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Staatsanwaltschaft: Anwältin Ochoa nahm sich das Leben

Poonal vom 22.07.2003
Von Gerold Schmidt, Poonal 583 vom 22.07.2003

  (Mexiko-Stadt, 20. Juli 2003, npl).- Die offizielle Schlussfolgerung der Justiz am vergangenen Samstag (19. 7.) war nach zuvor durchgesickerten Informationen nicht mehr überraschend, aber deswegen nicht weniger umstritten: Laut Sonderstaatsanwältin Margarita Guerra nahm sich die am 19. Oktober 2001 erschossen in ihrem Anwaltsbüro in Mexiko-Stadt aufgefundene Menschenrechtsaktivistin Digna Ochoa "aus persönlichen Motiven" selbst das Leben.

Die Familienangehörigen sowie viele Organisationen und Einzelpersonen gehen dagegen weiterhin von einem politisch motivierten Mord aus. Von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission vor einigen Wochen aufgelistete Verfahrensmängel sorgen für noch mehr Diskussionen um das Urteil. Der Tod Ochoas hatte vor knapp zwei Jahren auch international für Aufsehen gesorgt.

Für Staatsanwältin Guerra ist der Fall nach "strenger Untersuchung der Beweise" klar und im Vorausgriff auf mögliche Vorwürfe "kein Produkt der Einbildung". Wie ihr Vorgänger bei der Untersuchung schließt sie ein Mordkomplott durch Militärs oder Lokalfürsten, deren Interesse Ochoa mit ihrer Menschenrechtsarbeit in ihrem Heimatbundesstaat Guerrero im Wege stand, genauso aus wie Täter aus dem persönlichen Umfeld.

Körperhaltung beim Tod, die sich im Eigentum Ochoas befindliche Tatwaffe und bis auf zwei Körpereinschüsse fehlende weitere Anzeichen von äußerer Gewaltanwendung sind einige der Indizien, die die Ermittlungsbehörden der mexikanischen Hauptstadt zur der Überzeugung kommen ließen, Ochoa habe sich selbst umgebracht. Daneben führen sie psychologische Gutachten an, nach denen die Menschenrechtlerin "unberechenbar in ihren Entscheidungen" und "instabil in persönlichen Beziehungen" gewesen sein soll sowie eine geringe Selbstachtung aufgewiesen habe.

Ihre Angehörigen, Freunde und andere Gruppen bestreiten diese Einschätzung. Sie stellen auch die Kaltschnäuzigkeit von Ochoa in Frage, sich zur Vortäuschung eines Mordes zuerst in einen Muskel und dann mit einer zweiten Kugel in den Kopf zu schießen. Für sie sind die Angaben der Staatsanwaltschaft ein Versuch, Unzulänglichkeiten bei den Ermittlungen zu übertünchen.

Die Anwältin Barbara Zomara, die den Fall in der ersten Phase der Untersuchungen für die Familie Ochoa vertrat, nennt den Schlussbericht eine "Schmach" und "lächerlich". Sie glaubt fest daran, dass die Menschenrechtlerin und Kollegin umgebracht wurde. Bei früherer Gelegenheit hatte sie wie mehrere Menschenrechtsorganisationen den Verdacht geäußert, die Behörden könnten oder wollten mögliche politische Hintergründe nicht tiefgehender verfolgen.

Zu den Kritikern gehört auch die Menschenrechtskommission von Mexiko-Stadt. In einer Pressekonferenz in der Hauptstadt erklärte deren Präsident Emilio Alvarez Icaza, es existierten begründete Zweifel über den Ermittlungsprozess. Für ein abschließendes Urteil gäbe es derzeit keine juristische Gewissheit. Er erinnerte daran, dass seine Kommission bereits im vergangenen Jahr auf Untersuchungsmängel bei Drohungen gegen Menschenrechtler, darunter konkret Digna Ochoa, hingewiesen habe, ohne bis heute von der Staatsanwaltschaft eine Antwort bekommen zu haben.

Jesus Ochoa, der Bruder der Toten, berichtete, Guerra habe von den Familienanwälten noch am 6. Mai vorgelegte, einen Mord nahelegende, Indizien nicht akzeptiert. Die Familie hat bereits angekündigt, gegen die Resolution der Sonderstaatsanwältin bei der Bundesjustiz Einspruch einzulegen. Sollte dies keinen Erfolg haben, könnte der Fall bis vor den Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof kommen.

Die verbreitete Skepsis gegenüber der Suizid-These ist unter anderem der Vorgeschichte Ochoas geschuldet. Morddrohungen gegen sie gab es seit 1998. Die Anwältin war deswegen mehrere Monate in die USA gegangen, aber trotz gegenteiliger Ratschläge von Menschenrechtsorganisationen wieder nach Mexiko zurückgekehrt. Dort setzte sie Arbeit fort. Kurz vor ihrem Tod engagierte sie sich für die Sache von Ökobauern im Bundesstaat Guerrero, die sich gegen ein Holzunternehmen zur Wehr setzen. Zwei ihrer Führer saßen damals im Gefängnis, nachdem sie vom Militär festgenommen und anschließend mit konstruierten Anklagen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden.

Aussicht, in Guerrero größere Unterstützung für die Aufklärung des Todes von Ochoa zu bekommen, bestand für die Justizbehörden der Hauptstadt nicht. Die Akte mit der Suizid-Entscheidung zu schließen, so ein mehr oder weniger offen ausgesprochener Vorwurf, war der einfachste Weg.


Quelle: poonal
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