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Konflikt in Union Hidalgo

Poonal vom 03.06.2003
Von Cornelia Siebeck, Poonal 575 vom 03.06.2003

  (Berlin, 1. Juni 2003, poonal).- Union Hidalgo, ein zapotekisches Fischerdorf nahe der Pazifikküste im mexikanischen Isthmus von Tehuantepec im Bundesstaat Oaxaca. Seit Februar eskaliert hier ein jahrelang schwelender Konflikt zwischen Teilen der Dorfbevölkerung und dem Bürgermeister Armando Sánchez Ruiz von der Partei der Institutionalisierten Revolution PRI (Partido Revolucionario Institucional). Die vorläufige Bilanz: Ein Dorfbewohner wurde getötet, viele verletzt, einige aufgrund falscher Anschuldigungen verhaftet.

Mitte Mai hat die Interamerikanische Menschenrechtskommission die mexikanische Regierung daher aufgefordert, die Geschehnisse in Union Hidalgo zu untersuchen. Dadurch aufgeschreckt und anlässlich einer mehrtägigen Mahnwache von Bürgern aus Union Hidalgo in Mexiko-Stadt, versprach Ricardo Sepúlveda, zuständig für den Bereich Menschenrechte im Innenministerium, sich um die Lösung des Konfliktes zu bemühen.

Die Bevölkerung von Union Hidalgo verdächtigt den Bürgermeister Sánchez Ruiz unter anderem, öffentliche Gelder zu veruntreuen. Als Oppositionsbewegung wurde daher im Februar der Consejo Ciudadano Unionhidalguense CCU gegründet. Bei einer Demonstration der Dorfbevölkerung gegen die lokale Regierung vor dem Rathaus, feuerte die Polizei einige Tage später auf Geheiß des Bürgermeisters in die Menge. Dabei wurde ein Dorfbewohner getötet und neun weitere verletzt. Seitdem dreht die Spirale der Gewalt sich immer weiter.

Laut CCU haben Sánchez Ruiz und seine Mitarbeiter das Dorf seit der Demonstration nicht mehr betreten. Von der nahegelegenen Kreisstadt Juchitán aus werde die Bevölkerung aber mithilfe der lokalen Polizei terrorisiert. Dorfbewohner seien brutal geschlagen worden, als sie in Wandbildern ihre Meinung ausdrücken wollten.

Der CCU fordert von der ebenfalls PRI-bestimmten oaxaqueñischen Regierung die Absetzung des Bürgermeisters und seiner Mitarbeiter, sowie eine Untersuchung und juristische Ahndung des Vorgehens gegen die Demonstranten. Da die Regierung dem bisher nicht nachkam, beschloss eine Dorfversammlung am 13. April, den Forderungen Nachdruck zu verleihen: Vorerst sollen in Union Hidalgo keinerlei von der lokalen Regierung initiierten öffentlichen Arbeiten zugelassen werden.

200 Dorfbewohner hinderten daher am 12. Mai Ingenieure und Bauarbeiter daran, die Straßen im "barrio de los palmeros" zu asphaltieren. Am nächsten Vormittag kamen die Bauarbeiter wieder, diesmal von 40 Polizisten eskortiert, zwei davon schwer bewaffnet. Die Situation eskalierte, zwölf Dorfbewohner wurden schwer verletzt, zwei davon durch Schüsse. An den Eingängen zum Dorf wurden Polizisten stationiert.

Am 14. Mai wurde Carlos Manzo, einer der Hauptaktivisten des CCU, beim Verlassen einer Bank in der Kreisstadt Juchitán verhaftet. Ihm wurden Freiheitsberaubung und Raub zur Last gelegt, später auch versuchter Totschlag. Um gegen die Festnahme Manzos zu protestieren, blockierten 300 Dorfbewohner am folgenden Tag die Durchfahrtsstrasse Panamericana in der Nähe des Dorfes. Ohne vorherige Ankündigung wurde der friedliche Protest von verschiedenen Polizeieinheiten brutal niedergeschlagen, unter anderem wurde dabei Tränengas eingesetzt. Luis Alberto Marin, ebenfalls ein CCU-Aktivist, wurde verhaftet.

Gegen weitere 37 Mitglieder des CCU liegen jetzt Haftbefehle vor. Außerdem werden in Union Hidalgo immer wieder unbekannte bewaffnete Gruppen gesichtet, die die Bevölkerung einschüchtern sollen. Die Atmosphäre ist so angespannt, dass der CCU beim Staatlichen Wahlinstitut und beim Innenministerium die Suspendierung der am 6. Juli bevorstehenden Wahlen beantragte. Auch die Parteien wurden aufgefordert ihren Wahlkampf in Union Hidalgo auszusetzen, bis der Konflikt gelöst ist. Einzig der PRI-Kandidat hat laut CCU seitdem versucht, im Dorf eine Wahlkampfveranstaltung abzuhalten, wurde aber von der Bevölkerung am Betreten des Dorfes gehindert.

Der Hintergrund der Konfrontation in Union Hidalgo ist wie so oft in den ländlichen Gegenden Mexikos ein Konflikt um das Gemeindeland. Eine private Firma will hier in einer seit Jahrhunderten kollektiv und nachhaltig befischten Lagune eine industrielle Garnelenzucht einrichten. Die Firma eignete sich zu diesem Zweck mit gefälschten Kaufverträgen illegal Gemeindeland an, das traditionell in kollektivem Besitz ist. Würde die Garnelenzucht tatsächlich realisiert, würde das gesamte Ökosystem aus Lagune und Mangrovenwäldern innerhalb von zehn bis 15 Jahren zerstört. Noch schneller ginge die lokale Subsistenzwirtschaft in Union Hidalgo endgültig zugrunde. Deren wichtigster Bestandteil ist Fischerei ist, die den Menschen jetzt schon nur gerade mal das Überleben in größter Armut erlaubt.

Bürgermeister Sánchez Ruiz unterstützt die geplante Garnelenzucht. Laut Mitglieder der lokalen Nichtregierungsorganisation gubiña 21 ist er als Genossenschafter, der das Projekt betreibenden Firma an schnellem Gewinn interessiert. Seinen Bürgermeisterposten habe er durch Stimmenkauf mit dem Ziel erworben, die Garnelenzucht zu errichten.

Die vom Bürgermeister bekämpften CCU-Aktivisten ihrerseits sind in der Mehrzahl schon seit Jahren im Widerstand gegen die Garnelenzucht aktiv. Das Projekt wird von ihnen als eines von vielen Projekten im Rahmen des Plan Puebla Panamá begriffen. Dieser von der mexikanischen Regierung auch als Grundlage für das gesamtamerikanische Freihandelsabkommen ALCA (Area de Libre Comercio de las Américas ) entwickelte Industrialisierungs- und Infrastrukturplan für den Süden Mexikos wird von der mexikanischen Regierung, der Interamerikanischen Entwicklungsbank und der Weltbank zwar als nachhaltige Entwicklungsstrategie propagiert, de facto hat er jedoch die endgültige Zerstörung der Lebensgrundlagen vor allem der hier lebenden Indigenas zur Folge.


Quelle: poonal
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