Basisradios vernetzen Widerstand

In den südmexikanischen Bundesstaaten Oaxaca und Chiapas sprießen unabhängige Lokalsender

  • Philipp Gerber
  • Lesedauer: 4 Min.
Unabhängige lokale Radios sind in Mexiko im Aufwind, insbesondere in den Konfliktregionen Chiapas und Oaxaca. Sie tragen zur Vernetzung des Widerstands gegen Großprojekte bei.

Es gibt wenige gute Nachrichten aus Mexiko, das als südlicher Nachbar der USA wie kaum ein anderes Land unter der Wirtschaftskrise leidet und zudem immer tiefer im Mafiasumpf versinkt. Eine der raren positiven Entwicklungen der letzten Zeit sind die »radios comunitarias«. Im von zwei privaten Fernsehsendern dominierten Medienmarkt schießen seit kurzem Community-Radios wie Pilze aus dem Boden und senden mit oder ohne Bewilligung der Behörden. Nicht nur in Chiapas, wo eben ein Dutzend Radios der Zapatistas auf Sendung gingen, sondern auch in Zaachila, einer rebellischen Gemeinde gleich außerhalb der Stadt Oaxaca.

»Früher klebte die Bevölkerung am Fernsehbildschirm. Doch mit dem Aufstand von 2006 gegen den korrupten und repressiven Gouverneur Ulises Ruiz hörten die Leute auf, den Lügen am Fernsehen zu glauben und wollten sich über andere Kanäle, zum Beispiel Zaachila Radio, informieren. Die Bevölkerung ist kritischer geworden und hat sich verändert«, meint der Aktivist Carlos Rodríguez im Interview in den bescheidenen Installationen des Radios, die aus zwei kleinen Räumen bestehen, einem Studio und einem Sitzungsraum.

2006 fand in Oaxaca ein sechsmonatiger Aufstand gegen das Regime statt, welcher als »Kommune von Oaxaca« in die Geschichte einging. Auch die Bevölkerung der Gemeinde Zaachilla (32 000 Einwohner) protestierte. Sie hielt in ihrem Dorf das Bürgermeisteramt besetzt. Und hörte Tag und Nacht das besetzte Radio Universidad, welches der Bewegung als Sprachrohr diente.

»Das Beispiel von Radio Universidad in der Hauptstadt hat uns zu einer ähnlichen Aktion aufgemuntert«, erklärt Silvino Villareal, unser zweiter Gesprächspartner. Zaachilla beteiligte sich auch in der von der Bevölkerung besetzten Hauptstadt stark an der Widerstandsbewegung: Sie schoben Wache auf den nächtlichen Barrikaden, welche zur Verteidigung gegen die Angriffe durch paramilitärische Gruppierungen errichtet wurden, die Frauen der Bewegung besetzten die lokale Fernsehstation und gingen kurzerhand selber auf Sendung.

Der Aufstand in der Hauptstadt wurde zwar Ende 2006 gewalttätig beendet, doch in der Rebellenhochburg Zaachila konnte das Radio im Folgejahr aus dem Bürgermeisteramt senden, weil die damalige Interimsverwaltung von Leuten der Bewegung gestellt wurde. Bald stellte sich die Frage der Legalisierung. Die Meinungen waren gespalten. Eine Minderheit sprach sich dagegen aus: »Warum eine Erlaubnis für etwas einholen, was uns gehört?« Schließlich ist der Äther Teil der Gemeinde. Doch eine Mehrheit der Versammlung sprach sich für das Beantragen einer Lizenz aus, um das Radio auf eine stabilere Basis zu stellen.

In Zaachila Radio sind heute 300 Leute engagiert, 50 Personen produzieren Beiträge, andere spenden Material oder Bargeld. Das Radio ist werbefrei und Mitglied der AMARC (der weltweiten Vereinigung der Basisradios). Seit gut einem Jahr ist die Radio-Lizenz beantragt, die Bewilligung wird aber von der Regierung verzögert.

Mehrfach waren die Radio-Aktivisten Zielscheibe von Angriffen. Zwischenzeitlich war das Radio durch Störsignale blockiert. Und in den letzten Wochen kam es erneut zu tätlichen Übergriffen auf Journalisten des Basisradios.

Die Störmanöver der Regierung haben einen handfesten ökonomischen Hintergrund, denn die Gemeinderadios spielen eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung von kritischen Informationen über Großprojekte. Ein Beispiel ist das Autobahnteilstück »Libramento Sur«: Eine 60 Meter breite, gebührenpflichtige, da private Umfahrungsstraße südlich von Oaxaca -Stadt soll die Autobahn von Mexiko-Stadt mit der Küste von Oaxaca verbinden. Der Straße müssten in Zaachila 450 Nussbäume geopfert werden, die Grundwasserversorgung droht aus dem Gleichgewicht zu geraten. Auch hätte die Schneise gravierende soziale und ökonomische Schäden. Gerade mal zwei Tunnels sind vorgesehen, für die Bauern würde es schwierig, ihre Felder zu bearbeiten.

Die Blockade der Radio-Frequenz begann just, als der Sender über dieses umstrittene Autobahn-Projekt informierte und so den Widerstand mit aufbaute. Denn zu diesem frühen Zeitpunkt hätten diese Informationen nicht an die Öffentlichkeit gelangen dürfen, schließlich waren noch nicht alle lokalen Behörden der betroffenen Gemeinden genügend eingeseift und gekauft. »Wir haben damit einen empfindlichen Nerv der Regierung getroffen«, schmunzeln die beiden Aktivisten. Momentan ist der Autobahnbau auf Eis gelegt, denn im Juli stehen Gouverneurswahlen an und der Widerstand in Zaachila wird als zu unbequem eingeschätzt. Bescheiden und beharrlich senden die Aktivisten von Zaachila Radio weiter, täglich vier Stunden. Sie sind überzeugt, dass ihr Basisradio zu einem grundsätzlichen Wandel in Mexiko beiträgt.

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