Mexiko: Rückkehr der alten Garde

Die PRI hatte Jahrzehnte das Land regiert, kehrt nun mit Vollgas zurück und verpasst der regierenden PAN eine schwere Wahlniederlage

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Auch wenn die Partei der institutionalisierten Revolution (PRI) die Wahlen am Sonntag klar gewonnen hat, wird sich nach den Zwischenwahlen zum mexikanischen Kongress in Mexiko nicht viel ändern. Präsident Felipe Calderón, dessen Partei der Nationalen Aktion (PAN) unter zweifelhaften Umständen 2006 die Wahlen gewonnen hatte, gestand schwere Niederlage ein. Die Linkspartei der Demokratischen Revolution (PRD) stürzte wegen ihrer Zerstrittenheit ab und wurde mit gut 12 % nur noch drittstärkste Kraft. Aussagekräftig ist, dass gut 55 % der 77 Millionen Wähler den Wahlen fernblieben, weil sie den Politikzirkus satt haben.

Inzwischen sind etwa 98 % der Stimmen in Mexiko ausgezählt und es stehen damit gleich zwei Verlierer bei den Zwischenwahlen zum Abgeordnetenhaus fest. Präsident Felipe Calderón und seine PAN wurden für ihre Politik hart abgestraft. Die PAN erhielt statt 37 % vor drei Jahren nun nur noch gut 28 %. Noch schlimmer erging es aber der linken PRD. Statt der gut 36 %, die ihr trotz der Manipulationen 2006 zugesprochen wurden, stürzte sie auf nur noch knapp 12,5 % ab. Dazu erreichten die Arbeiterpartei (PT) und die Konvergenzpartei, die zuvor in Koalition mit der PRD angetreten waren, knapp 3,5 % und knapp 2,5 der Stimmen. Damit übersprangen sie die 2 %-Hürde und sicherten sich ein eigenständiges Überleben.

Eindeutiger Wahlsieger ist die PRI, eine Partei, die mit harter Gewalt, Wahlbetrug und Korruption (Mexikanischer Ex-Präsident geht straffrei aus) das Land von 1929 bis 2000 regierte. Seit ihrer Gründung stellte sie bis im Jahr 2000 die Staatspräsidenten, bis 1989 alle Gouverneure der Bundesstaaten, fast alle Senatoren und die übergroße Mehrheit der Parlamentarier auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene. Bis 1997 hielt sie die absolute Mehrheit.

Mit fast 38 % ist ein Dinosaurier wie ein Phönix aus der Asche Mexikos auferstanden. Denn vor drei Jahren erhielt die PRI gerade noch etwa 21,5 % und fiel zur dritten Kraft ab. So konnte die populäre Parteipräsidentin Beatriz Paredes am Wahlabend frohlocken: "Die PRI ist wieder da: Alle, die uns für tot erklären wollten, haben sich geirrt - wir waren und sind die wichtigste Kraft Mexikos." Statt den bisher 106 Sitzen wird sie mit über 240 Sitzen sogar der absoluten Mehrheit nahe kommen.

Dass die PRI sich erneuert und aus den "Fehlern der Vergangenheit gelernt hat", wie Paredes Link auf http://www.univision.com/contentroot/wirefeeds/50noticias/7987885.html, muss sich noch herausstellen. Ob sie auch 2012 die Präsidentschaftswahlen gewinnen kann, ist unklar. Denn mit ihrer stabilen Anhängerschaft hat sie vor allem von der geringen Wahlbeteiligung von nur knapp 45 % profitiert. Vor allem die linke PRD hatte darunter zu leiden, deren Wähler ihr wegen der Zerstrittenheit den Rücken kehrten. Dass sich die Zahl der Wähler verdoppelt hat, die ungültig gewählt haben sollen, zeigt ebenfalls deutlich, dass viele der 100 Millionen Mexikaner die Nase vom Politikzirkus gestrichen voll haben. In der Hauptstadt, in der die PRD mit einem blauen Auge die Vormachtstellung verteidigen konnte, wurde die größte Zahl an ungültigen Stimmen registriert. Es waren fast 325.000, der Durchschnitt lag mit fast 11 % fast doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt. Für die Wahlkommission handelt es sich um einen Vorgang, der "eingehend zu untersuchen" sei.

Die PAN von Calderón wurde in der Wirtschaftskrise heftig abgestraft, der die Konservativen nichts entgegensetzen konnten. Er hatte sich einst zum “Präsidenten der Arbeitsplätze” deklariert, doch umgesetzt hat er das Versprechen nicht. Fast eine Million Jobs sind schon verloren gegangen und es wird erwartet, dass eine weitere Million im Laufe der Krise verloren gehen.

Die mexikanische Wirtschaft war im ersten Quartal dieses Jahres sogar um 8,2 % geschrumpft. Die Krise hat auch dazu geführt, dass vor allem die vielen in den USA lebenden Mexikaner weniger Geld nach Hause überweisen. Wegen gefallener Ölpreise sind auch die Erlöse aus dem Ölexport stark eingebrochen und damit fließen beiden wichtigsten Einnahmequellen Mexikos schlecht. Zudem hat die Schweinegrippe die Tourismusindustrie in eine tiefe Krise gestürzt.

Viel ändern wird sich aber trotz der schweren Niederlage der PAN nicht

Die PRI wird Calderón wohl weiterhin stützen, der keine eigene Mehrheit hat. In einer Ansprache an die Nation rief er die Parteien auf, mit der Regierung zusammenzuarbeiten. "Unsere Hauptaufgabe ist es, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen." Positiv dürfte sich der PRI-Sieg gegen das Ansinnen des Präsidenten auswirken, auch noch die Ölindustrie zu privatisieren, denn dagegen hat sich der Wahlsieger verwehrt (Mexiko: Kampf gegen die Privatisierung des Energiesektors).

Gelungen ist es Calderón nicht, mit dem Thema "innere Sicherheit" zu punkten. Denn er hat mit seinem Krieg gegen die Drogenmafia versagt. Angesichts der wachsenden Armut im Lande hat er mangels vorzeigbarer Erfolge dieses Problem zum zentralen Wahlthema gemacht. "Überlass Mexiko nicht den Kriminellen. Wähle PAN!", dröhnte es der von der ausufernden Gewalt gebeutelten Bevölkerung entgegen. Seit Calderon die Macht im Land übernommen hat, wurden fast 11.000 Menschen im Drogenkrieg ermordet. Er schickte 50.000 Soldaten in den Kampf, doch bislang war seine Strategie der militärischen Härte erfolglos. Vielmehr wird immer deutlicher, wie unterwandert die Gesellschaft, die korrupte Justiz und die Polizei von der Drogenmafia ist (Ausweitung der Kampfzone). Die beseitigt auch gerne kritische Berichterstatter, ohne dass die Fälle aufgeklärt würden.

Das politische Ende dürfte für den einstigen selbsternannten "Gegenpräsidenten" und PRD-Führer Andrés Manuel López Obrador gekommen sein. Der hatte praktisch nur Wahlkampf für die PT geführt. Trotz seiner Dementis dürfte er die PRD bald verlassen oder wird hinausfliegen. Die Differenzen des selbsternannten "legitimen" Regierungschefs mit dem PRD-Vorsitzenden Jesús Ortega eskalieren zusehends. Der meint allerdings, es sei "keine Katastrophe", dass seine Partei nur noch ein Drittel der Stimmen erhielt und denkt nicht an einen Rücktritt.

Obrador stellte in der gewohnt vollmundigen Art nach der Wahl fest, Mexiko sei "eine simulierte Republik". Die PRI und die PAN teilten sich als "Machtmafia" das Land auf, in dem die Stimmenzettel "gezinkt" würden. Die PRD hat allerdings diesmal die Wahl als weitgehend sauber anerkannt, auch wenn insgesamt 284 Einwendungen eingegangen sind und auf Anordnung des Wahlrats im Bundesstaat San Luis Potosí die Stimmen komplett neu ausgezählt werden müssen.