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Kampf gegen Drogenbanden: Mexikanische Bürgerwehren greifen zur Selbsjustiz

Foto: Bernandino Hernandez/ AP

Selbstjustiz mexikanischer Bürgerwehren "Wir werden die Stadt säubern"

Drogenbanden verbreiten seit langem Angst und Schrecken in Mexiko. Im Bundesstaat Guerrero greifen Bürgerwehren nun zur Selbstjustiz: Sie gehen Streife, nehmen Verdächtige fest und lassen diese von eigenen Gerichten aburteilen. "Es gibt kein anderes Mittel", sagen sie.

Mexiko-Stadt - Im Bergdorf El Meson im Südwesten von Mexiko wird ein Gefangener auf dem Dorfplatz vorgeführt. Ein Volkstribunal will ihm den Prozess machen. Die Vorwürfe lauten auf Mord und Verstümmelung. Der Beschuldigte ist einer von 47 Männern, vier Frauen und zwei Minderjährigen, die von Bürgermilizen gefangengehalten werden. Angesichts der Gewalt der Drogenkartelle und der Untätigkeit der Behörden nehmen die Maisbauern in den Bergen des Bundesstaates Guerrero seit Anfang des Jahres die Justiz selbst in die Hand.

Angst und Schrecken verbreiten die Banden schon lange. Doch seit der Entführung von Eusebio Alberto Garcia am 5. Januar ist alles anders. Der Ortsvorsteher der Gemeinde Rancho Nuevo wurde verschleppt, weil er die Bauern des Dorfes dazu aufgerufen hatte, kein Schutzgeld mehr an die Kartelle zu zahlen. Einen Tag später griffen die Bürger zu den Waffen und befreiten ihn.

Seitdem tragen Hunderte Menschen in dem Bundesstaat Jagdgewehre und Macheten, gehen Streife auf den Straßen und nehmen eigenmächtig Verdächtige fest. Manche Mitglieder dieser Bürgerwehren sind kaum 14 Jahre alt und oft nur mit Bandanas - quadratischen Tüchern - oder Skimützen maskiert. "Die Behörden kommen ihren Aufgaben nicht nach", sagt Priester Mario Campos Hernandez. "Also nehmen die Leute Recht und Gesetz selbst in die Hand."

"Sie werden ihre Schuld an der Gesellschaft wiedergutmachen"

Bei dem Tribunal auf dem Dorfplatz werden die Vorwürfe verlesen - vor mehreren hundert bewaffneten und maskierten Bürgern sowie Angehörigen von Opfern und Angeklagten: Bandenzugehörigkeit, Mord, Entführung, Schutzgelderpressung und Drogenhandel. Ein zwölfjähriger Zeuge erzählt, wie ein Bandenführer ihn zum Auftragskiller ausbilden wollte. "Ich sah, wie er Menschen folterte, wie er sie tötete, wie er sie verstümmelte", sagt der Junge.

Von den Einwohnern bestimmte Richter sollen die Verdächtigen nun aburteilen. "Wir werden die Stadt komplett säubern", sagt ein 27-jähriger Maskierter, der sich als Regionalkommandant vorstellt. "Die Leute wollen sie tot sehen, aber wir haben ein humanitäres Ziel. Sie werden ihre Schuld an der Gesellschaft wiedergutmachen." So sehen manche Strafen jahrelange Zwangsarbeit vor.

Innenminister Miguel Angel Osorio Chong lässt inzwischen verlautbaren, Bürgerwehren "können in diesem Land keine Selbstjustiz üben", sagt andererseits aber auch, sie könnten den Behörden helfen. Im Kampf gegen die Drogenkartelle wurden 2006 rund 50.000 Soldaten im ganzen Land stationiert. Seither starben mehr als 70.000 Menschen bei skrupellosen Revierkämpfen.

In den Bundesstaaten Michoacán und Chihuahua weiter im Norden gibt es Dörfer, die schon vor Jahren Kontrollpunkte errichteten. Vor einigen Tagen wurde der Bürgermeister der Stadt Nahutzen in Michoacán erschossen, als er mit seiner Frau in einem Restaurant beim Frühstück saß. Wilfrido Flores Villa hatte sich nach Angaben anderer Bürgermeister geweigert, Schutzgeld zu zahlen.

Das Leben in den Gemeinden von Guerrero ist laut Einheimischen sicherer geworden, seit Bürgerwehren auf Streife unterwegs sind. "Es gibt kein anderes Mittel", sagt ein 25-jähriger Familienvater, der nachts mit rund 30 anderen Männern an einem Kontrollpunkt in Tecoanapa Wache schiebt. "Wir wollen in Frieden leben und schlafen." Auch die 19-jährige Monserrat Martinez sagt: "Jetzt hat sich die Lage beruhigt. Vorher sah man niemanden auf der Straße. Die Nacht gehörte den Kriminellen."

wit/AFP