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Beitrag zu AMLO in ORF1

Zuerst die Armen - Lateinamerikas Linkstrend im Aufwind

Fernsehtipp vom 25.11.2005
Gestaltung: Wolf-Dieter Vogel

  ORF1
Donnerstag, 24. November 2005
18:25 Uhr

Zuerst die Armen
Lateinamerikas Linkstrend im Aufwind

Andrés Manuel López Obrador ist Mexikos kommender Mann. Wo er auftaucht, sind auch seine Anhänger; und die Zahlen sprechen für sich: Etwa vier Fünftel der Bevölkerung von Mexiko-Stadt stehen hinter ihm. Aber nicht nur in der Hauptstadt, auch in den übrigen Bundesstaaten werden derzeit dem ehemaligen Bürgermeister mit Abstand die größten Chancen auf einen Sieg bei den kommenden Präsidentenwahlen im Juli nächsten Jahres eingeräumt. Und sieht man auf die erfolgreiche fünfjährige Amtszeit des 51-jährigen linken Politikers, verwundert das wenig.

Der "Lula Mexikos"

Unter dem Motto "Zuerst die Armen" hat López Obrador binnen weniger Jahre u. a. eine Grundrente für alle Alten eingeführt. Er finanzierte Hilfsprojekte für alleinerziehende Mütter und ließ in jedem der 16 Bezirke der Metropole ein Gymnasium bauen: "López Obrador hat viele Maßnahmen ergriffen, die politisch und auch in ihren realen Auswirkungen sehr effektiv waren," erklärt auch der renommierte Soziologieprofessor Sergio Zermeno. Die Anhänger des Linkspolitikers nennen ihn deshalb in Anlehnung an den brasilianischen Staatschef Ignacio "Lula" da Silva den "Lula Mexikos".

Seit er sein Amt als Stadtoberster im Sommer aufgegeben hat, widmet sich López Obrador − Aushängeschild der linken PRD, der Demokratischen Revolution − nur noch dem Wahlkampf. Er reist von Bundesstaat zu Bundestaat, und überall ist ihm eine große Zuhörerschaft gewiss. Gewerkschaften, Bauernverbände, Stadtteilorganisationen und auch viele Intellektuelle stehen hinter ihm. Schließlich hat der Politiker viel versprochen: Bildung und Gesundheitsversorgung für alle, Rechtssicherheit für die indigene Bevölkerung, keine Privatisierung der Erdölindustrie. Zudem will er dafür sorgen, dass die Verantwortlichen für den "schmutzigen Krieg" gegen die Opposition der 1970er Jahre zur Rechenschaft gezogen werden.

Anti-amerikanischer Linkstrend

Die dunkle Vergangenheit aufarbeiten, den gesellschaftlichen Reichtum gerechter verteilen, Bildung und Gesundheit in den Vordergrund stellen − das alles erinnert an eine Politik, wie sie derzeit von vielen Regierungen Lateinamerikas propagiert wird. In vier Staaten konnten Politiker Wahlen gewinnen, die auf die Erfahrungen der Linken bauen: "Lula" in Brasilien, Néstor Kirchner in Argentinien, Tabaré Vazquez in Uruguay und Hugo Chávez in Venezuela.

Schon jetzt führt diese Entwicklung in den USA zu erheblicher Verstimmung. So kritisiert Washington die anti-amerikanische Stimmungsmache des Venezolaners Chávez. Auch Argentiniens Kirchner sorgt für Unmut, weil er nicht bereit ist, die Auslandsschulden zurückzuzahlen. Zuletzt wurde das gesteigerte Selbstbewusstsein auf dem Südkontinent während des Gipfels der OAS, der Organisation Amerikanischer Staaten Anfang November im argentinischen Mar del Plata deutlich, wo es zum Eklat kam.

Der "Schoßhund des Imperiums"

Das venezolanische Staatsoberhaupt Hugo Chávez beschimpfte in diesem Zusammenhang unlängst Mexikos Staatspräsident Vicente Fox für seine zustimmende Haltung gegenüber den US-Freihandelsplänen. Und in der Tat: Es ist nicht nachvollziehbar, warum sich ausgerechnet der Mexikaner Fox für diesen liberalisierten Markt stark macht. Mexiko hat sich 1994 mit den USA und Kanada auf das Freihandelsabkommen NAFTA eingelassen. In dessen Folge hat die Verarmung der ländlichen Bevölkerung zugenommen. Subventionierte US-Nahrungsmittel überschwemmen derzeit den heimischen Markt und zerstören die Existenz von Kleinbauern.

Dieser Entwicklung will der Präsident in spe, López Obrador, Einhalt gebieten. Er hat angekündigt, einzelne Aspekte des NAFTA-Vertrags nachzuverhandeln, um die mexikanischen Bauern vor der Konkurrenz durch Billigmais und Dumpingbohnen zu retten. Doch nicht alle vertrauen auf die Versprechen von López Obrador.

Die Gegenkampagne der Zapatisten Die indigenen Rebellen vom EZLN, dem Zapatistischen Befreiungsheer aus dem Bundesstaat Chiapas, polemisieren immer wieder gegen Lópze Obrador und seine Partei. Für die Zapatisten steht seit ihrem bewaffneten Aufstand im Jahre 1994 der Kampf für die Rechte der indigenen Bevölkerung im Vordergrund. Seit sich PRD-Politiker bei einer Abstimmung im Parlament gegen vereinbarte Rechte für die Indígenas ausgesprochen haben, agieren die Zapatisten gegen die Linken.

Im August dieses Jahres lud das EZLN Vertreter verschiedener gesellschaftlicher Bereiche zu Gesprächen: Indígenas, Gewerkschafter, linke Aktivisten, Bauern. Das Thema: die Entwicklung einer "anderen Kampagne", einer Mobilisierung von unten: "Wir stellen uns gegen die gesamte politische Klasse", stellte der Zapatistensprecher Subcomandante Marcos klar. Auch an der Haltung gegenüber der PRD ließ er keinen Zweifel: "Wir wollen uns mit ihnen auf keine Vereinbarung einlassen, denn sie haben uns verachtet, und dafür werden sie zahlen".

Zu populistisch und autoritär?

Viele indigene Organisationen, aber auch andere Gruppen haben sich dieser Position angeschlossen. López Obrador arbeite eng mit Unternehmern zusammen, kritisieren städtische Linke. So etwa bei der Sanierung des historischen Zentrums von Mexiko-Stadt, das mit Hilfe des Multimillionärs Carlos Slim auf Vordermann gebracht wurde. Während der Investor nun zahlreiche Häuserblöcke der Innenstadt besitzt, können sich arme Anwohner die teuren Wohnungen nicht mehr leisten. "López Obrador zieht im Namen der Linken alles durch, wogegen wir uns gewehrt haben," kritisiert der Analytiker Marco Rascón.

Vor allem aber steht der PRD-Mann in der Kritik, weil er als autoritärer Politiker gilt. Soziologe Zermeno bezeichnet ihn als "typischen Populisten", der sich ohne Vermittlung "von der Spitze der Pyramide nach ganz unten" wendet. Organisationen wie den Zapatisten, die sich explizit gegen hierarchische Strukturen verwehren, sind solche Ansätze ein Dorn im Auge.

Die nostalgische Kraft der alten Mächte

Trotz teils scharf aufkommender Kritik ist dennoch in der Bevölkerung eine große Zustimmung für López Obrador zu erkennen. Der Grund: Die Furcht vor einer Rückkehr der alten Mächte sitzt tief. Über 70 Jahre lang regierte die Partei der PRI, der Institutionellen Revolution, das Land. In einem Konglomerat von Unternehmern, regierungstreuen Gewerkschaftern, Militärs und Politikern bestimmte sie das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben Mexikos. Erst vor fünf Jahren wurde das PRI-Regime von der Regierung des konservativ-liberalen Fox abgelöst. Doch die schlechten Erfahrungen mit der wirtschaftsliberalen Öffnung lassen heute viele nostalgisch in die Vergangenheit blicken. Folglich konnte die PRI bei den letzten Wahlen in den Bundesstaaten erhebliche Gewinne erzielen.

Gegen diese Kraft der alten Mächte steht nur López Obrador. Noch ist allerdings nicht definitiv ausgemacht, ob der PRD-Politiker das Rennen machen wird, und im Gegensatz zu den Zapatisten redet er nicht von einer radikalen Veränderung der Verhältnisse zugunsten der Armen. Doch schon eine gerechtere Verteilung der Ressourcen würde für das Gros der Bevölkerung einen kleinen Fortschritt bedeuten. Wieweit dieser tatsächlich geht, wird nicht zuletzt von der Bereitschaft des PRD-Politikers abhängen, auf die Forderungen der Gewerkschaften, Bauernverbände und Basisorganisationen einzugehen: "Hoffentlich versteht López Obrador, dass er nicht alleine ist," erklärt die Feministin Pilar Muriedas mit Blick auf die Parole, die ihm derzeit überall zugerufen wird: "Andres Manuel, du bist nicht allein."

 Quelle:  
  http://oe1.orf.at/highlights/48151.html 
 

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