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Reifenmulti ausgebremst
Mexikanische Euzkadi-Arbeiter trotzen Continental nach dreijährigem Streik Wiedereröffnung von Reifenwerk ab
junge welt vom 18.01.2005 |
Drei Jahre und 30 Tage prozessierten, kämpften und streikten die Arbeiter des zum deutschen Reifenhersteller Continental gehörenden Euzkadi-Werkes im mexikanischen El Salto gegen die Schließung ihres Werkes. Jetzt hat der Konflikt, der zeitweise auch in der BRD für Aufsehen sorgte, ein Ende gefunden. Die Reifenfabrik wird voraussichtlich ab Mitte Februar als Unternehmenskooperative neu eröffnet. Die Hälfte des Kapitals bringen die zukünftig genossenschaftlich organisierten Arbeiter ein, die andere Hälfte ein mexikanischer Unternehmer. Continental verpflichtet sich zu einer neunmonatigen fachlichen Beratung in der Anlaufphase und wird zudem das Rohmaterial für die Reifenherstellung liefern. Gewerkschaftsführer Jesús Torres Nuño bezeichnete das zu Wochenbeginn in Anwesenheit des mexikanischen Präsidenten Vicente Fox und dessen Arbeits- und Wirtschaftsminister Carlos Abascal sowie des Continental-Vertreters Matthias Schonberg unterzeichnete Abkommen als »Triumph der Arbeiterbewegung von Euzkadi«.
Arbeiter unter Druck
Es ist jedoch ein Sieg, der mit vielen Opfern verbunden ist. Als Continental Ende 2001 das Werk in El Salto im Bundesstaat Jalisco ohne größere Vorwarnung offiziell wegen »Unwirtschaftlichkeit« schließen wollte, arbeiteten dort über 1000 Menschen. So gut wie alle von ihnen trugen damals den Streik und die Prozesse vor den Arbeitsgerichten mit. Das Vorgehen der Konzernführung sahen sie nicht nur als Verstoß gegen mexikanische Gesetze und damit illegal an. Statt »Unwirtschaftlichkeit« vermuteten sie wohl nicht zu Unrecht einen Knockout-Versuch gegen die kämpferische Betriebsgewerkschaft als wahren Grund für die beabsichtigte Schließung. Doch je länger der Konflikt dauerte, desto mehr Arbeiter hielten angesichts ausbleibender Lohnzahlungen nicht durch. Unter dem Druck, ihre Familien ernähren zu müssen, akzeptierten etwa 400 von ihnen Abfindungszahlungen. Die übrigen hielten bis zuletzt durch. Als Gegenleistung für die Übertragung von 50 Prozent des Unternehmenskapitals in El Salto verzichteten sie jedoch auf die Lohnzahlungen der vergangenen drei Jahre und die zuvor von Continental angebotenen Abfindungen.
Fox als Trittbrettfahrer
Ohne die nationale und internationale Solidarität hätte die Streikbewegung im Euzkadi-Werk kaum durchhalten können. In Deutschland waren es unter anderem die Organisationen Germanwatch und FIAN International, die im Mai vergangenen Jahres eine Delegation der Euzkadi-Gewerkschaft einluden und sie bei der Öffentlichkeitsarbeit unterstützten. Der Auftritt der Arbeiter bei der Konzernspitze von Continental und der Aktionärsversammlung fand großes Echo in der deutschen und mexikanischen Medienwelt. Von Anfang an machten die Gewerkschafter klar, daß sie mit ihrem Streik nicht potentielle Abfindungszahlungen in die Höhe treiben wollten, sondern daß es ihnen um den Erhalt »ihres« Werkes ging. Von Anfang an war auch eine Produktion in Eigenregie im Gespräch, wie sie jetzt partiell verwirklicht wird. Dagegen stand jedoch die Position des Konzerns: »Eine Wiedereröffnung des Euzkadi-Werkes schließen wir definitiv aus«, hieß es dort kategorisch.
Die konservative mexikanische Regierung, die den Arbeitern von Euzkadi lange Zeit die kalte Schulter zeigte, möchte sich nun gern mit fremden Federn schmücken. Präsident Fox und sein Arbeitsminister nennen das Kooperativenmodell eine »exzellente Alternative«, Beschäftigung zu schaffen. Für Abascal ist mit der Lösung des Konfliktes ein weiterer Beleg für die Überwindung des »angeblichen Widerspruches zwischen Kapital und Arbeit« erbracht, und Fox sieht darin einen Ausdruck der »Demokratie, die wir heute erleben«. Gewerkschaftsführer Torres Nuño vermied es allerdings, in dieselbe Kerbe zu schlagen. Er erinnerte daran, daß die Mehrheit der Gewerkschaften immer noch dem Korporativismus verhaftet sei und die sogenannten Schutzverträge zwischen gefügigen Arbeitervertretungen und Unternehmensführungen in vielen Produktionszweigen weiterhin vorherrschend sind.
Die Chancen, daß die Unternehmenskooperative wirtschaftlich überlebt, stehen angesichts einer sich langsam erholenden Autoindustrie in Mexiko und Nordamerika nicht schlecht. Optimistische Prognosen gehen davon aus, daß in einem Jahr das Werk von einer 600köpfigen Anfangsbelegschaft auf wieder 1000 Beschäftigte wachsen kann.
Quelle: | |||
http://www.jungewelt.de/2005/01-20/010.php | |||
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