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Drogen in Mexiko: Der zermürbende Krieg gegen die Kartelle

Foto: EDGARD GARRIDO/ REUTERS

Ermordete Umweltaktivistin Mexiko verliert seine Heldinnen

Sie hat sich Drogenkartellen in den Weg gestellt und dafür mit dem Leben bezahlt: Eine mexikanische Umweltaktivistin wurde erschossen - trotz Polizeieskorte. Menschenrechtler kritisieren die Behörden, die die Heldinnen des Landes nicht schützen können.

Hamburg - Der Kampf gegen Drogenbanden hatte Juventina Villa Mojica schon ihren Mann, zwei Kinder und weitere Verwandte gekostet. Mehr als 20 Familienmitglieder der mexikanischen Umweltschützerin sollen seit 2011 getötet worden sein, sie selbst erhielt zahlreiche Morddrohungen. Nun ist die Aktivistin den Verbrechern zum Opfer gefallen: Juventina Villa Mojica wurde am Mittwoch im Süden Mexikos erschossen. Mit ihr starb ihr Sohn.

Die Aktivistin war laut Behörden des Bundesstaats Guerrero mit ihrem Sohn Reynaldo in einer bergigen Gegend im Auto unterwegs, als der Angriff erfolgte. Es sei ein Kugelhagel gewesen, so die offiziellen Stellen. Villa Mojica sei mit einem Geländewagen einen Berg hinaufgefahren, um von dort zu telefonieren, da es in ihrem Dorf keinen Handy-Empfang gebe.

Der Angriff erfolgte, obwohl Villa Mojica von einer Polizeieskorte begleitet wurde. Fünf Polizisten fuhren laut Behörden in einem gesonderten Fahrzeug, fünf weitere begleiteten den Tross zu Fuß, waren aber nicht in ihrer unmittelbaren Nähe. Villa hatte demnach ihr Auto verlassen und war zu Fuß unterwegs, als die Schüsse fielen.

Mindestens 30 Angreifer waren nach Angaben örtlicher Menschenrechtsaktivisten beteiligt. Demnach befand sich auch Villa Mojicas siebenjährige Tochter in dem Auto, blieb aber unverletzt.

Region entwalden, um Drogen anzubauen

Villa Mojica und ihr Mann hatten mehr als 20 Jahre lang eine Gruppe von Farmern in dem Ort La Laguna in der Gemeinde Coyuca de Catalan geführt, einer Gegend, in der auch Drogenbanden aktiv sind. Seit dem Jahr 1998 liefern sich beide Seiten häufig gewaltsame Auseinandersetzungen.

"Es ist eine unberührte Gegend mit viel Wald, und das Hauptinteresse der Drogenbanden besteht darin, Bäume zu fällen und die Region zu entwalden, damit sie dort irgendwann ihre Drogen anbauen können", sagte Umweltaktivist Manuel Olivares. Als Villa Mojica und ihr Mann sich den Kriminellen in den Weg gestellt und ein Abholzen des Waldes verhindert hätten, seien sie ins Visier der Gangster geraten.

Nach Villa Mojicas Tod stehen die Sicherheitsbehörden in der Kritik. Die Regierung des Bundesstaats Guerrera habe 31 Polizisten zur Verfügung gestellt, um La Laguna zu schützen, doch Villa Mojica und andere hätten um eine Umsiedlung gebeten. "Wir haben der Regierung verdeutlicht, dass die Menschen dringend aus der Region gebracht werden müssten, aber wir erfuhren wenig Hilfsbereitschaft", sagte Olivares.

Das Tlachinollan-Zentrum für Menschenrechte schrieb in einer Erklärung, der Tod von Villa Mojica und ihrem Sohn hätte verhindert werden können, wenn Behörden "die Hilferufe der Gewaltopfer erhört hätten". Die Aktivistin selbst hatte Lokalmedien zufolge Anfang November die Behörden kritisiert, nachdem zwei ihrer Neffen getötet worden waren und mehrere Dorfbewohner Morddrohungen erhalten hatten.

Die Regierung wies die Kritik mit der Begründung zurück, die Probleme hätten ihren Ursprung in der Zeit vor ihrer Zuständigkeit, also vor Anfang 2011. "Die aktuellen Konflikte reichen mindestens 15 Jahre zurück", hieß es in einer Erklärung. 31 Polizisten seien zum Schutz im Einsatz - Villa Mojicas Tod sei darauf zurückzuführen, dass sie die Sicherheit des Dorfes verlassen habe.

Ebenfalls ermordet: Bürgermeisterin Maria Santos Gorrostieta

Seit Jahren herrscht ein brutaler Drogenkrieg. Rund 60.000 Menschen starben dabei seit 2006.

Bürgermeister, Polizisten, Aktivisten - wer in Mexiko gegen die Drogenkartelle kämpft, befindet sich ständig in Lebensgefahr. Das gilt für Frauen ebenso wie für Männer. Mexiko hat schon mehrere seiner Heldinnen im Kampf gegen Drogenkartelle verloren.

Erst vor kurzem wurde eine weitere Frau ermordet, die Drogenbanden die Stirn geboten hatte: Maria Santos Gorrostieta, von 2008 bis 2011 Bürgermeisterin von Tiquicheo. Die Leiche der 36-Jährigen wurde Mitte November an einer Autobahn im westlichen Bundesstaat Michoacan gefunden. Ihre Hände waren gefesselt, der Körper wies unzählige Verletzungen auf.

Santos Gorrostieta hatte jahrelang gegen Verbrecher gekämpft - trotz mehrerer Anschläge auf ihr Leben und das ihrer Familie. Bei einer Schießerei im Oktober 2009 wurde ihr Mann getötet. Doch Santos Gorrostieta ließ sich nicht zum Schweigen bringen. Sie blieb im Amt, Landsleute lobten sie als "Heldin des 21. Jahrhunderts". Im Januar 2011 unterstrich sie ihre Position mit einem starken Bild: Sie zeigte Fotografen die Ergebnisse der Attacken - Narben am Arm, seitlich der Brust und oberhalb der Hüfte. Außerdem hatte sie aufgrund einer Verletzung einen künstlichen Darmausgang bekommen.

Ihre Mörder kannten offenbar ihre Lebensgewohnheiten. Als Maria Santos Gorrostieta am 12. November angegriffen wurde, fuhr sie das jüngste ihrer drei Kinder gerade zur Schule. Lokalen Medienberichten zufolge flehte sie die Angreifer an, ihr Kind zu verschonen, und ging mit ihnen. Die Familie hoffte erst noch, die Entführte werde wieder freigelassen. Doch einige Tage später wurde ihr geschundener Körper gefunden.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, Maria Santos Gorrostieta sei von 2008 bis zu ihrem Tode Bürgermeisterin von Tiquicheo gewesen. Ihre Amtszeit endete jedoch schon 2011.

siu/AP
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