Mercosur wächst: Gegengewicht zu USA

Mexiko und Venezuela kommen hinzu. Die Zollunion will „politische Gemeinschaft, nicht nur Handelsbündnis“ sein

Ein neuesSchlichtungsgerichtsoll Streit beiHandelsfragen klären

BUENOS AIRES taz ■ Der südamerikanische Handelsblock Mercosur gewinnt weiter an politischer und wirtschaftlicher Bedeutung. Am Donnerstag beschlossen die Mitgliedstaaten, Venezuela und Mexiko als assoziierte Mitglieder aufzunehmen. Das vereinbarten die Präsidenten der Mercosur-Länder Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay bei ihrem Gipfeltreffen in Iguazú, im tropischen Norden Argentiniens. Bevor die Aufnahme in Kraft tritt, müssen beide Länder noch ein Freihandelsabkommen mit dem Mercosur unterzeichnen. Dem Handelsblock gehören derzeit auch Bolivien, Chile und Peru als assoziierte Mitglieder an. Damit sind die großen Volkswirtschaften Südamerikas im Mercosur vereinigt.

„Gemeinsam können wir die Einheit Lateinamerikas herstellen“, sagte Mexikos Präsident Vicente Fox bei seiner Rede in Iguazú. Schon seit einiger Zeit arbeiten der argentinische Präsident Néstor Kirchner und sein brasilianischer Amtskollege Luiz Inazio Lula da Silva an einer Erweiterung des Mercosurs zu einem Handelsblock, der möglichst viele lateinamerikanische Länder umfasst. Ihr Ziel ist es, die lateinamerikanischen Länder bei den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten über eine panamerikanische Freihandelszone als Block zu vertreten. Gastgeber Kirchner forderte darüber hinaus, den Mercosur weiter zu vertiefen. Der Regionalblock sei mehr als nur ein Handelsbündnis, er sei „eine politische Gemeinschaft“. Der Argentinier Kirchner hält den Zeitpunkt für gekommen, dass die Regierungen auch die „sensiblen Fragen“ antasten.

Doch Kirchner selbst hat bei den sensiblen Fragen in der Woche vor dem Gipfel einseitig Fakten geschaffen. Per Präsidialdekret beschränkte er die Einfuhr von Elektroartikeln aus Brasilien nach Argentinien. Vor allem brasilianische Haushaltswaren wie Kühlschränke und Waschmaschinen sind wesentlich preiswerter als vergleichbare argentinische Produkte. Hersteller aus Argentinien klagen daher über Wettbewerbsnachteile. In Iguazú protestierte Brasiliens Präsident Lula gegen diese Maßnahme, da sie gegen die Statuten des Mercosur verstoße. Kirchner gab klein bei und kündigte an, künftig von Einfuhrbeschränkungen für brasilianische Produkte abzusehen. Im Falle des Konflikts bei den Elektrogeräten beschlossen beide Seiten, dass sich Unternehmensvertreter aus der Elektrobranche kommende Woche treffen sollen, um zu einer Einigung zu gelangen. Danach sei die argentinische Regierung bereit, die Einfuhrbeschränkung wieder aufzuheben.

Um Handelskonflikte dieser Art künftig zu vermeiden, führte der Mercosur ein Schlichtungsgericht ein und benannte fünf Richter. Damit kann künftig im Streitfall dieses Schlichtungsgericht angerufen werden. Das erspart es dann, für solche Fragen eigens einen Präsidentengipfel einzuberufen.

Am Rande des Gipfels unterzeichneten Argentinien und Venezuela ein Abkommen, um künftig enger im Energiebereich zu kooperieren. Diese Vereinbarung beinhaltet auch die Gründung eines eigenen Erdölkonzerns „Petrosur“, dem sich auch andere lateinamerikanische Länder anschließen können. „Dies ist eine Art der realen, nämlich der wirtschaftlichen Integration“, feierte der venezolanische Präsident Hugo Chávez das Abkommen. Und Argentinien verspricht sich von der neuen Allianz mit dem erdölreichen Venezuela, seine Energiekrise in den Griff zu bekommen.

INGO MALCHER