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Die Karawane der Würde (Teil 3)

Indymedia Chiapas vom 29.03.2001
by Katja Rameil

  Die Karawane in México Stadt und die Comandancia der EZLN vor dem Kongress der Union, das Ende der Karawane − und dann? Die Comandancia der EZLN kehrt nach Chiapas zurueck. Nicht, wie noch vor einer Woche geunkt wurde, mit leeren Haenden, sondern nach einer Sitzung mit den Abgeordneten im Kongress der Union, dem hoechsten Gremium Mexikos. Selbst die Gegner dieser Zusammenkunft sprachen hinterher von einem historischen Moment.

Am 28.3. gegen 11 Uhr betraten die Delegierten der EZLN das Kongressgebaeude. Mit ihnen kamen mehr als 100 spezielle Gaeste, Mitglieder des Nationalen Indígena-Kongresses CNI; aber auch Francisco Gómez, Opfer der ersten Tage des Aufstandes im Januar 1994 und 6 Indígenas, die wegen des Kampfes um ihre Rechte im Gefaengnis sitzen oder politisch verfolgt werden, befanden sich symbolisch unter den geladenen Gaesten.

Nicht anwesend waren die Abgeordneten der PAN-Fraktion, die sich bis zuletzt dagegen gewehrt hatten, den Indígenas die Tribuene zu ueberlassen. Ebenfalls abwesend war Subcomandante Insurgente Marcos, den viele als Sprecher der Delegation erwartet hatten. Comandante Esther, die als erste Sprecherin der EZLN das Wort ergriff, erklaert: "Einige haben sicher erwartet, dass Sub Marcos diese Tribuene betreten und die Botschaft der Zapatistas verlesen wuerde. Aber wie Ihr seht, ist das nicht der Fall. Der Subcomandante Insurgente Marcos ist eben das, ein Subcomandante. Wir sind die Comandantes, wir geben Befehle, wir befehlen unseren Voelkern gehorchend. Dem Sub und seinesgleichen haben wir die Aufgabe uebertragen, uns auf diese Tribuene zu bringen. Ihnen, unseren Kriegern und Kriegerinnen, ist das dank der Unterstuetzung der Bevoelkerung Mexikos und der ganzen Welt gelungen. Jetzt hat unsere Stunde begonnen."

Die von Comandante Esther vorgetragene Botschaft der EZLN erregte Aufsehen. Zum ersten Mal seit vielen Jahren sprach die EZLN von Frieden. Sie kuendigte an, die von der mexikanischen Armee geraeumten Posten nicht zu besetzen und ueberhaupt keinerlei militaerische Aktionen zu unternehmen. Gleichzeitig erkannte sie die Bereitschaft der Regierung zur friedlichen Loesung des Konfliktes an und verkuendete, der Architekt Yañez werde im Namen der EZLN Kontakt mit Luis H. Alvarez, dem Friedensbeauftragten von Regierungsseite, aufnehmen.

Comandante David sprach hauptsaechlich ueber die Bedeutung des Abkommens von San Andres und forderte dessen Anerkennung. Comandante Zebedeo stellte fest, dass die Gesetze immer auf der Seite der Reichen und Maechtigen sind, die Armen und die Indígenas dagegen verfolgt werden, wenn sie ihre Rechte einfordern. Die Gesetze, die tatsaechlich auf ihrer Seite sind, werden einfach nicht angewandt. Er forderte die Abgeordneten auf, nicht zu vergessen, dass sie vom Volk gewaehlt wurden, um es zu vertreten, und dass sie so in seiner Schuld und Verantwortung stehen. Comandante Tacho sprach von der Bedeutung, die das Wort in den indigenen Gemeinden seit Generationen hat: es ist Gesetz. Auch wenn heute die Luege regiert, kann das Wort nicht mit Geld kaeuflich sein. Entsprechend geben die Zapatistas ihr Wort, dass die Friedensgespraeche wieder aufgenommen werden, wenn die verbleibenden 2 Bedingungen der EZLN erfuellt sind (Freilassung aller zapatistischen Gefangenen und Erfuellung des Abkommens von San Andres), und enden, wenn die noch ausstehenden Themen diskutiert wurden. Er gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Gesetzesinitiative der COCOPA so bald wie moeglich als Gesetz in die Verfassung aufgenommen wird.

Danach sprachen drei Vertreter des Nationalen Indígena-Kongresses. Sie erklaerten den Nutzen des von der COCOPA vorgeschlagenen Gesetzes fuer die Indigena-Voelker und betonten, dass sich mit dem Gesetz im Prinzip nichts aendert, sondern nur anerkannt wird, was in den indigenen Gemeinden ohnehin praktiziert wird: das Gemeinschaftsleben im Einklang mit der Natur auf der Basis der Erfahrungen der Vorfahren, die Arbeit im Dienste der Gemeinschaft und das gemeinschaftliche Eigentum, das gemeinschaftliche Treffen von Entscheidungen. Dabei machten sie klar, dass sie damit keine Privilegien und auch keine Abspaltung von Mexiko suchten. Und natuerlich ist die Frage berechtigt: warum werden aus indigenen Territorien Rohstoffe en masse exportiert, waehrend in den indigenen Gemeinden selbst nicht einmal ordentliche Strassen oder Strom oder fliessendes Wasser haben?

Fueneinhalb Stunden dauerte die Kongresssitzung, auf der auch die Abgeordneten der verschiedenen Parteien zu Wort kamen, um Kommentare abzugeben und Fragen zu stellen. Danach trafen sich die Comandantes der EZLN mit der Zivilgesellschaft: 3 bis 4000 Menschen, die den ganzen Tag vor dem Kongressgebaeude ausgeharrt hatten. Hier verabschiedeten sich die Comandantes und kuendigten ihre bevorstehende Heimreise an. Sie bedankten sich aufs herzlichste bei allen fuer die Unterstuetzung, die ihnen auf ihrer Reise zuteil wurde. Comandante Zebedeo sagte, sie wuerden sich gern als Zeichen des Dankes das Herz herausreissen, um es der Zivilgesellschaft zu schenken, aber "wir wuerden ja sterben. Wir glauben, dass es auch mit einem Laecheln getan ist, oder einem Tanz, nur ich kann nicht tanzen, aber gemeinsam mit Euch werde ich es lernen." 17 Tage waren seit dem triuphalen Einzug der Zapatistas auf den Zócalo der mexikanischen Hauptstadt vergangen. In dieser Zeit blieb den Comandantes nicht viel Gelegenheit, sich zu erholen. Fast taeglich fanden Treffen mit Intellektuellen, der Zivilgesellschaft oder mit Studenten statt. Die EZLN besuchte die Einrichtungen des Nationalen Politechnischen Instituts IPN sowie der Universitaeten UAM und UNAM, und sie realisierten ebenfalls Treffen mit den Studenten des Instituts fuer Anthropologie und Geschichte ENAH, die ihnen waehrend ihres gesamten Aufenthaltes ihre Schule als Unterkunft zur Verfuegung stellten. Eigentliches Ziel der Karawane war es jedoch, wie am 2. Dezember des vergangenen Jahres angekuendigt, den Abgeordneten des Kongresses der Union die Vorzuege des Gesetzesvorschlages der COCOPA zu erklaeren. Zunaechst schien dieses Ziel in weite Ferne gerueckt, als sich die PAN-Fraktion strikt gegen alles moegliche querstellte: dass Maskierte die Tribuene des Kongresses betreten koennen und dass ueberhaupt alles illegal sei. Praesident Fox erklaerte taeglich, dass die drei Zeichen fuer die Wiederaufnahme der Friedensgespraeche erfuellt seien und er sich mit Marcos treffen wolle. Trotzdem wurden noch nicht alle politischen Gefangenen der EZLN freigelassen, und das Abkommen von San Andres wurde noch nicht umgesetzt. Die Comandantes der EZLN erteilten Fox eine klare Absage bezueglich des Treffens mit Marcos, denn, wie schon oft wiederholt, es geht nicht um ihn.

Schliesslich kuendigte die EZLN ihre Rueckkehr nach Chiapas an, ohne ihr Hauptziel erreicht zu haben. Sie gaben die Schuld dafuer dem Rassismus der Politiker. In einem letzten Treffen mit der Zivilgesellschaft vor dem Kongress der Union verabschiedeten sie sich von der Bevoelkerung mit den Worten, die die Kongressabgeordneten offenbar nicht hoeren wollten. Aber in letzter Minute erreichte sie die ueberraschende Botschaft: in einer Abstimmung beschloss der Kongress mit 220 zu 210 Stimmen und 7 Stimmenthaltungen, der EZLN die Moeglichkeit zu geben, die Tribuene zu nutzen.

Damit haben die Comandantes der EZLN das Hauptziel dieser Karawane ereicht. Es bleibt abzuwarten, wie der Kongress weiter verfaehrt. Aber die Karawane hat noch viel mehr gebracht: eines der drei von der EZLN geforderten Zeichen wurde endlich von Regierungsseite erfuellt, so dass, laut Marcos, "ein Junge namens Pedro, wir nennen ihn Pedrito, nach Hause zurueckkehren kann, nachdem er sechs Jahre und einen Monat in den Bergen leben musste", weil die Bewohner von Guadalupe Tepeyac endlich in ihr Dorf zurueckkehren koennen, das von der mexikanischen Armee besetzt gehalten wurde.

Dank der Zapatista-Karawane sind die Indígenas nach Jahrhunderten des Vergessens ins Zentrum des allgemeinen Interesses gerueckt. In den Zeitungen finden sich Gedichte in Indígena-Sprachen, und selbst einige Abgeordnete begannen ihre Beitraege in verschiedenen Sprachen der Ureinwohner. Der Kongress-Besuch der Zapatistas wurde von gleich drei mexikanischen Fernsehsendern live uebetragen. Ein PRD-Abgeordneter zitierte sogar eine Stelle aus einem Werk Octavio Paz’ ueber die Staerke des Zapatismus.

Tatsaechlich hat die Karawane nicht zuletzt dazu beigetragen, den Zapatismus, in Mexiko und weltweit nach einer Zeit relativ starken Zuspruchs bei vielen schon wieder ’aus der Mode gekommen’, zu neuem Leben zu erwecken. Er fand und findet viele Unterstuetzer, aber auch viele Gegner, und es ist kein Zufall, dass die Berichterstattung ueber die Karawane beispielsweise in den USA stark zu wuenschen uebrig liess, denn laut Chomsky handelt es sich um "eine der wichtigsten Volksbewegungen der letzten Jahre, die sich waehrend der neoliberalen Periode weltweit entwickelt hat."

Und nicht zuletzt ist die Zivilgesellschaft aus ihrem Schoenheitsschlaf erwacht und hat sich neu organisiert: in der Vorbereitung der Karawane selbst, der Sicherheit der Comandancia, der Kundgebungen an allen Orten. Bleibt zu hoffen, dass es sich nicht um eine Eintagsfliege handelt und die aufgebauten Strukturen fuer eine Fortsetzung des Kampfes fuer die Rechte der Indígenas und aller Unterdrueckten und Ausgebeuteten bestehen bleiben und ausgebaut werden, so dass der Zapatismus nicht nur auf den T-Shirts und Postern, die in letzter Zeit Hochkonjunktur hatten, bestehen bleibt.

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