Mord an „Scheiß-Zapatisten“

Vor knapp drei Wochen wurde der linke Student Noel Pável González gefoltert und ermordet aufgefunden. Von den Tätern fehlt jede Spur – wie schon so oft in Mexiko

MEXIKO-STADT taz ■ Wer hat Noel Pável González ermordet? Diese Frage stellen sich seit Tagen Angehörige, Kommilitonen und politische Mitstreiter des linken Aktivisten aus Mexiko-Stadt. Die Leiche des Studenten war am vorvergangenen Wochenende mit eindeutigen Folterspuren in einem Außenbezirk der Metropole gefunden worden. Wenige Tage später gingen bei mit González befreundeten Studenten und bei der zapatistischen Guerilla EZLN nahe stehenden Organisationen Drohbriefe ein. „Scheiß-Zapatisten, wenn ihr so weitermacht, werdet ihr sehen, was ihr davon habt“, hieß es in den per Mail verschickten Briefen. Gezeichnet: die rechtsradikale Organisation „El Yunque“ („der Amboss“).

Der Anthropologiestudent González war in den zapatistischen Gruppen und an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko (UNAM) politisch aktiv. Unter anderem war er durch seine Beteiligung am Streik gegen die Privatisierung des Bildungssystems an der UNAM 1999 und 2000 bekannt. „Es war ein politisches Verbrechen“, vermutet Vater Mario González.

Die Eltern hatten ihren Sohn zuletzt lebend am 19. April gesehen, danach sei er nicht mehr nach Hause gekommen. Am 23. April wurde die Leiche gefunden. Gerichtsmediziner stellten fest, dass Pável González bereits am ersten Tag seines Verschwindens gefoltert und vergewaltigt wurde. Der Tod sei durch Schläge ausgelöst worden, die innere und äußere Verletzungen verursacht hätten, sagten die forensischen Ärzte. Offenbar um einen Selbstmord vorzutäuschen, sei er danach aufgehängt worden.

In den letzten Monaten ist es auf dem Gelände der UNAM immer wieder zu Angriffen rechter Studentengruppen gekommen. „El Yunque“ kam im August vergangenen Jahres in die Schlagzeilen. Damals hatte der renommierte Journalist Alvaro Delgado in einem Buch nachgewiesen, dass die klandestine rechtsradikale und ultrakatholische Organisation eng mit Unternehmerverbänden und Parlamentariern der „Partei der Nationalen Aktion“ (PAN) des Präsidenten Vicente Fox verbunden ist.

Es sei empörend, dass „im Demokratisierungsprozess des Landes solche Fälle weiterhin präsent sind“, reagierten Professoren, Studenten, Angestellte und der Direktor der Anthropologischen Universität (ENAH), wo González auch studierte, auf den Mord. In einem offenen Brief forderten sie „die Aufklärung dieses Falles sowie der vielen anderen Fälle von Studenten, die wegen ihrer Aktivitäten verschwunden sind oder ermordet wurden“. Tatsächlich sind Morddrohungen in Mexiko weiterhin an der Tagesordnung. Im April 2003 „verschwand“ in Oaxaca die Indígena-Aktivistin Marcelino Santiago Pacheco, im August wurde im Bundesstaat Puebla die Anwältin Griselda Tirado erschossen. Auch sie hatte sich für die Rechte der indigenen Bevölkerung eingesetzt.

WOLF-DIETER VOGEL