Kritik an Mexikos Justiz

Zwischen 1985 und 2009 sind in Mexiko rund 34 000 Frauen getötet worden. Die Gewalt gegen Frauen nimmt weiterhin zu. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft den Behörden vor, sich des Problems nicht ernsthaft anzunehmen.

Nina Fargahi
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Dutzende von roten Schuhen wurden durch die Künstlerin Elina Chauvet zu Ehren der Hunderten von Frauen und Mädchen ausgestellt. (Bild: STRINGER/Reuters)

Dutzende von roten Schuhen wurden durch die Künstlerin Elina Chauvet zu Ehren der Hunderten von Frauen und Mädchen ausgestellt. (Bild: STRINGER/Reuters)

Amnesty International hat in einem neuen Bericht an den Uno-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (Cedaw) die Gewalt gegen Frauen in Mexiko thematisiert. Die Menschenrechtsorganisation wirft den politischen Behörden und der Justiz Mexikos vor, sich des seit Jahrzehnten bestehenden Problems immer noch nicht ernsthaft angenommen zu haben.

34 000 Frauen seit 1985

Der Amnesty-Bericht stützte sich unter anderen auf verfügbare Daten des offiziellen Statistikinstituts in Mexiko und auf Informationen lokaler Frauenorganisationen. Trotz bestehenden Gesetzesartikeln zur Bestrafung von Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen habe sich die Situation in den letzten Jahren nicht verbessert, sondern sogar verschlechtert, so beurteilt Amnesty die Lage. Die Organisation zitiert den United Nations Development Fund for Women, das nationale Fraueninstitut in Mexiko sowie die parlamentarische Sonderkommission für Frauenmorde, wonach zwischen 1985 und 2009 mindestens 34 000 Frauen in Mexiko getötet worden sind. Ergänzend zum Bericht weist Amnesty darauf hin, dass das Jahr 2010 die höchste Mordrate aufweise: Rund 2418 Gewaltverbrechen an Frauen seien allein 2010 begangen worden, darunter 320 in Ciudad Juárez, der nordmexikanischen Grenzstadt. Von Januar bis März dieses Jahres seien mindestens 13 Leichen von jungen Frauen in Valle de Juarez ausserhalb der Stadt gefunden worden.

Amnesty äusserte in dem Bericht die Befürchtung, dass diese Mordfälle nicht angemessen untersucht würden und immer noch nicht die Beachtung erhielten, die notwendig sei. Die mexikanischen Behörden hätten im März 2012 zugegeben, dass rund 115 Fälle von verschwundenen Frauen seit 1993 ungelöst geblieben seien. Nach Angaben von Amnesty weisen die verfügbaren Daten auf spezifisch frauenfeindliche Verbrechen hin: «Die Studie zeigt, dass dreimal so viele Frauen wie Männer durch brutale Gewaltverbrechen sterben.»

Schwere Vorwürfe

Die Behörden, so kritisiert die Menschenrechtsorganisation, hätten es versäumt, konkrete Massnahmen zu ergreifen, Untersuchungen so früh wie möglich einzuleiten, Autopsien anzuordnen und Beweismaterial aufzubewahren. Weil die Tötungen bis heute unaufgeklärt andauern, werden der mexikanischen Justiz Inkompetenz, Korruption und Frauenverachtung vorgeworfen. Nicht nur Amnesty International hat sich zu den Frauenmorden an den Uno-Ausschuss gewendet, sondern auch lokale mexikanische Menschenrechts- und Frauenorganisationen. Rund zwanzig Berichte, die Mexiko betreffen, wurden dem Cedaw für die Session vorgelegt. Die Konferenz dauerte vom 9. bis zum 27. Juli. Der Uno-Ausschuss empfing in New York unter anderen eine mexikanische Delegation, die von María del Rocío García Gaytán angeführt wurde, der Präsidentin des nationalen Fraueninstituts Mexikos.

In einer zwölfseitigen Stellungnahme räumt García Gaytán unter anderem ein, dass Mexiko sich intensiv dem Kampf gegen das organisierte Verbrechen gewidmet habe und die Gewalt gegen Frauen eine der grössten Herausforderungen für die mexikanischen Behörden sei. Es seien nicht nur Gesetze geschaffen worden, denen vermehrt Nachachtung zu verschaffen sei. Man habe im Kampf gegen die Gewalt an Frauen auch eine Reihe von speziellen Institutionen geschaffen, so etwa eine besondere Staatsanwaltschaft, eine nationale Kommission sowie Opferhilfestellen. Viele betroffene Mädchen und Frauen, so etwa Indígenas, hätten derweil keinen Zugang zur Justiz, heisst es in der besagten Stellungnahme. Auch in diesem Bereich seien vermehrt Anstrengungen nötig.