Der Heckler & Koch-Prozess: Ein Rückblick

Der Hauptbeschuldigte weilt noch immer in Mexiko

Ein Sturmgewehr des Waffenherstellers Heckler & Koch
Todbringende Wirkung: Sturmgewehr des Waffenherstellers Heckler & Koch. © picture alliance / Patrick Seeger/dpa
Von Uschi Götz · 14.02.2019
Mitarbeiter der schwäbischen Rüstungsfirma Heckler & Koch müssen sich seit geraumer Zeit wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten. Das Urteil wird für den 21. Februar erwartet.
"Es war von Anfang an klar, wohin geliefert wurde." Das sagte Oberstaatsanwalt Karlheinz Erkert in seinem Plädoyer nach fast 30 Verhandlungstagen. Das Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart sollte die Rolle früherer Mitarbeiter des Waffenherstellers Heckler und Koch beim Export von Waffen nach Mexiko klären. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart geht davon, dass damals eine unzureichende Ausfuhrkontrolle innerhalb des Unternehmens stattfand. Staatsanwalt Heiner Römhild: "Die hierfür verantwortlichen Personen haben die Anträge einfach unterschrieben."

Skandalös, schändlich, miserabel

Drastischer drückte es Oberstaatsanwalt Erkert im Schlussvortrag aus: Skandalös, schändlich und miserabel sei es gewesen, was damals passierte.
Laut Anklage haben Mitarbeiter von Heckler und Koch auf den Inhalt sogenannter Endverbleibserklärungen Einfluss genommen. Diese Papiere müssen Behörden - darunter das Bundeswirtschaftsministerium - vorgelegt werden, um Waffenexporte zu genehmigen. Im Fall von Waffenlieferungen nach Mexiko wurden laut der Anklage deutsche Behörden bewusst getäuscht. Den Behörden ist dabei nach Auffassung der Staatsanwaltschaft nichts vorzuwerfen.

Den Angeklagten drohen Haftstrafen

Zwei von fünf Angeklagten sollen ins Gefängnis. Zwei Jahre und neun Monate Haft beantragte die Staatsanwaltschaft für einen früheren Vertriebschef. Ihm und einem weiteren Beschuldigten sowie einer ehemaligen Sachbearbeiterin werden die Bildung einer Bande vorgeworfen.
Das Logo der Heckler & Koch GmbH an der Niederlassung des Unternehmens in Oberndorf.
Das Logo der Heckler & Koch GmbH an der Niederlassung des Unternehmens in Oberndorf.© picture alliance / dpa / Wolfram Kastl
Die Sachbearbeiterin soll zwei Jahre und sechs Monate in Haft kommen. Der frühere Mexiko-Vertreter von Heckler und Koch ließ sich vor Gericht krankheitsbedingt entschuldigen. Er lebt bis heute in Mexiko und gilt als Hauptbeschuldigter. Die Staatsanwaltschaft hat mittlerweile einen internationalen Haftbefehl beantragt. Ein weiterer, mutmaßlich beteiligter Geschäftsführer ist verstorben.

Die todbringende Wirkung der Waffen thematisieren

In dem Verfahren wurde unter anderem eine belastende E-Mail zitiert, wonach die angeklagte Sachbearbeiterin an die Frau des Vertreters in Mexiko eine E-Mail schickte. Darin stand: "Neue Endverbleibsbescheide" würden gebraucht, da, so heißt es weiter in der Nachricht, "Genehmigungen aus Berlin schwieriger werden".
Der Anwalt der Sachbearbeiterin betonte, die Frau habe das getan, was ihr gesagt wurde. Es habe bei Heckler und Koch keide Kultur des Widerspruchs gegeben. Wie alle Verteidiger forderte auch er für seine Mandantin einen Freispruch.
In seinem ungewöhnlich politischen Plädoyer erinnerte er an Berichte in den Medien über die todbringende Wirkung der Waffen aus Deutschland in anderen Ländern. Erstmals war überhaupt von Opfern die Rede. Zuvor hatte Verfahrensbeobachter Jan van Aken, bis 2017 für die Linke im Bundestag, kritisiert, es sei im Gerichtssaal nie um Opfer in Mexiko gegangen:
"Dass mit deutschen Gewehren dort auch Massaker verübt worden sind, spielt hier keine Rolle - und genauso auch das Plädoyer der Staatsanwaltschaft. Ich finde, man hätte dazu auch ein paar Sätze fallen lassen können, dass ein ehemaliger Landgerichtspräsident tatsächlich das Recht umkurvt hat, vielleicht gebeugt hat, vielleicht gebrochen hat, das wird das Urteil zeigen, das war einfach unmoralisch, da hätte man was dazu sagen können."

Ein Ex-Landgerichtspräsident als Export-Geschäftsführer

Für die besondere Brisanz des Verfahrens sorgt ein Angeklagter, der bis zu seiner Pensionierung 2005 Präsident des Landgerichts in Rottweil war. Peter B. ging aber nicht in den Ruhestand, sondern stieg als Behördenbeauftragter bei Heckler und Koch ein. Dort war er auch in seiner späteren Funktion später als Geschäftsführer für den Bereich Export zuständig.
Er sei von den anderen Angeklagten nie gezielt in deren Machenschaften eingebunden gewesen. Zu dieser Auffassung kam die Staatsanwaltschaft und beantragte dennoch 22 Monate Haft auf Bewährung. Staatsanwalt Römhild: "Dadurch greift bei ihm nur der Grundtatbestand, der einen niedrigeren Strafrahmen vorsieht. Zudem handelte er nur dolus eventualis, also der niedrigsten Form des Vorsatzes, und leistete insgesamt geringere Tatbeiträge."
Zwei Anwälte hatte sich der frühere Landgerichtspräsident für seine Verteidigung geholt, auch für ihn wurde ein Freispruch gefordert. Der Tübinger Anwalt Holger Rothbauer geht indes davon aus, dass der angeklagte Jurist genau wusste, wie er was verstecken muss. Allerdings komme es darauf gar nicht mehr an: "Mit den Vorwürfen kommt er einfach nicht klar. Und für jeden Beobachter wird klar, dass hier etwas versteckt wird, dass der ganze Sumpf - ich würde ihn auch korruptiven Sumpf nennen - von Parteien, Verbindungen mit Industrie, dass das hier wirklich zutage gefördert wurde, und damit klar ist, wie Entscheidungen getroffen werden."

Möglicherweise bis zum Bundesgerichtshof

Rothbauer hatte 2010 als Anwalt des Freiburger Friedensaktivisten Jürgen Grässlin eine Anzeige gegen Heckler und Koch gestellt. Wie die Staatsanwaltschaft Stuttgart betont, war der Ausgangspunkt für das Ermittlungsverfahren allerdings ein Hinweis des Zollkriminalamts. Der Tübinger Anwalt Rothbauer sagt, es sei wichtig gewesen, dass das ganze absurde Genehmigungsverfahren einmal offengelegt wurde:
"Ich gehe davon aus, dass man hier verurteilen muss. Und wenn nicht, dann geht es in eine Revision. Ein paar werden zu schwach davon kommen, aber insgesamt ist dieser Prozess gesellschaftlich und für das Thema unglaublich wichtig gewesen."
Das Urteil wird für den 21. Februar erwartet. Entscheidend wird dabei sein, ob eine Endverbleibserklärung vom Gericht als Teil der Exportgenehmigung angesehen wird oder nicht. Beobachter gehen davon aus, dass sich mit dieser Frage möglicherwiese noch der Bundesgerichtshof beschäftigen muss.
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