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Der mexikanische Türsteher

Mexiko ist zum Türsteher der US-Regierung geworden. Unter Einsatz des Militärs werden Migrant*innen an ihrer Reise gen Norden gehindert. Schwere Menschenrechtsverletzungen sind die Folge.

Von Christoph Kuhlmann am
Wandmalerei Migration

Wandmalerei Migration

Es ist heiß. 37 Grad im Schatten. Wir befinden uns in Ciudad Hidalgo am Río Suchiate, dem Grenzfluss zwischen Guatemala und Mexikos südlichstem Bundesstaat Chiapas. Es herrscht ein geschäftiges Treiben. Auf großen LKW-Schläuchen werden Waren und Menschen von einem Ufer zum anderen transportiert. Unter Bäumen befinden sich viele kleine improvisierte Lokale. Menschen sitzen auf Plastikstühlen. Laute Musik scheppert aus den Boxen. Es wirkt chaotisch, aber friedlich. Doch der Eindruck täuscht. Ein Mitarbeiter des lokalen Menschenrechtszentrums Fray Matías de Cordova weist mich auf die vielen im geschäftigen Treiben leicht übersehbaren Militärposten hin. An allen strategischen Punkten stehen Angestellte des Nationalen Migrationsinstituts zusammen mit Soldaten der mexikanischen Nationalgarde. Sie halten nach Migrant*innen Ausschau.

Bilder von hier gingen Ende 2018 um die Welt. In großen Karawanen hatten sich Tausende zentralamerikanische Migrant*innen zu Fuß auf den Weg Richtung USA machten. Sie flohen vor der ausufernden Gewalt in ihren Heimatländern. Sie waren voller Hoffnung auf ein besseres Leben in den USA. Während sie damals noch passieren konnten, ist die Grenze heute zu. Die Militärposten alle paar Meter sind neu. Mexiko ist zum Türsteher der USA geworden.

Externalisierungspolitik und Kriminalisierung von Migration

Schon unter Obama wurde mit dem Programm Frontera Sur (Südgrenze) die Externalisierungspolitik eingeleitet. Das Ziel ist simpel: Migrant*innen sollen gar nicht erst an die US-Grenze gelangen, sondern bereits im mexikanischen Süden aufgegriffen und abgeschoben werden. Unter Trump hat sich die Situation noch einmal verschärft. Schon als Präsidentschaftskandidat hat Trump massiv gegen Menschen aus Zentralamerika und Mexiko gehetzt und eine breite Gefolgschaft hinter seiner populistischen Forderung nach einer Mauer an der Grenze zu Mexiko versammelt. Trump hat das Thema als Präsident nicht vergessen. Im Juni 2019 gab er der neuen mexikanischen Regierung 45 Tage, um die Migration Richtung USA signifikant zu reduzieren. Ansonsten würden Strafzölle verhängt – für ein wirtschaftlich komplett vom großen Nachbar im Norden abhängiges Land eine empfindliche Drohung. Die neue, sich links verstehende Regierung von Präsident Andrés Manuel Lopez Obrador (AMLO) parierte. Damit waren die zu Beginn seiner Amtszeit aufkeimenden Hoffnungen auf eine humanitäre und rechtebasierte Kehrtwende in der mexikanischen Migrationspolitik schnell verflogen. AMLO verlegte große Teile der neu geschaffenen Nationalgarde, die im Kern aus Militärs besteht, an die Südgrenze. Ihre Mission: Migration verhindern. Seitdem werden Migrant*innen an der Grenze oder an den unzähligen nachgelagerten Kontrollposten aufgegriffen und in euphemistisch als „Migrationsstationen“ bezeichnete spezielle Haftanstalten gebracht. Von hier aus werden viele direkt wieder abgeschoben. Über ihr Recht Asyl zu beantragen werden die Menschen meist nicht informiert. Fordern sie es ein, werden sie vielfach ignoriert. Die humanitären Bedingungen in den Haftanstalten sind schlecht. In einem klaren Rechtsbruch werden hier auch viele Minderjährige festgehalten. Im Jahr 2019 gab es 186.000 Verhaftungen und 123.000 Abschiebungen. Mexiko schiebt damit mehr Menschen nach Zentralamerika ab als die USA.

Die Externalisierung von Außengrenzen und die Installation von Türsteherstaaten vor der eigenen Haustür kennen wir aus Europa. Auch an anderer Stelle gucken Regierungen in der Migrationspolitik offenbar voneinander ab. Die USA verhandelt derzeit Abkommen zu sogenannten „sicheren Drittstaaten“ mit Honduras, Guatemala und El Salvador. Angesichts der massiven Gewalt und den höchsten Mordraten weltweit in diesen drei Ländern ist das genauso zynisch, wie das mit Mexiko verhandelte Migrant Protection Program (MPP), im Volksmund als Quédate en México (Bleib in Mexiko) bezeichnet. Danach werden Menschen aus Zentralamerika, die in den USA Asyl beantragen, für die Dauer ihres Asylprozesses nach Mexiko gebracht. 60.000 Menschen waren davon 2019 betroffen.

Immer gefährlichere Migrationsrouten

All diese aus einer menschenrechtlichen Perspektive extrem problematischen Politiken und Abkommen verhindern nicht, dass die Menschen kommen. Es macht ihre Reise nur noch gefährlicher. Die Abschottungspolitik der EU hat die globalen Migrationsströme verändert. Seit neuestem stehen auch Menschen aus Kamerun und Kongo vor dem Menschenrechtszentrum Fray Matías de Cordova Schlange. Sie reisen über Ecuador oder Brasilien in Südamerika ein und machen sich dann auf dem Landweg auf in Richtung USA. Dabei durchqueren sie etwa das Darién Gap, ein rieses Urwaldgebiet zwischen Panama und Kolumbien, durch das keine Straße führt und das von kriminellen Banden kontrolliert wird. Einmal in Mexiko angekommen wird die Situation nicht besser. Migrant*innen werden hier vielfach Opfer schwerster Menschenrechtsverletzungen. Sie werden ausgeraubt und entführt, ihre Angehörigen erpresst. Ein Großteil der Frauen und Mädchen wird auf dem Weg Opfer sexualisierter Gewalt. Menschenhandel ist zu einem großen Geschäft für die mexikanischen Kartelle geworden, und Zehntausende Migrant*innen (offizielle Zahlen gibt es nicht) sind auf dem Weg spurlos verschwunden. Täter sind nicht nur kriminelle Banden und die mexikanischen Kartelle, sondern nachweislich auch staatliche Sicherheitsbehörden.

Menschenrechtsarbeit unter schwierigen Bedingungen

Das Menschenrechtszentrum Fray Matías unterstützt Migrant*innen in dieser schwierigen und sich immer weiter zuspitzenden Situation. 18.000 Menschen wurden im vergangen Jahr empfangen und über ihre Rechte aufgeklärt. Viele der ankommenden Menschen wissen nicht, dass sie Asyl beantragen können. Interdisziplinäre Teams aus Anwält*innen, Psycholog*innen und Sozialarbeiter*innen begleiten Fälle von Personen, die in Mexiko Oper von Menschenrechtsverletzungen durch mexikanische Behörden geworden sind. Außerdem unterstützen die Mitarbeitenden Organisations- und Artikulationsprozesse von Migrant*innen und dokumentieren die Situation in den zahlreichen Migrationshaftanstalten der Region. Brot für die Welt wird diese Arbeit mit einem neuen Projekt unterstützen. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf psychosoziale Gesundheit gelegt. Viele der Migrant*innen leiden unter massiven, im Heimatland oder auf der Route erlittenen Traumata. Aber auch die Angestellten des Menschenrechtszentrums sind extremen Belastungen ausgesetzt. Die schiere Anzahl an Beratungsbedürftigen, die niederschmetternden Geschichten und die Versuche, ihre Arbeit zu behindern, haben Spuren hinterlassen. Am Río Suchiate werden die Folgen US-amerikanischer und europäischer Abschottungspolitik greifbar.

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