Mexikos früherer Verteidigungsminister kehrt von einer amerikanischen Gefängniszelle zurück in die mexikanische Freiheit

Die amerikanische Justiz hat ihre Klage gegen Mexikos früheren Verteidigungsminister Salvador Cienfuegos fallen gelassen und will dem Nachbarland dafür bei einer möglichen Strafverfolgung helfen. Ob es jemals dazu kommen wird, ist jedoch unklar. Cienfuegos hält sich mittlerweile als freier Mann in seiner Heimat auf.

Nicole Anliker, Rio de Janeiro
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Mexikos früherer Verteidigungsminister General Salvador Cienfuegos wurde vor fünf Wochen in Los Angeles von der amerikanischen Justiz wegen schwerer Drogenvorwürfe verhaftet.

Mexikos früherer Verteidigungsminister General Salvador Cienfuegos wurde vor fünf Wochen in Los Angeles von der amerikanischen Justiz wegen schwerer Drogenvorwürfe verhaftet.

Henry Romero / Reuters

Mexikos Korruptionsbekämpfung steht auf dem Prüfstand: Die USA haben am Mittwoch eine Klage gegen den früheren Verteidigungsminister Salvador Cienfuegos wegen Drogenschmuggels fallen gelassen und überlassen den Fall nun ihrem südlichen Nachbarland. Die amerikanische Justiz liefere der mexikanischen Beweismaterial, damit gegen Cienfuegos dort ermittelt und er, falls angemessen, angeklagt werden könne, hiess es in einer gemeinsamen Stellungnahme. Nach fünf Wochen in einer amerikanischen Gefängniszelle ist der 72-jährige General am Mittwoch in seine Heimat zurückgekehrt – als freier Mann. Mexiko hat bisher keine Strafanzeige gegen ihn erstattet, sondern nur Ermittlungen eingeleitet.

Drohungen vonseiten Mexikos

Nach offiziellen Angaben der zuständigen amerikanischen Staatsanwälte wurde die Anklage gegen Cienfuegos wegen sensibler und wichtiger aussenpolitischer Überlegungen fallen gelassen. Laut einem Artikel der «New York Times», die sich auf die Aussagen dreier mit der Thematik vertrauter Personen stützt, drohte Mexiko-Stadt Washington damit, die Agenten der amerikanischen Drogenbehörde (DEA) auszuweisen, sollte Cienfuegos nicht auf freien Fuss gesetzt werden. Die Vereinigten Staaten sollen eingeknickt sein, um die jahrzehntelange Partnerschaft mit Mexiko im Kampf gegen das organisierte Verbrechen nicht zu gefährden, hiess es.

Reuters berichtete am Wochenende hingegen, Mexiko habe sich verpflichtet, im Gegenzug zur Freilassung Cienfuegos’ einen hochrangigen Kartellboss festzunehmen, der in den Handel mit dem synthetischen Opiat Fentanyl involviert ist. Die Nachrichtenagentur stützte sich dabei auf die Aussagen eines hohen mexikanischen Beamten.

Was tatsächlich zu Cienfuegos’ überraschender Freilassung geführt hat, ist bis jetzt unklar. Sicher ist nur, dass diese in einem Pakt zwischen den beiden Ländern vereinbart wurde. Die Verhaftung des Generals durch DEA-Beamte am Flughafen von Los Angeles Mitte Oktober verärgerte die mexikanischen Behörden zutiefst. Die USA waren im Alleingang gegen den früheren Verteidigungsminister vorgegangen, ohne Mexiko darüber informiert zu haben. Das Aztekenland nahm dies als Vertrauensbruch wahr. Die amerikanische Staatsanwaltschaft erhob Anklage gegen Cienfuegos wegen Drogenschmuggels sowie Geldwäsche und machte happige Vorwürfe. Als Verteidigungsminister soll der General zwischen 2015 und 2017 gegen Schmiergeldzahlungen ein Drogenkartell vor den Strafverfolgungsbehörden geschützt, die Sicherheit von dessen Drogentransporten gewährleistet und die kriminelle Organisation über militärische Operationen informiert haben.

Mexikos Regierung verbuchte die Freilassung von Cienfuegos von vergangener Woche als diplomatischen Triumph. «Wenn die ihm unterstellten Handlungen in Mexiko begangen wurden, warum muss er im Ausland vor Gericht gestellt werden?», fragte Mexikos Aussenminister Marcelo Ebrard anlässlich einer Pressekonferenz zur Causa Cienfuegos vergangene Woche und stellte klar: Bei dessen Überstellung ins Heimatland handle es sich nicht um einen Akt der Straflosigkeit, sondern um einen Akt des Respekts Mexiko und der Armee gegenüber.

Mächtiges Militär

Darüber jedoch herrscht in Mexiko Skepsis. Der Aufschrei über das Vorgehen war gross. Experten und Journalisten befürchten, dass Cienfuegos’ Rückkehr einer Begnadigung gleichkommt. Mehr als 90 Prozent der Straffälle werden in Mexiko nicht aufgeklärt; dass dies bei einer Figur vom Gewicht Cienfuegos’ anders sein soll, wird bezweifelt. Das Militär gilt als eine der mächtigsten und angesehensten Institutionen im Land und hat in Präsident López Obrador einen engen Verbündeten gefunden. Dieser setzt bei einer Vielzahl von Aufgaben, darunter bei der Bekämpfung des Drogenhandels oder dem Bau von Spitälern, auf die Streitkräfte. Keine hochrangigen Armeeangehörigen haben sich bisher der Justiz stellen müssen – trotz Korruptionsvorwürfen und mutmasslichen Menschenrechtsverletzungen.

Mexiko steht nun zwischen zwei Fronten: Einerseits sieht es sich dem Partner USA gegenüber verpflichtet, den Prozess gegen Cienfuegos durchzuführen. Anderseits besteht eine Komplizenschaft zwischen Regierung, Justiz und Armee, die allesamt kaum Interesse an einem solchen haben werden. Es stellt sich zudem die Frage, aus welchen Gründen die Vereinigten Staaten von der Durchführung einer geheimen Untersuchung hinter dem Rücken der Mexikaner dazu übergegangen sind, diesen nun plötzlich zu vertrauen, um eigene Ermittlungen durchzuführen.