organ zu stärken, sondern im Gegenteil. Er versucht, seine Legitimität zu gefährden, die jetzt schon fraglich ist, womit das gesamte Nationale System der Menschenrechtsverteidigung geschwächt wird«.

Im November sprach sich das Chiapanekische Netzwerk für Menschenrechte gegen das Gesetz für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte aus, das im selben Monat in Chiapas verabschiedet worden war, da dieses einen Rückschritt in der Unabhängigkeit und Effizienz der Bundesstaatlichen Kommission für Menschenrechte (CEDH) darstelle. Außerdem kritisierten sie die kürzliche Einsetzung von Yesmin Lima Adam zur Vorsitzenden dieser Einrichtung, da sie "ohne ein geeignetes Profil und ohne einen transparenten und die Gesellschaft einschließenden Entscheidungsprozeß« ernannt worden sei. Sie betonten: "Diese Handlungen des Bundesstaatskongresses, zusammen mit der willkürlichen Ablösung von Pedro Raúl López vor einigen Monaten sowie der Reform des Strafgesetzbuches vom vergangenen Mai, schwächen auf dramatische Weise die Geltung der Menschenrechte in Chiapas, beschränken die Ausübung fundamentaler Rechte und schwächen den Organismus, der ihrem Schutz dient« (siehe).http://www.laneta.apc.org/cdhbcasas

Im Dezember veröffentlichte Amnesty International einen Bericht: "Ignorierte Mißhandlungen in Guadalajara: das Zögern in der Aufklärung der Menschenrechtsverletzungen verlängert nur die Straflosigkeit«, in dem es heißt: "Die mexikanische Regierung hat wiederholt ihre Verpflichtung ausgedrückt, im mexikanischen Staat die Verletzung der Menschenrechte zu verhindern und zu bestrafen. Die Gewalthandlungen wie willkürliche Festnahme Folter und Mißhandlungen, die sich in Guadalajara während des Dritten Gipfeltreffens von Lateinamerika, der Karibik und der EU im Mai 2004 ereigneten, legen jedoch offen, daß ernste Mißbräuche dieser Art, besonders auf bundesstaatlicher und bezirklicher Ebene, im Land weiterhin verbreitet sind.« Bezüglich dieses Falls werden die Empfehlungen des genannten Berichts vom Gouverneur von Guadalajara bisher abgelehnt, obwohl die CNDH 118 Festnahmen und 19 Fälle von Folter dokumentiert hat.

FOKUS
Verweigerung der Strompreiszahlungen: lokaler Kampf gegen Privatisierung
Das Nichtzahlen des Stroms und der "Tarif besseres Leben«

Im Dezember ist es ein Jahr her, daß die Regierung des Bundesstaats Chiapas mit der Staatlichen Elektrizitätskommission (CFE), die den Strom an die mexikanische Bevölkerung liefert, einen Vertrag geschlossen hat. Mit diesem Vertrag wurde das Programm "Tarif Besseres Leben« (TVM) begonnen, das bis 2006 läuft. gemäß dem Gouverneur von Chiapas sind seine Ziele: die "Kultur des Nichtzahlens« beenden, das Zeitalter der "Mitverantwortung« einläuten und einen gerechten Stromtarif für alle Chiapaneken erreichen.« Vereinbart wurden eine Begnadigung derer, die aufgrund ihres sozialen Kampfes gegen die ungerechten Strompreise im Gefängnis saßen sowie die Einstellung aller Strafverfolgung gegen sie (siehe http://www.contraloriachiapas.gob.mx/tarifamejor/discursotarifa.htm)

Das Steigen der Stromtarife und die Konsequenzen aus dem Nichtzahlen sind eines der Hauptprobleme in den Gemeinden in Chiapas. Das haben die verschiedenen Gruppen bestätigt, mit denen wir bei unserem kürzlichen Besuch in der Nördlichen Zone (Bezirk Tila) gesprochen haben. Im gleichen Sinn bemerkte der Rat der Guten Regierung von Roberto Barrios (der für diese Zone zuständig ist), daß die Konflikte um den Strom und mit der CFE das Hauptproblem während des ersten Jahres ihres Bestehens waren.

Die Überteuerung des Stroms ist weder eine Besonderheit der Bezirke der Nördlichen Zone noch des Staates Chiapas. Im Bundesstaat Tabasco (der an Tila angrenzt) bezahlen 52% der Bevölkerung seit zehn Jahren keinen Strom und stellen damit eine der wichtigsten Widerstandsbewegungen des Landes dar. Initiiert wurde diese Bewegung durch López Obrador (damals Gouverneurskandidat der Revolutionären Demokratischen Partei, PRD, und heute Gouverneur von Mexiko-Stadt) angesichts des Wahlbetrugs, der den Kandidaten der Institutionellen Revolutionspartei, PRI, in das Amt des Gouverneurs brachte (El Universal, 30.10.2004).

Es sei aber daran erinnert, daß der Bezirk Tila nach dem zapatistischen Aufstand die meiste Gewalt erlitt. Hier formte sich die Gruppe "Desarrolly, Paz y Justicia« ("Entwicklung, Frieden und Gerechtigkeit«), die beschuldigt wird, paramilitärisch zu agieren und Furcht, Vertreibungen und Tod unter denen zu verursachen, die nicht dieser Gruppe angehören und zur EZLN oder anderen oppositionellen Gruppen gegen die PRI-Regierung, wie die PRD oder Abu Xu (eine Koalition zivilgesellschaftlicher Gruppen) zuzurechnen sind.

Momentan betrifft die Stromüberteuerung alle Gruppen in den Gemeinden, auch wenn sich die Antworten auf das Problem je nach Organisationszugehörigkeit unterscheiden. Dieses Problem verschärft die durch den Konflikt entstandenen sozialen Risse und besorgt diejenigen, die die Region kennen.

In den Gemeinden der Nördlichen Zone hat jede Familie durchschnittlich drei Glühbirnen; nur eine Minderheit besitzt Elektrogeräte wie Kühlschrank oder Fernseher; das Licht wird nur zwischen 19 und 21 Uhr angeschaltet da ihr Lebensrhythmus mehr mit dem Sonnenverlauf übereinstimmt. Viele Gemeinden haben erst kürzlich Strom bekommen, in einigen wie Jolnixtié hatten in der härtesten Zeit des Konflikts nur die PRI-Anhänger diese Leistung.

Am Anfang hatten sie Rechnungen von 15-20 mexikanischen Pesos [ca. 1,15-1,53 Euro] pro Familie, aber in letzter Zeit stiegen sie auf 50, 80, 300 oder 500 Pesos, ohne daß sich der Stromverbrauch durch die Familien in gleichem Maße erhöht hätte. Wir sprechen von Familien, die nicht einmal den Mindestlohn von 1200 Pesos pro Monat zur Verfügung haben, weshalb es ihnen unmöglich ist, die Rechnungen zu bezahlen, was zu Schulden in Höhe von Tausenden von Pesos führt. Zu den Zahlungsschwierigkeiten kommt die Präsenz der CFE-Funktionäre hinzu, die daraufhin die Stromleitungen kappen, was zu gewalttätigen Reaktionen von seiten der empörten Bevölkerung führt, die die im Verhältnis zu den ökonomischen Bedingungen unangemessenen Strompreise nicht bezahlen kann.

In diesem Zusammenhang präsentiert sich der "TVM« wie der Ausweg aus diesem Konflikt durch den Dialog. In diesem Programm wird ein zweimonatlicher Mindestverbrauch von je nach Region 300 oder 400 kWh festgelegt, ab dem die Konsumenten einen Rabatt von 51% für die ersten kWh und 12% für die nächsten 100 kWh bekommen. Aus Mangel an Information dachten viele Konsumenten, der neue Tarif würde bei null anfangen, also die Schulden streichen. In Wirklichkeit bedeutet jedoch die Unterschrift unter den Vertrag die Anerkenntnis der Schulden. Viele waren überrascht, daß die Schulden so hoch waren, daß trotz der Übernahme eines Teils der Summe durch die Regierung es ihnen unmöglich war, sie zu bezahlen.

Jetzt wird denen, die den TVM akzeptiert haben und die Rechnungen nicht bezahlen können, der Strom endgültig abgestellt. Das Programm hat nicht die erwünschten Ergebnisse gebracht, da die meisten Personen "im Widerstand« es ablehnen und weiterhin nicht bezahlen.

Verschiedene Widerstandsformen gegen ungerechte Tarife

In der Nördlichen Zone finden wir verschiedene Widerstandsformen. Die zapatistischen Gemeinden auf der einen Seite verweigern seit 1994 die Stromzahlungen als Teil ihrer Widerstandsbewegung gegen alle Steuern und Abgaben der Regierung. Dies ist ein weiteres Druckmittel, um von der Regierung die Umsetzung der Friedensverträge (die von der Regierung und der EZLN am 16. Februar 1996 unterzeichnet wurden) zu fordern. Sie fordern den Strom als kollektives Eigentum der Nation und verlangen deshalb seine öffentliche Verteilung. Die Räte der Guten Regierung übernehmen die Unterhaltung der Transformatoren und ersetzen so die fehlenden Leistungen der CFE in ihren Gebieten.

Auf der anderen Seite befindet sich die "Bewegung des zivilen Widerstands«, die speziell für die Organisierung des Widerstandes gegen die Strompreise gegründet wurde. Im Bezirk Tila gehört die Mehrheit der Zivilgesellschaft an, die sich während des Konflikts gegen die Regierung organisierte und deshalb vor der Gewalt durch "Paz y Justicia« fliehen mußte. Ihr Widerstand begann, als sie in ihre Häuser zurückkamen und, nachdem sie ihr Leben gerettet hatten, den angehäuften Rechnungen aus der Zeit ihrer Vertreibung gegenüberstanden. Die Unmöglichkeit, diese Rechnungen zu bezahlen, und die Empörung, bei der CFE in Schulden zu stehen, nachdem sie gewaltsam aus ihrem Gebiet vertrieben worden waren, motivierte ihren Ungehorsam gegenüber der CFE und später ihren Anschluß an die zivile Widerstandsbewegung. Sie bezahlen nicht, solange es keine gerechten Tarife gibt. Diese Bewegung gehört der Allianz des Zivilen Widerstands des Bundesstaates Chiapas an, die im April dieses Jahres mit dem Ziel, für einen gerechten Tarif, der "mit den ökonomischen Bedingungen der Bevölkerung übereinstimmt«, gegründet wurde. Sie halten den TVM für einen Betrug, um die Zahlung der Schulden zu erreichen, da er keinen wirklich gerechten Tarif darstellt.

Einige PRI-Anhänger, die traditionell der Regierung nahestehen und ökonomische Projekte oder Hilfen annehmen, haben angesichts der Unmöglichkeit, die Rechnungen zu begleichen, ebenfalls aufgehört, den Strom zu bezahlen (auch wenn sie den TVM akzeptiert haben). Diese organisieren oder artikulieren sich jedoch nicht gemeinsam mit den anderen Widerstandsbewegungen.

Es gibt Ausnahmen wie den Autonomen Bezirk San Juan de La Libertad, wo die verschiedenen politischen Gruppen (zapatistische Basisgemeinden, Anhänger der PRD, der PRI oder der Arbeitspartei PT) sich organisiert haben, um den Transformator zu reparieren und die Stromlieferung für alle aufrechtzuerhalten.

Warum muß man für eine so grundlegende natürliche Ressource so viel bezahlen? die Privatisierung

Der Strom ist teil der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, die nötig sind, um ein würdiges Leben zu führen. Die elektrische Energie wurde seit der Epoche des Präsidenten Lázaro Cárdenas als öffentliche Dienstleistung angesehen. Dieser begann die Verstaatlichung der Elektroindustrie, die bis 1960 dauerte. Die CFE wurde Ende der 40er Jahre als ein dezentrales Organ ins Leben gerufen, das mit der Lieferung des Stroms an die Mexikaner beauftragt war, wodurch private Unternehmen aus diesem Sektor ausgeschlossen waren. Sie wurde als Eigentum des mexikanischen Volkes betrachtet und sollte der Wohlfahrt dienen. Die nationale Energiepolitik wurde ab 1992 mit der Reform des Verfassungsartikels 27, die den privaten Investitionen im Land die Tür öffnete, neu formuliert.

Laut CIEPAC (Zentrum für wirtschaftliche, politische Forschung und Gemeindeaktion) werden 45-65% der hydroelektrischen Energie Mexikos in Chiapas erzeugt. Die Widersprüche springen ins Auge, wenn man beachtet, daß der größte Teil der Energieproduktion von Chiapas nach Mexiko-Stadt und das urbane Umland geliefert wird, während gemäß dem Rat der Guten Regierung von La Realidad 90% der Gemeinden der Region Selva keinen Strom haben.
Trotz dieser sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten reagiert die mexikanische Politik nicht auf die lokalen Bedürfnisse, sondern auf die Interessen, die durch die Forderungen der industrialisiertesten Länder nach "Entwicklung« und Konsum gekennzeichnet sind. Der hohe Energieverbrauch der USA und der Mangel an eigenen Energiequellen erklären deren Interesse an Freihandelszonen auf dem amerikanischen Kontinent, innerhalb derer sie regionale Energiemärkte aufbauen wollen, die ihren Bedarf in den kommenden Jahrzehnten decken können.

Laut CIEPAC kann man den Widerstand gegen die Stromzahlungen als eines der Hindernisse auf dem Weg zur Umsetzung des Plan Puebla Panamá in der Region ansehen, der die Schaffung eines regionalen Strommarktes durch die Einführung des System der Elektrischen Integration für Mittelamerika (SIEPAC) beinhaltet. So wird für 2007 mit einer Starkstromleitung gerechnet, die die Stromsysteme von Panama bis Mexiko und von Mexiko in die USA verbindet. Laut Interamerikanischer Entwicklungsbank ist das Ziel, eine "zentralamerikanische Verbindung zu schaffen, die die Beteiligung des privaten Sektors anzieht, um den regionalen Elektrizitätsmarkt zu entwickeln«, und damit "die ökonomische Effizienz des kompletten Versorgungssystems« zu verbessern. (La Jornada, "Los frentes del PPP«, 18.10.2004)

Die Nationale Energiepolitik-Entwicklungsgruppe der USA gab einen Bericht heraus, in dem es heißt: " Die steigende Energieproduktion und -kooperation der USA, Kanadas und Mexikos würde die Sicherstellung der Energiezufuhr steigern und durch unsere wirtschaftlichen Verbindungen innerhalb der NAFTA-Ökonomie die ökonomische Sicherheit jedes dieser Länder fundamental verbessern.« Darüber hinaus versicherte sie, daß die Verfassungsreform von 1992 den privaten Firmen erlaube, Strom für ihren eigenen Verbrauch herzustellen und den Überschuß an die CFE zu verkaufen.
(Englische Version: http://usinfo.state.gov/regional/ar/mexico/energy.htm)

In diesem regionalen Kontext der "freien« Märkte erließ das Wirtschaftsministerium der mexikanischen Regierung ein Dekret, in dem die Tarife verändert und ein Teil der Subventionen gestrichen wurden (veröffentlicht im Diario Oficial am 7.2.2002). Laut Regierungsangaben sollte diese Maßnahme helfen, einerseits die Subventionen bei den Niedrigstverbrauchern zu konzentrieren, andererseits mehr Geld für die Qualitätsverbesserung der Stromlieferung bereitzustellen. Beide Ziele wurden verfehlt, weil die Geringverbraucher am meisten unter der Tarifumstellung leiden und laut Aussagen der Gemeinden die CFE weiterhin die Unterhaltung und angemessene Behandlung der Versorgungseinrichtungen vernachlässigt. Einige Monate später, im August 2002, brachte die mexikanische Regierung einen Reformentwurf des Artikels 27 ein, der Privatpersonen die Möglichkeit eröffnete, Energie zu erzeugen, was bisher dem Staat vorbehalten war, sodaß nur noch die Verteilung der Energie staatliches Monopol blieb.

Der Oberste Gerichtshof hob das oben genannte Dekret im April 2003 vorübergehend auf. Diese Entscheidung öffnete die Tür für das Einlegen von Rechtsmitteln, diese scheiterten jedoch am betrügerischen Verhalten des beauftragten Anwalts.

Ziviler Ungehorsam: eine Form des Widerstands

Wir konnten feststellen, daß der TVM in Zonen wie Tila, wo das soziale Netz bereits durch den Krieg zerstört ist, den Konflikt weiter verschärft. Die Regierungsstellen selbst haben direkten und indirekten Druck auf die Bevölkerung ausgeübt, den TVM zu akzeptieren, indem sie betonen, daß er Vorteile biete und nützlich sei. Die Funktionäre der CFE haben die Bevölkerung mit Drohungen, andernfalls die Transformatoren nicht mehr zu unterhalten, zur Unterschrift gedrängt. In einigen Gemeinden hat der "Beauftragte« (Gemeindeautorität) die Familien unter Druck gesetzt zu unterschreiben, in anderen wurde diese Unterschrift verlangt, um Projekte oder Hilfen von der Regierung zu bekommen.

Zu all diesem kommt die mangelnde Qualität der Stromlieferungen hinzu: Stromausfälle in den Gemeinden sind alltäglich, die Stromspannung schwankt und schädigt damit die elektrischen Geräte. Der Stromverbrauch wird nicht direkt in den Gemeinden gemessen, was das Unverständnis der Verbraucher erklärt, wenn sie die unterschiedlichen Rechnungen der Nachbarn sehen, wo einige mit vielen elektrischen Geräten eine niedrigere Rechnung haben oder noch mehr, wenn andere gar keine Rechnung bekommen.

Der organisierte Widerstand versucht sich vor den Repressionen zu schützen, aber am angreifbarsten sind diejenigen, die keine Organisationsstruktur wie die EZLN oder die zivile Widerstandsbewegung hinter sich haben und endgültige Sperrungen des Stroms erleiden, wie es in einigen Vierteln des Bezirks Yajalón geschehen ist. Die Anführer des zivilen Widerstands haben gezielte Stromsperren erlebt, aber dank ihrer Organisation haben sie Druck aufgebaut, um wieder an den Strom angeschlossen zu werden.

Der organisierte Ungehorsam ist eine Strategie des Überlebens der Gesellschaft gegenüber ungerechten Gesetzen oder Entscheidungen, in diesem Fall gegenüber einer Tarifpolitik und besonders gegen eine Politik der öffentlichen Dienstleistungen, die die soziale Funktion derselben vergessen hat. Dieser Weg erscheint als einzige Option, wenn alle anderen Wege verschlossen sind, unter anderem der juristische, der langsam und teuer ist und der mit einem Mangel an Glaubwürdigkeit der staatlichen Institutionen einhergeht.

Die Widerstandsbewegung sieht die Privatisierung des Energiesektors als Hauptgrund für die gestiegenen Strompreise: "die Regierung versucht den ausländischen Investoren zu zeigen, daß die CFE ein lohnendes Geschäft ist, das hohe Tarife kassiert« (Dokument der chiapanekischen Regionalen Koordinationen der Zivilgesellschaft im Widerstand). Die andere vorherrschende Erklärung ist, daß die allgemeine Zahlungsverweigerung ein perfekter Vorwand für die Insolvenz und damit die Notwendigkeit, Privatkapital einzuführen, wäre.

In diesem Zusammenhang verstärkt der TVM nicht nur die Konflikte, sondern bleibt auch auf halbem Weg stehen. er greift nicht in die Energiepolitik ein, die auf internationalem Parkett entschieden wird, weit entfernt von der Realität der Gemeinden, und die Stimmen der Zivilgesellschaft wurden in den Verhandlungen zum TVM nicht gehört.

Diese Widerstandsformen sind Teil der Opposition der Zivilgesellschaft gegen die Privatisierung der Elektroenergie. Sie zeigen die Gründe, warum der zapatistische Aufstand mit der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens NAFTA zusammenfiel, und die Bedeutung ihres Kampfes innerhalb der globalen Bewegung gegen die Vermarktung der grundlegenden Ressourcen wie Strom, Erdöl, Wasser und Biodiversität. Diese Erfahrungen sind wichtige Schritte in der Wiedererlangung der Autonomie, auf dem Wege des Aufbaus eines Lebenstraumes, in welchem die Völker über die Politik entscheiden, welche ihr Leben bestimmt.

ARTIKEL
Die Militärakademie «School of the Americas”: No Más, No More

No mas, no more shout the hills of Salvador
Echo the voices of the world we cry out
No Mas No more
No mas No more −we must stop the dirty wars,
Compañeros compañeras we cry out,
gritando desde las montañas de El Salvador
El eco de las voces del mundo, gritemos
No mas no more
no mas no more − debemos parar las sucias guerras
Compañeros compañeras gritemos
No más, no more schallt es von den Bergen El Salvadors
Ein Echo der Stimmen der Welt
No más no more
No más no more − wir müssen die schmutzigen Kriege stoppen
Compañeros compañeras rufen wir

Sonntag, der 21. November: der Tag beginnt bewölkt und langsam füllt sich die Strasse mit Menschen, die sich gegenüber des Militärstützpunktes Fort Benning in Georgia, USA, versammeln. In wenigen Stunden haben sich ca. 16000 Personen eingefunden. Jeder einzelne träg in der Hand ein weisses Kreuz. Auf jedem Kreuz steht ein Name, das Alter und der Ort des Todes dieser Person geschrieben. Ich trage ein weisses Kreuz mit dem Namen Lorenzo Gómez Perez, Opfer des Massakers von Acteal, verstorben am 22. Dezember 1997 im Chiapas. Um zehn Uhr morgens startet der Marsch und bewegt sich langsam Richtung Eingang der Militärbase. Von einer Bühne aus wird eine gregorianische Melodie gesungen und dabei die Namen der Opfer genannt: Jungen, Mädchen, Alte, Junge, Männer und Frauen. Die 16000 Stimmen antworten mit einem PRESENTE! (ANWESEND!) und für mehr als zwei Stunden marschieren wir gemächlich weiter bis wir schliesslich die Kreuze am Maschendrahtzaun am Eingang des Stützpunktes niederlegen.

Dies ist eine der jährlichen Demonstrationen, die gegen die Militärschule "School of the Americas« (SOA) stattfinden, um gegen die Existenz dieser Einrichtung zu protestieren, die Soldaten in ganz Lateinamerika trainiert. Mittlerweile hat sie ihren Namen geändert und heisst nun offiziell "Western Hemispheric Institute for Security Cooperation« (WHISC). Diese Offiziersschule wurde 1946 vom US-Militär in Panama gegründet, um die latein-amerikanischen Regierungen dabei zu unterstützen, in ihren jeweiligen Ländern für "Stabilität« und "Demokratie« zu sorgen, und wurde 1984 nach Fort Benning, Georgia/USA, verlegt. Trotz alldem verlor sie schon bald ihre Glaubwürdigkeit, als beklagt wurde, dass ihre Abgänger dazu beigetragen hatten wenigstens zehn Militärdiktaturen zu errichten und viele von ihnen an Morden, Massakern und Menschenrechtsverletzungen in ganz Lateinamerika beteiligt gewesen sind. Einer der bekanntsten und erschütternsten Fälle war der Mord an sechs jesuitischen Priestern, ihrer Haushälterin und deren Tochter in El Salvador im Jahre 1989. Die Wahrheitskommission der UNO stellte fest, dass 19 der 27 am Massaker beteiligten Soldaten Absolventen der SOA gewesen sind. Leider ist dies nur einer von vielen ähnlichen Fällen, die es auch in anderen Ländern wie Honduras, Guatemala und Peru gab.

Die Lehrbücher der Akademie, publiziert im Jahre 1996, zeigten, dass in dieser Ein-richtung die Soldaten in psychischen und physischen Foltermethoden geschult und trainiert wurden, für Verhöre, zur Aufstandsbekämpfung, in Methoden wie dem "Krieg niedriger Intensität«, für Freischärlertechniken oder auch für Kommando-Operationen ("Zentrum für Analyse, Forschung und Kommunikation« - CIEPAC).

In den ersten 50 Jahren seit Bestehen Mexikos in seiner heutigen Form wurden wenige Auszubildende zur SOA gesandt. Jedoch hat die Teilnahme im letzten Jahrzehnt stetig zugenommen bis im Jahre 1997 dann ein Drittel aller Absolventen dieser Schule Mexikaner waren. Wenigstens 18 hohe Militärs der Staaten Chiapas, Guerrero und Oaxaca haben eine Ausbildung an dieser Schule genossen.

Der diesjährige Protest war jedoch nicht nur gegen den Charakter dieser Schule gerichtet, sondern auch gegen die Situation der tausend und abertausenden US-amerikanischen Soldaten, die im Irak-Krieg eingesetzt wurden. Die Mutter eines Soldaten, der im Krieg verschwunden ist, teilte die Ansicht, in jedem toten Soldaten nicht nur einen "Verlust des Krieges« zu sehen, sondern auch den Menschen in seinem sozialen Umfeld, seine Familie, Freunde, Arbeit etc...

Die Teilnehmer kamen aus den verschiedensten Milieus: Nonnen, Punks, Studenten, Kriegsveteranen (viele die in Vietnam waren), Gewerkschafter, Jungen und Mädchen. Jedes Jahr hat dieser Akt des Ungehorsam darin bestanden, die "Grenze zu über-schreiten«. Früher bedeutete dies wörtlich eine Linie, die auf dem Boden den Eingang zur Base kennzeichnete, zu überschreiten, was verboten ist und somit bedeutete, dass man verhaftet wurde. Dieses Jahr musste man einen Zaun überspringen, der den direkten Zugang zum Stützpunkt verhindert. Es wurden 20 Personen festgenommen, die aufgrund ihres zivilen Ungehorsams, d.h. das Betreten des Stützpunktes und das Demonstrieren gegen die Politik dieser Regierung, drei bis sechs Monate Gefängnis absitzen müssen. Seit 1990, dem Jahr als der erste Protest stattfand, haben 170 Aktivisten infolge der Proteste gegen die Akademie und ihre Politik zusammen 85 Jahre Gefängnis ange-sammelt, unter ihnen viele Nonnen.

Diese Demonstration war für mich der letzte Teil einer dreimonatigen Rundreise durch die USA, die ich knapp zwei Tage nach der Präsidentschaftswahl gestartet hatte. Es war das erste Mal nach Jahren, dass ich in dieses Land zurückkehrte und der Gang durch die Migration war eine merkwürdige und angsteinflössende Erfahrung, nicht nur wegen des grimmigen Gesichtes der Beamtin, sondern auch weil meine Fingerabdrücke genommen und ein Foto von mir gemacht wurden. Dies war nur der Anfang meiner Reise in das so genannte Land der Freiheit.

Das erschreckendste war meine US-amerikanischen Freunde wiederzutreffen, die nach den Wahlergebnissen und der Wiederwahl Bushs als Präsident für weitere vier Jahre enttäuscht und traurig waren. Viele hatten sich entschieden, an den Wahlen teilzunehmen und grosse Anstrengungen unternommen, um das kriegerische Treiben Bushs zu beenden. Jemand erzählte mir, dass er das erste Mal an den Wahlkampagnen teilgenommen habe, weil er den Gedanken an weitere vier Jahre mit dem Präsidenten George W. Bush nicht ertrage. Einige Leute sind sogar nach Florida gereist, um dort bei der Kampagne der Demokraten zu arbeiten, um einen Betrug wie bei den letzten Wahlen zu vermeiden. Am Ende kam es nicht zu dem erwünschten Ergebnis.

Eine der Sachen, die mich am meisten überraschten war die existierende Polarisierung innerhalb der amerikanischen Gesellschaft, verschärft durch das Klima der Wahlen. Bei dem Protestmarsch gab es Leute, die T-shirts und Anstecker mit der Aufschrift "Protestieren ist ein patriotischer Akt« trugen. Erst verstand ich den Sinn dieser Aussage nicht, bis mir eine Freundin erklärte: "Die Republikaner haben ein Monopol auf das Wort ‚Patriotismus’. Wenn wir gegen unsere Regierung demonstrieren, scheint es, als seien wir gegen unser Vaterland. Für uns ist es wichtig zu zeigen, dass unser Protest nicht nur ein demokratisches Recht ist, sondern dass wir, während wir protestieren, die nötige Demokratie ausüben, damit unser Land überhaupt existieren kann.«

In diesem Zusammenhang erfuhr ich von zwei Geschichten, die ein Beispiel für diese Polarisierung geben. Ein elfjähriges Mädchen äusserte in der Schule seine Meinung über den Krieg im Irak, sie sagte: "Es sind schon so viele Menschen umgekommen, so viele unschuldige Menschen, dass es besser wäre, wenn die Truppen heimkämen.« Die Lehrerin bestrafte sie dafür und zwang sie, sich in die Ecke der Aula zu stellen. Auf der anderen Seite erzählte mir ein Universitätsprofessor, dass, nachdem er im Fernsehen eine Rede gegen den Irak-Krieg gehalten hatte, Druck auf ihn ausgeübt wurde, damit er von seinem Posten abtrete.

Nach all dem was ich sah, was aus der Ferne schwer zu verstehen ist, war das Einzige, was mir Hoffnung gab so viele Leute zu kennen, die für eine Veränderung in ihrer eigenen Gesellschaft kämpfen. Ich hatte die Möglichkeit verschiedene Leute kennen zu lernen, die einen Teil ihrer Zeit für Organisationen opfern, die gegen wirtschaftliche, soziale und politische Ungerechtigkeit arbeiten. Dieser Kampf gegen die Politik der US-amerikanischen Regierung ausgehend von den eigenen Bürgern ist Teil einer globalen Bewegung, die versucht den Traum von einer anderen Welt zu realisieren. Ich bewundere all diese Leute sowie die 16000 Stimmen, die nach Fort Benning angereist sind, um in einem Protestmarsch all der Toten zu gedenken, ermordet durch die SOA und rufe: NO MÁS NO MORE....
http://www.soaw.org
http://www.ciepac.org/bulletins/100-200/bolec181.html
http://faculty.hope.edu/psych/psy281/soa.html
http://www.benning.army.mil/whinsec/

AKTIVITäTEN VON SIPAZ
Oktober-Dezember 2004
BEGLEITUNG

Im Oktober und November haben wir mit den Juntas de Buen Gobierno, Räten der guten Regierungen, der fünf zapatistischen Caracoles gesprochen.

Wir führten Wahlbeobachtung bei den Kommunalwahlen am 3. Oktober im Landkreis Chenalhó durch.

Im November waren wir in der Zona Norte von Chiapas, um mit verschiedenen Beteiligten über die Situation in der Region zu sprechen. Zudem sammelten wir Information über den Widerstand gegen die Bezahlung der Stromrechnungen, Thema
unseres Schwerpunktes.

KONTAKTE UND INFORMATION

Wir empfingen BesucherInnen, Delegationen, StudentInnen und JournalistInnen − hauptsächlich aus den USA und Europa − , um ihnen über die aktuelle Situation in Chiapas und die Arbeit von SIPAZ zu berichten.

Im Oktober trafen wir Mitglieder der Botschaft der USA in Chiapas und im November fand ein Treffen mit Mitgliedern der deutschen Botschaft in Mexiko D.F. statt.

Zudem gab es im Oktober Gespräche mit verschiedenen Akteuren in Mexiko-Stadt, um sich über die Situation im ganzen Land auszutauschen.

Wir haben im Oktober zwei Videos fertiggestellt: ein allgemeines über die Arbeit von SIPAZ und ein spezifisches über das Puppentheaterprojekt, das wir in Zusammenarbeit mit Alianza Cívica (Chiapas) entwickelt haben.

Im November und Dezember nahmen wir an zwei Sitzungen des Seminars "Das Werk Immanuel Wallersteins: Eine Grammatik, um die aktuelle Welt aus kritischer Perspektive zu verstehen« teil. Das Seminar wurde vom «Studiums-,
Informations- und Dokumentationszentrum Immanuel Wallerstein” der Universidad de la Tierra-Chiapas und dem Indigenen Zentrum für Integrierte Schulung (Centro Indígena de Capacitación Integral CIDECI) koordiniert.

FRIEDENSERZIEHUNG

Wir sind weiterhin Teil des Netzwerks für den Frieden (Red por la Paz), das Raum für Handeln und Reflektionen bietet und Friedensprozesse auf der Ebene der chiapanekischen Organisationen und Gemeinden unterstützt.

Im November halfen wir, ein zweitägiges Treffen des Mexikanischen Netzes der Friedensschaffenden (Red mexicana de constructores de Paz) zu ermöglichen.

Es wurde an den Konzepten Frieden und zivile Konfliktbearbeitung gearbeitet und Fortschritte beim Entwurf eines strategischen Planes für das Netz erzielt.

Weiterhin veranstalten wir Workshops über die Kultur des Friedens und die Menschenrechte mit den Jugendlichen des Zentrums für Kommunale Entwicklung (Centro de Desarrollo Comunitario, CEDECO) in San Cristóbal de Las Casas.
Im Oktober gab die Puppenspielgruppe Diversidad, "Vielfalt«, vor mehr als 1.200 Schülerinnen und Schülern von Schulen der Stadt San Cristóbal de Las Casas Vorstellungen über Konflikte und Respekt vor Mutter Erde.

Es gab Versammlungen und Gespräche mit religiösen Akteuren aus Chenalhó und San Cristóbal de Las Casas.

Wir nahmen außerdem am Zweiten Internationalen Symposium über Protestantismus teil, das vom 19. bis 22. Oktober in San Cristóbal de Las Casas stattfand.

NATIONALE UND INTERNATIONALE ARBEIT

Am 15. und 16. November beteiligten wir uns mit zwei Referaten an einem Seminar zu «Globalisierung, Gerechter Handel und Widerstandsgruppen”, das in der Benemérita Universidad Autónoma de Puebla (BUAP) stattfand.

Im November nahmen wir als ReferentInnen an der XIV. Internationalen Tagung in Chetumal, Quintana Roo, teil, die vom Institut für Juristische Forschungen der UNAM (Universidad Nacional Autónoma de México) und der Universität von Quintana Roo organisiert wurden. Diese Tagung beschäftigte sich mit Themen um die Konvention 169 der ILO über Rechte der Indigenen Völker und Stämme.

Wir nahmen als BeobachterInnen am Ersten Nationalen Dialog für ein Projekt der Nation mit Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie teil, der am 27. und 28. November in Mexiko-Stadt stattfand. Ziel des Treffens war es, über folgende Themen zu debattieren: Nationale Souveränität und Globalisierung; Neue Modelle wirtschaftlicher Entwicklung; Neue Modelle der Demokratie; Identitäten, Kulturen und Bildung; Gerechtigkeit und Soziale Rechte; Alternativen von Organisationen und Allianzen.

Im November begab sich ein Mitglied von SIPAZ auf eine dreiwöchige Rundreise durch die USA, hauptsächlich in Washington D.C. und Chicago. Es fanden Treffen mit verschiedenen Mitgliedern unserer Koalition (Projektträger) statt und sie nahm an den Demonstrationen vor der "Escuela de las Americas« (Amerikanische Militärschule in Fort Benning, Georgia) teil.

Im Dezember begann ein anderes Mitglied von SIPAZ eine Reise durch Deutschland, die mehrere Städte des Landes einschließen wird.

 Quelle:  
  https://www.sipaz.org/?lang=de 
 

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