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Beitrag für Direkte Aktion Nr. 180

Noch mehr oben gegen unten:

News vom 11.03.2007
Luz Kerkeling, Gruppe B.A.S.T.A.

 

Mexikanische Regierung geht hart gegen soziale Bewegungen vor
"Linke" tief gespalten

Quo vadis, Mexiko? Diese Frage geistert seit Monaten durch das Land. Der neue Präsident Felipe Calderón Hinojosa von der rechtskonservativ- neoliberalen Partei der Nationalen Aktion (PAN), der seit dem 1. Dezember 2006 amtiert, hat sich in seinen ersten 60 Amtstagen bereits sechs Mal mit höchsten Militärs getroffen. Sein Auftritt in olivgrüner Jacke und Soldatenkappe Anfang Januar 2007 sorgte zwar für eine regelrechte Flut bitterböser Karrikaturen, doch der Hintergrund ist ernst. Seit Jahrzehnten hat sich kein Staatschef öffentlich so stark an der Seite der Truppe präsentiert.

Den markigen Worten Calderóns, dass es in Zukunft niemand mehr wagen sollte, den Staat herauszufordern, folgten postwendend Taten. In zahlreichen Bundesstaaten führte das Militär in Zusammenarbeit mit Spezialeinheiten der Polizei "Anti-Drogenmissionen" durch, die durch eine umfassende Propaganda in Fernsehen und Presse begleitet wurde. Sicherlich haben die staatlichen Kräfte einige Drogen verbrannt und einige Drogenhändler inhaftiert. Doch nach einhelliger Meinung im regierungskritischen Lager handelt es sich dabei erstens um eine machtpolitische Neuordnung der rivalisierenden Drogenkartelle. Es ist in Mexiko allgemein bekannt, dass relevante Teile des Militär- und Polizeiapparates in Drogen- und Menschenhandel involviert sind. Zweitens wollen die derzeitigen Eliten mit ihren Militärkampagnen forcieren, dass Mexiko im Ausland mehr als zuvor als ein sicherer Investitionsstandort gilt. Calderón spielte sich beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos, Schweiz, als vertrauenswürdiger anti- linker Partner in Lateinamerika auf und beharrte auf der angeblichen Notwendigkeit, zum Wohle aller den Weg der neoliberalen Globalisierung weiter voranzutreiben. Für viele Wirtschaftsvertreter der wohlhabenden Staaten ist Mexiko besonders interessant, weil es durch den NAFTA-Freihandelsvertrag einen Trittstein in den US-Markt bietet. So ist Deutschland heute wichtigster europäischer Handelspartner Mexikos, fast 1.000 Firmen sind dort tätig. Drittens − und das ist der entscheidende Aspekt − übt die Regierung mit der Militarisierung immensen Druck auf die sozialen Bewegungen aus. Die rebellischen sozialen Bewegungen im Süden des Landes sollen wissen, dass das Militär gut ausgerüstet und jederzeit sofort einsetzbar ist.

Teilsieg der Rechten

Die Repression gegen linke Organisationen schreitet fort. Beteiligt sind neben Lokalkaziken und paramilitärischen Gruppen alle Ebenen der Staatsgewalt. Die Polizei führt willkürliche Verhaftungen durch und presst den Gefangenen gefälschte Geständnisse ab, um sie dauerhaft inhaftieren zu können. Die Gerichte verschleppen die Fälle und praktizieren eine lupenreine Klassenjustiz: wer über finanzielle Mittel verfügt, kann das Gefängnis in der Regel verlassen, wer nichts hat, bleibt in den allermeisten Fällen drin oder verschuldet sich erheblich. Im Moment sind viele linke Gruppen unter großen Anstrengungen in der Antirepressionsarbeit gefangen − es wird von mindestens 1.000 politischen Gefangenen im Land gesprochen − was ihr Aktionspotential drastisch minimiert und durchaus als Teilsieg der rechten Kräfte gewertet werden kann.

Chiapas und Oaxaca

In Chiapas ist die Lage zur Zeit sehr gespannt. Die OPDDIC (1) wird von NGOs und Zapatistas als paramilitärische Gruppierung eingestuft. Sie soll auf die völlige Rückendeckung der bundesstaatlichen und der föderalen Regierung zählen können. Sie ist aus drei älteren rechten bewaffneten Gruppen hervorgegangen und hat inzwischen Präsenz in drei von fünf zapatistischen Zonen. Im November war die OPDDIC bei der Vertreibung eines Dorfes im ressourcenreichen Naturschutzreservat Montes Azules beteiligt, die vier Todesopfer, mehrere geflüchtete Familien und Verschwundene implizierte. Die Organisation ist vor allem dort aktiv, wo die Militärpräsenz hoch ist. Viele chiapanekische Organisationen fürchten, dass die OPDDIC Zwischenfälle provoziert und dann das Militär in die Region einmarschiert, um endgültig den Widerstand der zapatistischen Bewegung zu brechen. Im Bundesstaat Oaxaca, wo die Bevölkerung 2006 monatelang rebellierte, um den PRI-Gouverneur Ulises Ruiz aus dem Amt zu drängen und eine neue demokratische Verfassung durchzusetzen, hat sich eine breite Bewegung um die Volksversammlung von Oaxaca (APPO) gebildet. Diese Bewegung wurde mit massiver Repression konfrontiert und hat rund 20 Tote, Dutzende Gefolterte und Vergewaltigte und noch immer rund 70 politische Gefangene zu beklagen. Viele AktivistInnen flüchteten nach der staatlichen Gewaltwelle in den Untergrund oder in andere Regionen Mexikos. Seit Beginn des Jahres befindet sich die APPO in einem Reorganisierungsprozess. Auf dem Kongress vom 10. und 11. Februar beschloss die APPO, dass sie weiterhin eine parteiunabhängige und nichtparlamentarische Sammelbewegung bleiben wird, die sich über einen Rat zur Erreichung ihrer unveränderten Ziele koordiniert. Nichtsdestotrotz soll es einzelnen AktivistInnen erlaubt werden, im Herbst an den Wahlen für das bundesstaatliche Parlament und die Landkreispräsidentschaften teilzunehmen, wenn dies nicht unter dem Siegel einer Partei oder der Bezeichnung APPO geschieht. Es muss betont werden, dass die APPO eine vielschichtige Bewegung ist, in der keineswegs alle Gruppen eine Rätesozialismus anstreben, wie es in einigen linksradikalen Publikationen dargestellt wird. Vielen Menschen würde ein funktionierender Rechtsstaat genügen, was für die Realität im diktatorischen Oaxaca schon eine extreme Veränderung bedeuten würde.

Die Situation der "Linken"

Auf der Linken gibt es zur Zeit drei relevante landesweite Initiativen: erstens die PRD und die von ihr dominierte Nationale Demokratische Konvention, zweitens den gewerkschaftsnahen Nationalen Dialog und drittens die "Andere Kampagne" aus dem prozapatistischen Umfeld. Dass die CND und die "Andere Kampagne" sich völlig ausschliessen, ist überdeutlich, denn letztere arbeitet nicht mit Gruppen oder Personen, die direkt am Wahlzirkus teilnehmen. Die PRD wird von der "Otra Campaña" schon lange nicht mehr als links betrachtet. Doch auch der Nationale Dialog und die "Andere Kampagne" schenken sich in der öffentlichen Auseinandersetzung wenig. So kritisierte der realpolitisch orientierte Marxist Guillermo Almeyra die "Otra Campaña", die sich ausserparlamentarisch für eine basisdemokratische und antikapitalistische neue Verfassung einsetzt, wegen ihres Radikalismus als "Sektierer" und "Unterstützer der Kapitalisten und der rechten Regierung". Was für die unabhängigen linken − teils libertären − Gruppen, die in der von der EZLN initiierten "Anderen Kampagne" organisiert sind, tatsächlich sehr schwierig ist, ist der grosse Einfluss der PRD-nahen Gewerkschaften und Organisationen, die über bedeutende Finanzmittel und Medienkontakte verfügen. Die "Otra" hingegen stützt sich bisher weitgehend auf arbeitsmässig stark belastete Gruppen und Kollektive sowie Hunderttausende Indígenas im Widerstand. Es ist weiterhin fraglich, wie kontinuierlich die Gruppen aus dem ArbeiterInnen-, Campesino-, StudentInnen-, Indígena-, Frauen-, Homosexuellen- und Umweltsektor bei der Sache bleiben. Der Organisationsprozess einer derart heterogenen Vereinigung ist nicht leicht. Doch es könnte erneut Bewegung in die Kampagne kommen: Ende Februar endet eine interne Befragung der "Otra", dort soll unter anderem über zukünftige BündnispartnerInnen entschieden werden. Hier ist von entscheidender Wichtigkeit, dass die "Otra" im Terrain der Gewerkschaften an Boden gewinnt, um mit Streiks und Blockaden ihren Forderungen substantiellen Nachdruck zu verleihen. Dazu müssten sich die ArbeiterInnen von Stadt und Land ihrer korrupten Funktionäre entledigen, die nach wie vor stark mit PRD und PRI verbandelt sind. Ein weiterer Impuls könnte von der zweiten Rundreise einer EZLN- Delegation durch ganz Mexiko ausgehen. So legitim die Kritik an der − von den Zapatistas selbst immer abgelehnten − Führungsrolle in der ausserparlamentarischen Linken ist, so sehr müssen auch alle restlichen Gruppen der "Anderen Kampagne" weiter daran arbeiten, auch ohne Teilnahme der EZLN grössere Aktionen zu organisieren. Es sind also alle Teilgruppen der "Otra" gefordert − und die Bedingungen sind alles andere als günstig.

Luz Kerkeling, Gruppe B.A.S.T.A., z.Zt. Chiapas

für Direkte Aktion Ausgabe Nr. 180

 Quelle:  
  http://www.fau.org 
 

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