USA:Schlafen auf Zement

A group of Central American migrants is questioned about their children's health after surrendering to U.S. Border Patrol Agents south of the U.S.-Mexico border fence in El Paso

Ein amerikanischer Grenzbeamter fragt Flüchtlingskinder im texanischen El Paso, wie es ihnen geht.

(Foto: Lucy Nicholson/REUTERS)

Anwälte berichten von erschütternden und teils menschenrechtswidrigen Zuständen in Auffanglagern für illegal eingereiste Kinder an der US-Grenze.

Von Hubert Wetzel, Washington

Die Zustände in einigen Aufnahmelagern der US-Grenzpolizei sind offenbar verheerend. Anwälte, die in den vergangenen Tagen Einrichtungen besucht hatten, in denen illegal eingereiste Kinder und Jugendliche untergebracht sind, berichteten von erschütternden Szenen. Oft müssten sich sieben- oder achtjährige Kinder um Säuglinge kümmern. Viele Kinder trügen völlig verschmutzte Kleider, sie könnten sich nicht waschen und müssten auf dem blanken Zementboden schlafen, hieß es. In einer Einrichtung hätten die Wachen den Kindern Decken und Matratzen weggenommen, um sie dafür zu bestrafen, dass sie einen Kamm verloren haben, berichteten amerikanische Medien.

Eine Gruppe von Anwälten, die ein Aufnahmelager in Texas besuchten, mussten das Wachpersonal an Ort und Stelle zwingen, einige kranke Kinder ins Krankenhaus bringen zu lassen. Sie hätten um das Leben der jungen Migranten gefürchtet, sagten sie. "Sehr viele Kinder sind krank, sie haben Grippe, und sie werden nicht angemessen behandelt", sagte die Rechtsanwältin Elora Mukherjee der New York Times. Die Zustände seien schlimmer als alles, was sie während ihrer Arbeit als Einwanderungsanwältin je gesehen habe. In den vergangenen Monaten sind mindesten fünf Migrantenkinder in der Obhut der US-Grenzpolizei gestorben, wobei aber unklar ist, ob und inwieweit diese Todesfälle direkt den amerikanischen Behörden angelastet werden können.

Berichte von völlig überfüllten Aufnahmeeinrichtungen an der Grenze zwischen den USA und Mexiko, von schlecht versorgten Migranten und ruppigen, wenn nicht gar brutalen Wachen gibt es seit Monaten. Die Zahl der Migranten, die dort ankommen und Asyl beantragen, hat sich in diesem Jahr stark erhöht - auf bis zu 140 000 pro Monat. Die amerikanischen Behörden sind von dem Zustrom völlig überfordert. Die Regierung des Bundesstaates Texas will nun Hunderte Nationalgardisten an die Grenze zu Mexiko schicken, diese sollen bei der Unterbringung und Versorgung der Migranten helfen.

Demokraten werfen Trump vor, dass Migrantenkinder absichtlich unmenschlich behandelt werden

In Washington hat die dramatische humanitäre Situation zu einem scharfen Austausch von Schuldzuweisungen geführt. Präsident Donald Trump und die Republikaner werfen den Demokraten vor, nichts zur Sicherung der Grenze zu unternehmen und die Krise dort zu ignorieren. Trump hat Mexiko vor Wochen mit Strafzöllen gedroht, sollte es nicht verhindern, dass weiter Hunderttausende Migranten aus Mittelamerika über sein Staatsgebiet die US-Südgrenze erreichen. Seitdem ist die Zahl der Neuankömmlinge offenbar etwas gesunken. Sie ist aber immer noch hoch.

Die Demokraten wiederum werfen dem Präsidenten vor, die Migrantenkinder absichtlich unmenschlich zu behandeln, um andere Einwanderer abzuschrecken. Besonders drastisch äußerte sich die New Yorker Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, eine der einflussreichsten Stimmen des linken Flügels der Demokraten. Sie bezichtigte die US-Regierung, an der Grenze "Konzentrationslager" eingerichtet zu haben. Das führte zu empörten Protesten, nicht nur seitens der Republikaner, sondern auch von Menschen, die in den Dreißiger- und Vierzigerjahren in Europa echte Konzentrationslager er- und überlebt haben. Ocasio-Cortez verteidigte ihre Wortwahl mit dem Argument, dass sie bewusst nicht von "Vernichtungslagern" gesprochen und keine ausdrückliche Verbindung zwischen den Lagern an der US-Grenze und den deutschen KZ der Nazizeit gezogen habe.

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