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Naturschützer fordern Teilabriss
Die Grenzmauer zu Mexiko und ihre ökologischen Folgen

Sie verläuft durch Naturschutzgebiete und wichtige Territorien für die indigene Bevölkerung: Donald Trumps Grenzmauer zu Mexiko. 700 Kilometer der Grenzline wurden bereits mit Stahlzäunen gesichert - ohne Rücksicht auf die ökologischen Folgen. Umweltschützer wollen daher Teile davon wieder einreißen.

Von Volker Mrasek | 22.02.2021
Baufahrzeuge reissen den alten Grenzzaun entlang der US-amerikanischen Grenze zu Mexiko ab, am Straßenrand liegt das Baumaterial für die neue Grenzmauer.
Der alte Grenzzaun wurde an vielen Stellen durch hohe Stahlwände ersetzt, die teils Naturschutzgebiete durchschneiden (Getty Images / The Washington Post / Carolyn Van Houten)
Kalifornien, Arizona, New Mexico, Texas - durch diese vier Bundesstaaten zieht sich die Grenze der USA zu Mexiko, eine Strecke von über 3.000 Kilometern. An insgesamt 162 Abschnitten der Grenzbefestitung werde gerade gebaut, sagt Dan Millis nach einem Blick auf die aktuelle Karte: "Lauter neue Baustellen entlang der Grenze aus den letzten zwei Jahren. Und unsere Liste ist nicht einmal vollständig."
August 16, 2019, Tijuana, Mexico: Beachgoers look through the US/Mexico border fence Friday Aug. 16, 2019, in Tijuana, Mexico. Tijuana Mexico PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY - ZUMAp110 20190816_znp_p110_012 Copyright: xDenisxPoroyx

Grenze USA Mexiko
Frontera - Menschen und Mauern an der Grenze Mexiko-USA
"Prävention durch Abschreckung" lautet die Devise der USA seit Bill Clinton die ersten Mauern an der Grenze zu Mexiko bauen ließ. Seither wird immer weiter und höher gebaut.

"Ein extremer Eingriff in ganze Landschaften"

Dan Millis arbeitet für den Sierra Club, die größte Natur- und Umweltschutzorganisation in den USA. Die Orte, an denen Donald Trump neue Grenzmauern hochziehen ließ oder alte durch höhere ersetzt wurden, hat er auf seiner Karte rot markiert: "Die Baufirmen haben fieberhaft daran gearbeitet, so viel Grenzmauer wie möglich zu errichten. Wir haben jetzt über 700 Kilometer dieser stählernen Trump-Mauern. Sie sind sehr, sehr hoch! Neun Meter! Das ist ein extremer Eingriff in ganze Landschaften."

Milliarden aus dem Militärhaushalt flossen

Das Grenzprojekt deklarierte Donald Trump in seiner Amtszeit als US-Präsident als Mittel gegen illegale Einwanderer und Drogenschmuggler. Dafür rief er sogar den Notstand aus und zweigte Milliardensummen aus dem Militärhaushalt ab. Sein Nachfolger Joe Biden hob den Erlass umgehend auf. Bis Mitte März gelte nun ein vorläufiger Baustopp, sagt der Umweltpolitologe Laiken Jordahl. Er arbeitet im Zentrum für Biologische Diversität in Arizona:
"Trump hat jedes einzelne Umweltgesetz außer Kraft gesetzt, um das Projekt voranzutreiben. Es spielte keine Rolle, wie wichtig Landstriche für die indigene Bevölkerung sind oder für die Umwelt. Diese Mauern verlaufen mitten durch Naturreservate. Sie zertrennen die Wanderwege von Jaguaren und anderen gefährdeten Tierarten. Wissenschaftler, Anwälte und Stammesgemeinschaften erarbeiten gerade gemeinsam einen Plan. Sie wollen der Biden-Administration Gebiete vorschlagen, in denen der Abriss der Mauer vordringlich ist."

Stahlzäune zerschneiden Schutzgebiete

Als Beispiel nennt Jordahl Schutzgebiete in der Sonora-Wüste in Arizona. Dort gebe es seltene Gabelhornantilopen und wilde Dickhornschafe. Für die Tiere sei es überlebenswichtig, sich im Sommer aus zu heißen Regionen zurückzuziehen und im Winter aus zu kalten. Die Mauer verhindere das. Im Grenzgebiet gibt es aber nicht nur flache Wüste, sondern auch Gebirgszüge mit hochgelegenen Nadelwäldern. Auch dort leidet die Natur unter den neuen Barrieren, wie Aaron Flesch erläutert, Ökologe im Wüstenlabor der Universität von Arizona: "Diese Bergwälder sind wie Inseln in einem Meer aus Wüste. Dort leben Schwarzbären in kleinen, verstreuten Populationen. Unter ihnen gibt es keinen Austausch mehr, seit Mauern die Korridore zerschneiden, auf denen sie wandern. Bären können diese Habitate auch nicht mehr wiederbesiedeln, wenn sie verlorengehen - zum Beispiel durch Waldbrände oder durch Krankheiten unter den Bären."

400 Meter Mauer quer durch einen Fluss

Für Dan Millis steht ein grenzüberschreitender Strom an erster Stelle: der San Pedro. 400 Meter Mauer seien hier einfach quer durch das Flussbett gezogen worden – ein Bauwerk mit über hundert Schleusentoren, noch nicht ganz vollendet. Millis hält es für widersinnig.
"Der San Pedro ist ein großer Fluss. Kommt es zu einer Flut, führt er ganze Bäume mit sich. Wir fürchten, die werden sich an der Mauer auftürmen und sie zum Einsturz bringen. Denn selbst wenn die Schleusentore offen stehen – da sind ja noch die ganzen Pfeiler zwischen ihnen! Wir haben so etwas schon bei Schleusenanlagen in kleineren Flüssen erlebt. Und wenn das geschieht, werden uns Flutschäden und Aufräumarbeiten am San Pedro viele Millionen Dollar kosten."

Die Mauer wieder abreißen, wird teuer

Es würde aber auch teuer, die Mauer wieder abzureißen, und sei es nur dort, wo sie Ökologen und Naturschützer als besonders schädlich ansehen. Oder wo sie heilige Stätten von Stammesgemeinschaften zerschneidet. Doch es gibt eine Idee, woher die neue US-Regierung das Geld nehmen könnte, sagt Dan Millis: "Es ist zwar schwer zu glauben. Aber große Summen, die Donald Trump vom Kongress für den Mauerbau erhalten sollte, wurden erst bewilligt, als sein Nachfolger schon gewählt war. Sie gehören jetzt in Joe Bidens Budget und werden von einem Präsidenten kontrolliert, der versprochen hat, keine Grenzmauern mehr zu bauen.
Es gibt Berichte, danach verfügt allein das US-Heimatschutzministerium noch über mehr als 1,6 Milliarden Dollar ungenutzter Mittel für den Bau von Grenzmauern. Die Frage ist allerdings, ob Joe Biden dieses Geld umwidmen kann. Falls nicht, sehen Dan Millis und andere Naturschützer dennoch einen Weg, um die riesigen Stahlspaliere wieder abzureißen: Man könne sie durch flache Autosperren aus Beton ersetzen, wie es sie an anderen Stellen der Grenze schon lange gebe. Solche Barrieren seien ja auch eine Form des Mauerbaus – aber für Tiere wie Jaguare oder Antilopen überwindbar.