In der Sportanlage Benemerito de las Americas liegen drei Leichen auf dem Basketballplatz. Ein weiterer Toter befindet sich hinter dem angrenzenden Spielplatz. Offenbar hatte er noch versucht, seinen Mördern zu entkommen. Die Mutter des leblosen jungen Mannes ist unschwer auszumachen. Sie liegt weinend in den Armen ihres Mannes und ruft: "Miguelito, mein Junge, steh auf!" Ein anderer Sohn der Familie hat sich auf die Schaukel des Spielplatzes zurückgezogen und schaut sehnsüchtig zum toten Bruder. Im Schmerz der Angehörigen lässt sich der tagtägliche Verlust in Ciudad Juárez ausmachen. Ricardo Muñoz, Reporter des Diario de Juárez , fotografiert schweigend.

Eigentlich ist er für den Sportteil zuständig, doch Sportevents gibt es nicht mehr viele in der Stadt. Tote dafür umso mehr. Allein von sieben hat Muñoz heute Aufnahmen gemacht. "Der Teufel ist von der Kette gelassen", wird der Diario morgen titeln. Diese Woche sind fast 50 Menschen gestorben.

"Der Drogenkrieg stellt den Journalismus in Frage", konstatiert Gerardo Rodriguez, geschäftsführender Direktor der Zeitung und Sohn des Gründers. "Als Journalisten stehen wir zwischen gewalttätigen Kartellen und einem repressiven Staat." Jedes Titelblatt des Diario ziert eine kleine schwarze Schleife. "Präsident Calderón, wir fordern Gerechtigkeit für Armando und Luis", steht darunter. Diario -Journalist Armando Rodriguez wurde im Jahr 2008 vor seinem Haus und den Augen seiner Tochter ermordet. Der 21-jährige Fotograf Luis Carlos Santiago wurde zwei Jahre später in einer Shoppingmall erschossen.

Nur wenige schreiben kritisch über den Drogenkrieg

Zeitungsgründer Oswaldo Rodriguez schrieb im Editorial an die Narcos : "Was wollt ihr von uns?". Doch die Frage blieb unbeantwortet. Der Terror der Kartelle bleibt vage und steht für sich. Auch von polizeilicher Seite gab es keine Antworten. Mexiko ist nach dem Irak für Presseangehörige das gefährlichste Land der Welt.

"Jeder Journalist entscheidet selbst, ob er mit seiner Arbeit fortfährt", erklärt Gerardo Rodriguez. Doch für die meisten ist das Teil der Berufsehre. Jemand muss die Wahrheit berichten." Die Leichen des Krieges sind in Mexikos Medien allgegenwärtig, doch nur wenige schreiben kritisch über diesen Krieg. Im März 2010 verpflichtete die Regierung Calderón Sender und Redaktionen mit einem Abkommen, angesichts des Ausnahmezustandes staatstreu zu berichten.

"Die Regierung will, dass wir Erfolge präsentieren", erklärt Rodríguez und streicht über seinen sorgsam geschnittenen Bart. "Es wird eine mediale Illusion von Gerechtigkeit erzeugt. Ein paar geopferte Bosse und unzählige kleine Fische, während die wahren Strukturen der Kartelle bis hoch in die Regierungsebene gehen. Währenddessen gelten die 50.000 Toten in Mexiko und 10.000 in Ciudad Juárez als 'Kollateralschaden'. Der Tod ist allgegenwärtig."