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Zapatistische Delegation »La Extemporánea« bricht nach Europa auf

Poonal vom 12.09.2021
Daliri Oropeza
übersetzt von Valentín de Negri Fischer

  Die Delegation La Extemporánea auf dem Weg nach Europa<br />
Die Delegation »La Extemporánea« auf dem Weg nach Europa
Foto: Daliri Oropeza



(San Cristóbal de las Casas, 10. September 2021, pie de página).- Die Delegation »La Extemporánea« hat das zapatistische Territorium verlassen und macht sich auf den Weg nach Europa. Ihr Ziel ist Wien. Es handelt sich um 177 Personen mit Maya-Wurzeln, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, zuzuhören und ihre Erfahrungen und Kämpfe zu teilen. Gleichzeitig wird in Wien der Empfang vorbereitet. Dort sieht man die Reise als Anlass, um miteinander neue Verbindungen zu schaffen.

Bewohner*innen von Chiapas verabschieden die Delegation



San Cristóbal de las Casas: Eine Frau hält einen Blumenstrauß in der Hand und spritzt damit Wasser auf mehr als zehn Pick-ups, die die von Laubbäumen gesäumte Straße entlang fahren. In den Fahrzeugen befinden sich Mitglieder der Delegation »La Extemporánea«, die am 13. September in zwei Etappen von Mexiko-Stadt aus nach Wien aufbricht. Die ältere Frau, die einen schwarzen Rock, eine bestickte Bluse und Zöpfe trägt, steht in Begleitung ihrer Familie am Rande des Bürgersteigs und macht diese Geste, die einem Segensspruch ähnelt. Sie wusste, dass sie vorbeikommen würden. Viele Dorfbewohner und Familien kommen an die Straße, um die Delegation zu verabschieden und ihr beim Vorbeifahren zuzusehen. Die Mitglieder der Delegation wurden auf ihrem Weg Zeug*innen illegaler Abholzung und des Rohstoffraubbaus. Mit einmonatiger Verspätung reist die zapatistische Delegation nach Mexiko-Stadt und fliegt von dort nach Österreich, in ein Gebiet in Europa, das von der vorangegangenen Delegation, der »Staffel 421«, in Slumil K’ajxemk’op (»widerständiges Gebiet«) umbenannt wurde. Die »Staffel 421« wird am 11. September nach Mexiko zurückkehren.

Die Delegation der »Unzeitgemäßen«



Trotz der Verzögerungen bei den Passverfahren, Hindernissen, Problemen und Impfungen befindet sich »La Extemporánea« nun auf dem Weg nach Europa. Ihre Mitglieder brachen am 8. und 9. September vom Semillero de la Comandanta Ramona im Caracol de Morelia auf, dem Treffpunkt der Frauen, die kämpfen. Sie kamen in verschiedenen Gruppen im Caracol Jacinto Canek zusammen, um die letzten Vorbereitungen und Details für die Reise zu klären, brachten Decken für diejenigen mit, die keine dabei hatten, und verbrachten die Nacht in dem kalten und regnerischen San Cristóbal. Jetzt sind die 28 Teams des Zuhörens und der Worte (bestehend aus je 4-5 compas), ein Team für Spiel und Spaß, ein Frauenfußballteam und eines für die Koordination der Reise auf dem Weg nach Mexiko-Stadt. Ihren Namen »La Extemporanea« bekam die Delegation, weil 67 Zapatist*innen, darunter Subcomandante Moisés, keine Pässe erhalten hatten, da »der mexikanische Staat unsere Identität und Herkunft nicht anerkennt und uns sagt, wir seien »aus der Zeit gefallen« (so bezeichnet uns das Außenministerium als ‚unzeitgemäße’ Mexikaner*innen)«.

Proteste gegen französisches Einreiseverbot



Darüber hinaus war die Verzögerung auch auf die europäischen Vorschriften zurückzuführen, die die Einreise von ungeimpften Menschen nicht zulassen, ebenso wenig werden Menschen in s Land gelassen, die mit Sputnik, Cansino, Sinovac, Sinopharm oder der Soberana geimpft wurden, um nur einige zu nennen. Der Nationale Indigene Kongress (CNI) hatte das gleiche Problem mit den Pässen und Impfungen, so dass sie ihre Reise ebenfalls verschoben haben. Mit mehr als tausend Unterschriften von Organisationen, Netzwerken, Gewerkschaften, Kollektiven und Akademiker*innen schickten sie einen Brief an das französische Innenministerium, in dem sie die Einreise der zapatistischen Delegation »La Extemporánea« forderten. Dort weigerte man sich jedoch, den Brief entgegenzunehmen, erteilte eine abschlägige Antwort und ignorierte ihn, als er an mehrere französische Botschaften in Europa übergeben wurde. Aktivist*innen aus mehr als 13 Ländern in Europa organisierten innerhalb einer Woche mehr als 46 Proteste, um die freie Einreise der Delegation zu fordern.

Nach über zweimonatiger Quarantäne und Vorbereitung sind nun die nächsten Schritte: Ankunft in Mexiko-Stadt, Durchführung von PCR-Tests, Übergabe des Dokuments mit den Vereinbarungen über die Unterstützung der Opfer von Gewalt in ihrem Kampf für Wahrheit und Gerechtigkeit, Empfang der Einheit 421, Aufteilung in zwei Gruppen für die Reise und letzte Vorbereitungen für den Flug nach Madrid am Mittag bzw. am Abend des 13. September. »An den Tagen, an denen wir in Mexiko-Stadt sind, werden wir die Protokolle der Versammlungen der zapatistischen, nicht-zapatistischen und antizapatistischen Gemeinden mit ihren Vereinbarungen über die Unterstützung der Opfer der Gewalt in dem Kampf für Wahrheit und Gerechtigkeit überreichen, so wie es in der Konsultation vom 1. August dieses Jahres beschlossen wurde«, versicherte Subcomandante Moises in einem Kommuniqué.

Neugegründete Gruppe Zapalotta organisiert Österreich-Besuch der Zapatist*innen



Für das Kollektiv Acción Solidaria, das zum Zapalotta-Netzwerk in Österreich gehört, war die Ankunft der Delegation eine Überraschung. Aufgrund der Verzögerung war man unsicher, ob das Treffen stattfinden kann, und beschleunigte die Vorbereitungen für den Empfang umso mehr, als die Nachricht über die Ankunft in Österreich kam. Für das kleine Netzwerk Zapalotta, das neben Pandemie-bedingten Unwägbarkeiten mit persönlichen und kollektiven Kapazitäten umgehen muss, eine große Herausforderung. Aber nun überwiegt die Freude über die Ankunft der Delegation. »Wir sehen den zapatistischen Weg als eine Möglichkeit, uns als Linke weiter links zu positionieren und Politik mit Würde zusammenzubringen. Das Streben nach Würde ist radikal. Die Linke hier und in der Welt versucht nicht, das System zu verändern. Sie streben Veränderungen an, die zwar bedeutend sein können, aber nicht in der Substanz, sondern nur in der Form. Sie ändern nichts an der gesellschaftlichen Dynamik von Klasse, Ausbeutung, Rassismus und Ausgrenzung. Der Zapatismus bedeutet für uns Hoffnung, weil er auf tiefgreifende Veränderungen abzielt und offen ist für die Vielfalt der Kämpfe », so das Kollektiv Acción Solidaria.

Verschiedene europäische Gruppen helfen bei der Organisation



Aktivist*innen aus der Schweiz, Griechenland, Italien, Frankreich, Spanien, Deutschland, Wien, Portugal, Dänemark, Finnland, Schweden und Belgien haben ihre Teilnahme am Empfang der Delegation bestätigt. Die Gruppe »Y Retiemble Madrid« wird ebenfalls teilnehmen. »Das Treffen wird mit Unterstützung aus verschiedenen Teilen Europas stattfinden. Wir organisieren uns, um nach Wien zu reisen und den Gruppen dort zur Hand zu gehen, denn Österreich ist ein kleines Land, wo sich erst anlässlich der Europareise der zapatistischen Delegation Gruppen gebildet haben, anders als in anderen Gegenden, wo es schon seit Monaten oder Jahren eine Unterstützer*innenstruktur gibt«, so ein Mitglied von »Y Retiemble«. »Durch die Verspätung der Delegation war es nicht einfach, die Vorbereitungen zu treffen. Wir haben spontan gearbeitet, ohne zu wissen, wann sie ankommen und wann sie Mexiko wieder verlassen können, und das hat unsere Organisation und die Planung unserer Aktivitäten kompliziert gemacht.« In Madrid fanden am 13. August Demonstrationen zum 500. Jahrestag des Widerstands der Völker statt. Die Gruppe Y Retiemble war außerdem damit beschäftigt, alle Regionen zu koordinieren und die Programme der einzelnen Gebiete, die die Delegation empfangen wollten, aufeinander abzustimmen, denn »es gibt viele Aktivitäten, die im Zusammenhang mit der Europa-Reise der Zapatist*innen geplant wurden«. In den Monaten, in denen die Staffel 421 unterwegs war, hatte sie ein dicht gestricktes Programm mit widerständigen Gruppen in ganz Europa.

Mehr Netzwerkarbeit und politische Inspiration



Durch die Organisation rund um die Reise und die Europatour der Delegation habe man sich damit beschäftigt, Kontakte zu knüpfen und Netzwerke auszubauen, betont Acción Solidaria aus Wien. »Dadurch sind Menschen, Kollektive und Organisationen zusammengekommen, die sich vorher nicht kannten. Lebenserfahrungen und Ideen aus europäischen Randgebieten Europas wurden breiter diskutiert. Die Reise der Zapatist*innen ist für uns eine Möglichkeit, uns zu verbinden, einander zuzuhören und etwas ganz Eigenes, ganz Anderes, ganz Unterschiedliches zu erarbeiten. Sexismusdebatten, der Kampf gegen den Rassismus und viele weitere Kämpfe werden noch nicht aus einer intersektionalen Perspektive geführt bzw. verbleiben in einem konventionellen Ansatz. Die Reise der Zapatist*innen kann uns inspirieren, Netzwerke mit mehr Offenheit aufzubauen, unterschiedliche Kämpfe einzubeziehen und weniger auf Ausschluss zu setzen«, so ein Acción Solidaria Aktivist. In Wien bereitet das Zapalotta-Netzwerk zwei große Veranstaltungen vor, um die Delegation mit politischen Reden, Gedichten und Musik vor der Ankunftshalle des Flughafens zu begrüßen. Kollektive und Organisationen aus Europa basteln derzeit Transparente und Schilder, um die Compas willkommen zu heißen. Dazu wird es eine Pressekonferenz geben. Zapalotta kümmert sich auch um die Übersetzung der Veranstaltung. Was ebenfalls bedacht werden muss: Mit der Delegation kommt auch der Winter. »Es gibt viele Dinge, die im Voraus geplant werden müssen: Wir müssen Räume reservieren, für die Sicherheit der Delegationen sorgen, und durch die Verspätung müssen wir berücksichtigen, dass der Winter kommt, dass wir beheizte Räume brauchen, weil man sich nicht im Freien aufhalten kann, und vieles andere mehr.«

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Quelle: poonal
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 Quelle:  
  https://www.npla.de/thema/allgemein/zapatistische-delegation-la-extemporanea-bricht-nach-europa-auf/ 
 

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