Waffenexporte nach Mexiko: Verbotene Geschäfte

Umgeht die Waffenschmiede Sig Sauer erneut die deutschen Exportregeln? Recherchen von taz und SWR deuten auf illegale Deals mit Mexiko hin.

Ein schwarzweißbild: Menschen stehen vor einem Schrank mit Waffen von SIg Sauer

Keine Skrupel: Gelangten deutsche Sig-Sauer-Waffen in die falschen Hände? Foto: Mark Peterson/Redux/laif

BERLIN taz | Die Waffenschmiede Sig Sauer lässt auf ihrer Website keine Zweifel: Mit dem Slogan „Geboren in Europa, perfektioniert in Amerika“ wirbt das Unternehmen für seine Pistolen und Gewehre, preist seine „Legenden auf dem Schlachtfeld“ an. Es beschreibt den langen Werdegang, auf den die Firma in der Schweiz, in Deutschland und den USA zurückblicken kann. Sig Sauer legt großen Wert auf die langjährige Erfahrung, mit der die Waffentechnologie immer weiter ausgebaut werden konnte.

Besonders erfolgreich ist die US-Schwesterfirma Sig Sauer Inc. Von Exeter im Bundesstaat New Hampshire aus exportieren die Waffenbauer uneingeschränkt in alle Welt, etwa nach Saudi-Arabien, die Vereinigten Emirate und die Philippinen. Auch in Länder, in die Ausfuhren aus Deutschland nicht genehmigt würden. Aber wurden die Pistolen und Gewehre alle in den USA hergestellt? Und wurde die Waffentechnologie, die Sig Sauer Inc. an andere Staaten verkauft, tatsächlich nur dort entwickelt?

Dokumente, die der taz und dem SWR vorliegen, lassen etwas anderes vermuten. Demnach war bei der Entwicklung und Herstellung von exportierten Waffenkomponenten nach Mexiko auch das in Eckernförde (Schleswig-Holstein) ansässige Sig-Sauer-Werk beteiligt. Der Verdacht liegt nahe, dass das Unternehmen damit erneut deutsche Rüstungsexportvorgaben umgangen hat. Vor einem Jahr wurden bereits drei aktive und ehemalige Manager der Firma zu Bewährungsstrafen verurteilt, weil sie in Deutschland hergestellte Pistolen via New Hampshire an das Bürgerkriegsland Kolumbien verkauft hatten.

Nun belegt ein Schreiben des Washingtoner Außenministeriums, dass die Lieferung von Teilen und Informationen für den Bau von Pistolen nach Mexiko genehmigt wurde, die zum Teil ursprünglich in Deutschland entwickelt und produziert wurden. Sig Sauer dürfe der mexikanischen Marine technische Daten und Material „für die Herstellung von Sig-Modellen vom Typ SP2022, P224, P226, MK25 und halbautomatische P229-Pistolen“ zuliefern, heißt es in dem Schreiben.

„Made in Germany“

Nach Angaben der Bundesregierung erteilten die deutschen Exportbehörden Sig Sauer seit dem Jahr 2000 insgesamt 26 Genehmigungen für Technologieausfuhren in die Vereinigten Staaten. Wenn aber eine Fertigung für die USA genehmigt wurde, dürfe diese Produktion auch nur dort stattfinden, erklärt der ehemalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel in dem Dokumentarfilm „Tödliche Exporte 2“, der Mittwochabend in einem Themenabend der ARD zu Waffenexporten nach Mexiko ausgestrahlt wird. Der weitere Export aus den USA müsse in Deutschland genehmigt werden, so der SPD-Politiker. Doch eine solche Erlaubnis hat das Bundesausfuhramt (Bafa) in den letzten 20 Jahren nicht ausgestellt.

Fragen werfen auch andere Erkenntnisse der Recherchen im Rahmen der Dokumentation auf. Die Filmemacher haben in Kolumbien und Mexiko Sig-Sauer-Pistolen aufgetan, die auf eine Herstellung in Deutschland hinweisen. So steht auf einer Waffe sowohl „Made in Exeter“ als auch „Frame Made in Germany“, auf einer anderen verweist das sogenannte Beschusszeichen auf das zuständige Amt in Kiel. „Wenn welche dahin gekommen sind, muss das ein anderer Weg gewesen sein, jedenfalls einer ohne Genehmigung“, sagt der ehemalige Bafa-Präsident Arnold Wallraff.

Bereits im Jahr 2015 gab der US-Kongress Sig Sauer Inc. grünes Licht für den Verkauf von Pistolen und Gewehren im Wert von 266 Millionen US-Dollar an Mexiko. Nach Einschätzungen der US-Friedensorganisation AFSC dürften damit 300.000 bis 400.000 Feuerwaffen den Rio Bravo überqueren. Die Genehmigung gelte bis 2024, erklärt AFSC-Aktivist und Rüstungsexperte John Lindsay-Poland. Er spricht von einer „beispiellosen Menge für die USA und Mexiko“.

Von Eckernförde aus wäre ein solches Geschäft nicht mehr möglich. Seit bekannt wurde, dass das Konkurrenzunternehmen Heckler&Koch (HK) illegal G36-Gewehre nach Mexiko geliefert hat, ist der Kleinwaffenexport dorthin sehr schwierig geworden. Die Firma wurde zwar erst im letzten Jahr für die Ausfuhren strafrechtlich verurteilt, seit 2011 hat das Bafa den Schwarzwälder Waffenbauern jedoch keine Exportgenehmigungen mehr ausgestellt. Die HK-Gewehre waren in besonders gefährliche Bundesstaaten gelangt, in die eigentlich keine Lieferung erlaubt war.

„Sig Sauer sahnt da richtig ab.“

Die Waffen von Sig Sauer Inc., das sich zu hundert Prozent im Besitz des deutschen Mutterkonzerns L&O Holding befindet, dürfen dagegen nach US-Recht uneingeschränkt in alle Regionen Mexikos gehen. „Geografische Restriktionen“ gebe es nicht, erklärt das US-Außenministerium.

Eine Liste des mexikanischen Verteidigungsministeriums (Sedena) bestätigt, dass die Waffen auch in Gegenden gelangten, wo Sicherheitskräfte eng mit Banden der organisierten Kriminalität zusammenarbeiten. Etwa in die Grenzstadt Nuevo Laredo, einem der wichtigsten Orte für den Drogenschmuggel in die USA. Dort verschleppten Marinesoldaten 2018 zahlreiche Menschen. Mindestens 32 sind bis heute verschwunden, gegen 257 Angehörige der Marine wird deshalb ermittelt. Fotos und Videoaufnahmen, die Amnesty International vorliegen, belegen: Bei den Angriffen kamen auch Sig-Sauer-Sturmgewehre vom Typ Sig 516 zum Einsatz.

Angaben der Sedena zufolge hat das Unternehmen seit 2007 zunehmend Waffen nach Mexiko geliefert. Ab dem Jahr 2011 machen die Verkaufszahlen jedoch einen Sprung, in der Folge steigen sie um ein Vielfaches – just in jenem Jahr also, in dem der Konkurrent Heckler&Koch keine Gewehre mehr nach Mexiko exportieren durfte. „Sig Sauer hat einfach den Markt von Heckler&Koch in Mexiko übernommen, als dieser wegen der Skandalen nicht mehr liefern durfte“, schlussfolgert der Waffenexperte Lindsay-Poland. „Sig Sauer sahnt da richtig ab.“

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