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Ungemütliche Zeiten für Mexikos Mächtige

Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador will seine Vorgänger vor Gericht sehen. Pünktlich zum Nationalfeiertag leitete der Staatschef ein Referendum ein.

Volksbefragung, Mexiko, Unterschriften

Die Studentin Ariadna Bahéna sammelt vor einer Garage Unterschriften für eine Volksbefragung. Foto: Klaus Ehringfeld

Drei Wochen hat sich Mexikos linker Präsident Andrés Manuel López Obrador angeschaut, was die Bevölkerung so auf die Beine stellte, um seine mutmaßlich korrupten Vorgänger vor Gericht zu bringen. Wie Studenten, Nachbarschaftskomitees und Basisgruppen Unterschriften sammelten, im Netz und auf der Straße agitiert und versucht haben, zwei Millionen Unterschriften zusammenzubekommen, um bei den Institutionen ein Referendum zu beantragen. Vor allem junge Menschen und Rentner waren im ganzen Land aktiv, denn sie wollten mindestens drei Ex-Präsidenten vor Gericht sehen, die im Zuge des Odebrecht-Skandals massiver Korruptionsverbrechen beschuldigt werden. Da aber neben der Volksinitiative für ein Referendum auch der Staatschef selbst eine Volksbefragung beantragen kann, unterstütze López Obrador die Aktivisten mit einem eigenen Antrag. 

AMLO legt Plebiszit-Entwurf vor

Am Dienstag, pünktlich zum Nationalfeiertag, legte er dem Senat sein Vorhaben vor. Die Frage, über die das Volk kommenden Juni abstimmen soll, lautet sinngemäß: „Sind Sie damit einverstanden, dass die zuständigen Behörden unter strikter Anwendung der Gesetze die möglichen Delikte untersuchen und gegebenenfalls sanktionieren, die Präsidenten vor, während und nach ihrer Amtszeit begangenen haben?“ Eine komplexe Frage, die viel politischen Sprengstoff birgt und in dem konservativen Land wie „politischer Revanchismus“ eines linksgerichteten Präsidenten gelesen werden wird. Zumindest von der Opposition.  
 
Mitte August war der Korruptionsskandal um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht auch in Mexiko angekommen und zieht in der zweitgrößten Volkswirtschaft Lateinamerikas nun neben Ex-Staatschefs auch frühere Präsidentschaftsbewerber, drei Gouverneure und mehrere Parlamentarier in den Verdacht, Schmiergelder in Millionenhöhe angenommen zu haben. Im Fokus der Anschuldigungen steht der als besonders reformfreudig gefeierte Präsident Peña Nieto.

Zivilgesellschaft organisiert Referendum

Kurz danach fand sich eine bunte Mischung aus Aktivisten, Künstlern, Studierenden, Nachbarschaftsinitiativen oder einfach engagierten Bürgern zusammen. Federführend eine junge Studentin: Ariadna Bahéna (23). Sie und ihre Mitstreiter haben keine Führung, sondern sich wie eine Graswurzelbewegung im ganzen Land auf allen Ebenen organisiert, die Initiative für ein Referendum ergriffen und eine eigene Frage an die Bevölkerung entworfen: „Sind Sie dafür, dass die zuständigen Behörden ein Ermittlungsverfahren und gegebenenfalls einen Prozess gegen die Ex-Präsidenten einleiten?“
 
Bahéna, die wegen ihres Engagements gerade ihre Masterarbeit verschiebt, kann eines der Gesichter der Zivilgesellschaft Mexikos werden, die gerade zu erwachen scheint und sich einmischen und die Politszenerie aufmischen will. „Jetzt ist es an der Zeit, dass auch das Volk und vor allem wir jungen Leute mal Politik machen“, sagt sie voller Enthusiasmus. Und es war ein Rennen gegen die Zeit. Bis zum 15. September trugen die Aktivisten 2,7 Millionen Unterschriften zusammen und gaben sie, wie vorgeschrieben, beim Senat ab. 

"Es ist die Stunde des Volkes"

Bahéna, eine schmale Frau mit großer runder Brille, strahlt fröhliche Zuversicht aus. „Es ist die Stunde des Volkes“, sagt sie. Und so, wie sie es sagt, mag man ihr nicht widersprechen. Vor allem die Staatschefs Calderón (2006 bis 2012) und Peña Nieto (2012 bis 2018) sollten sich für ihre Taten verantworten, sagt die Studentin. „Sie haben Millionen gestohlen, die dem Volk gehören, sind für tausende Tote im Drogenkrieg und für die verschwundenen Studenten von Ayotzinapa und die Straflosigkeit in unserem Land verantwortlich.“ 
 
Es sei wichtig, dass die Initiative für ein Strafverfahren starken Rückhalt in der Bevölkerung habe. „Sonst sieht das ganze doch nach einer politischen Racheaktion von López Obrador an seinen konservativen Vorgängern aus“, sagt die junge Frau. „Und darum geht es doch gar nicht.“

Chef des staatlichen Ölkonzerns als Kronzeuge

Kronzeuge in diesem größten Korruptionsskandal in der Geschichte Mexikos ist Emilio Lozoya, von 2012 bis 2016 Chef des staatlichen Ölkonzerns Petróleos Mexicanos (PEMEX). Lozoya, der im Februar in Spanien festgenommen und im Juli nach Mexiko ausgeliefert wurde, hat mit einem 63-Seiten-Konvolut eine politische Bombe in Mexiko gezündet. In seiner Einlassung vor der Generalstaatsanwaltschaft (FGR) gibt er detailliert Auskunft darüber, wie die Odebrecht-Bestechungsmaschine in Mexiko funktionierte und wer wofür wie viel Geld angenommen hat. 
 
Präsident López Obrador triumphierte, wollte aber die Justiz nicht direkt auffordern, gegen die Beschuldigten zu ermitteln. Die Rechtslage würde das erlauben, aber der linke Staatschef betont, dass er es gerne sehen würde, wenn die Bevölkerung sich auch für Ermittlungen stark macht. 
 
Es sei „viel besser“, wenn das Volk ein Strafverfahren wünscht, als wenn es nur die Staatsanwaltschaft einleite, beharrt López Obrador. „So ist es nicht die einsame Entscheidung einer Institution, sondern die des gesamten Volkes. Das ist dann wirklich Demokratie“, unterstreicht der Präsident.

Autor: Klaus Ehringfeld, Mexiko

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