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EZLN: Raus aus dem Schneckenhaus
Direkte Solidarität Chiapas vom 06.07.2005 |
− | Mit der Auslösung des Roten Alarms durch die Zapatistische Armee zur Nationalen Befreiung (EZLN) schossen die Spekulationen ins Kraut. |
− | Nun wurde bekannt: Die Zapatistas planen eine weitere politische Offensive durch radikale Öffnung und mit dem Versuch der Bildung einer - vorläufig mexikanischen - linken Allianz gegen den Neoliberalismus |
Droht der EZLN ein Angriff durch die mexikanische Bundesarmee oder plant sie gar selber militärische Operationen? Seit der Ausrufung des Roten Alarms wurde viel gerätselt, was die EZLN im Schilde führt. Nun bringt die Veröffentlichung der "6. Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald" Klarheit. In indianischem Spanisch verkündet die EZLN den Beginn einer neuen Phase ihres politischen Kampfes. Mit der Planung und Ausrufung der Caracoles (Schneckenhäuser) konzentrierte sich die zapatistische Bewegung während vier Jahre voll und ganz auf ihre autonome Selbstorganisierung, denn "ein Volk, das die Regierenden nicht beaufsichtigt ist zur Sklaverei verdammt und wir kämpfen dafür, frei zu sein und nicht dafür, alle sechs Jahre den Sklavenhalter zu wechseln".
Über den Tellerrand hinaus
Neben langen Kapiteln mit einer eingängigen Kapitalismuskritik und der Beschreibung des Zustandes des Landes als einem Supermarkt im Ausverkauf wagen die Zapatistas auch einem Blick über die Landesgrenzen hinaus um dann ihre nächsten Schritte kundzutun.
Keine militärischen Aktionen
Die EZLN erklärt, dass sie sich weiterhin an den Waffenstillstand hält und die Gemeinden bei der Stärkung der autonomen Strukturen unterstützt. Symbolisch versprechen sie "Nahrungsmittel und Handwerksprodukte all den Brüdern und Schwestern zu schicken, die auf der ganzen Welt kämpfen": Mais gegen die Blockade von Kuba, Kaffee und warme Kleider für Europa, um die antineoliberalen Kämpfe finanzieren und besprechen zu können und dabei nicht frieren müssen, den indigenen Brüdern und Schwestern in Bolivien und Ecuador Mais, der noch nicht gentechnisch manipuliert ist. Zudem laden sie ein zu weiteren Interkontinentalen Treffen "oder wenigstens zu einem weiteren".
Für Mexiko sehen sie vor, weiterhin auch für die indianischen Völker zu kämpfen, "aber nicht mehr nur für sie und nur mit ihnen, sondern für alle Ausgebeuteten und Besitzlosen von Mexiko, mit ihnen allen und im ganzen Land. Und wenn wir von allen Ausgebeuteten Mexikos reden so meinen wir auch die Brüder und Schwestern die in die USA gehen mussten um überleben zu können".
Dazu wollen sie eine "Nationale Kampagne" führen mit allen linken Kräften, die nicht Teil der Macht sind oder diese anstreben. Eine Delegation der Führungsebene der EZLN wird dazu durch das Land reisen, um Kontakt aufzunehmen mit all den Organisationen und Einzelpersonen, die sich "gegen die Privatisierung der elektrischen Energie, des Erdöls, des Wassers und anderer natürlicher Rohstoffe" wehren.
Was ist neu daran?
Auf den ersten Blick mag die mehrseitige Erklärung banal klingen. Bei genauerem hinsehen entdecken wir feine Veränderungen und Riesenschritte.
Von Beginn weg betonten die Zapatistas immer wieder die Universalität ihres Kampfes. Bei den geplanten nächsten Schritten werden sie konkret: Sie betonen, dass sie es nicht allein schaffen, den Kampf um Land und Freiheit zu gewinnen und dass sie die Hilfe aller fortschrittlicher Kräfte im ganzen Land brauchen. Diese fortschrittlichen Kräfte siedeln sie explizit in der Linken an, "weil wir denken, dass es die politische Linke ist, die die Absicht hat, der neoliberalen Globalisierung zu widerstehen und ein Land aufzubauen wo es für alle Gerechtigkeit, Demokratie und Freiheit gibt". Die Zapatistas wiederholen mehrmals, dass sie gewillt sind, einen Schritt aus dem Schneckenhaus der Autonomie zu tun, auch auf die Gefahr hin nicht das vorzufinden, was sie vorzufinden hoffen und dass sie gar physisch angegriffen werden.
Worte wie "gegenseitig", "gleich", "zusammen" und "austauschen" ziehen sich durch den ganzen Text. Dies an sich ist noch nicht besonders oder erstaunlich, neu daran ist, dass die Zapatistas dieses "wir" über die indigenen Gemeinden hinaus ausweiten und nicht mehr nur uns bei sich empfangen sondern auch zu uns kommen wollen, um unsere Realitäten kennen zu lernen. Fürs erste innerhalb der mexikanischen Grenzen.
Kommerz oder solidarischer, gegenseitiger Austausch?
Seit 1999 verkaufen wir Kaffee einer Kooperative, die Teil des zapatistischen Kampfes ist. Neben der Bildung, dem Gesundheitswesen und dem Biolandbau erklärte die EZLN auch den Handel zu einem Standbein ihrer Autonomie. Zu den drei erstgenannten Bereichen sind Konzepte und reiche Erfahrung vorhanden. Beim Thema Handel beschränkte sich die Diskussion oft auf die Frage des Preises. Wir wollen aber nicht bloss der Handelspartner der Kooperative sein, sondern ein solidarisches Verhältnis pflegen und Diskussionen führen. Wir merkten auch, dass es unter den Einkäufern im Norden hundert verschiedene Vorstellungen gibt, wie der Handel mit den Zapatistas aussehen soll. Aufgrund von Gesprächen unter den AkteurInnen in Europa und Chiapas wurde klar, dass wir all die Fragen auf gleicher Augenhöhe nur angehen können, wenn wir uns eines Tages in einem grossen Rahmen treffen, zusammen die Themen festlegen und dann "multilateral" die offenen Fragen diskutieren. Darauf antworten die Zapatistas nun mit dem Vorschlag eines weiteren Interkontinentalen Treffens, wobei sie "nicht bestimmen wollen wann, weil es muss darum gehen, das zusammen zu bestimmen, das wo, das ob, das wie, das mit wem. Aber nicht wie im Tempel, wo einige wenige Reden und die andern zuhören, sondern flach und alle reden, aber geordnet, denn wenn nicht, haben wir viel Lärm und man versteht kein Wort, und gut organisiert hören alle zu, und so können alle die Worte des Widerstandes der anderen in ihre Notizbücher schreiben um diese danach mit ihren Compas in ihren Welten zu bereden. [?] Bald werden wir euch sagen wie wir es machen um uns darüber einig zu werden, wie wir uns einigen werden".
Es werden also weitere Kommuniques folgen und auch die solidarische Linke in Europa ist gefordert, sich Gedanken über die weiteren Schritte zusammen mit den Zapatistas zu machen, z.B. wenn es um den Handel mit Gütern aus zapatistischen Gemeinden geht.
Witz
Bei aller Ernsthaftigkeit der jüngsten Erklärung verlieren die Zapatistas den Humor nicht wenn sie schreiben, dass sie uns "Pozol (ein Maisgetränk) schicken wollen, da dieser Kraft gibt für den Widerstand, aber wer weiss ob wir den euch senden, denn Pozol ist mehr unsere Art und euch schädigt er wohl eure Mägen und schwächt so eure Kämpfe und so können euch die Neoliberalen besiegen"! Hier zeigt sich die jahrzehntelange Erfahrung mit sich vor Bauchschmerzen krümmenden BesucherInnen in den zapatistischen Gemeinden.
Ein Artikel für die sozialistische Wochenzeitung vorwärts:
www.vorwaerts.ch
Quelle:
Direkte Solidarität mit Chiapas/Café RebelDía:
Quellenstrasse 25, 8005 Zürich
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Das Buch zum Kaffee: »Das Aroma der Rebellion.«
Zapatistischer Kaffee, indigener Aufstand und autonome Kooperativen in Chiapas, Mexiko.
Zur Ankündigung der Neuauflage
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