Schnellnavigation

Listenmoderator

Die Liste wird von PCl moderiert.

Webmaster

chiapas.eu powered by KADO.

Mastodon

social.anoxinon.de/@chiapas98

Biopiraterie - eine neue Bedrohung fuer indigene Rechte und Kultur in Mexiko

News vom 02.04.2001
aus Chiapas98 Nr. 24

  Waehrend der letzten 500 Jahre waren die indigenen Kommunen vielen Angriffen ausgesetzt. Sie erduldeten Kolonisation, Verarmung, Marginalisierung und in den letzten Jahren eine zunehmende Militarisierung. Die ueberwiegend indigenen suedlichen Staaten wurden wegen ihrer Reichtuemer seit Jahrhunderten ausgebeutet, wegen Reichtuemern wie Mais, Zucker, Kaffee, Oel und Wasserkraft. Nun stehen Mexico’s indigene Voelker einem neuen Angriff gegenueber — mehr subtil, aber nicht weniger gefaehrlich: Biopiraterie.
Mexico ist ein Land ausserordentlicher ethnischer und biologischer Vielfalt. Diese Vielfalt, eine Schluesselressource fuer Nahrungsmittel, pharmazeutische und landwirtschaftliche Produkte, birgt nun ein Gefahrenpotential in sich. Mexico ist im Fadenkreuz der pharmazeutischen und biotechnologischen Unternehmen, die darauf aus sind, das "gruene Gold" der Region zu ernten und das indigene Wissen, das damit verbunden ist, anzuzapfen.

1. Was ist Biopiraterie?

Biopiraterie ist die illegale Aneignung von Leben — Mikroorganismen, Pflanzen und Tieren (einschliesslich Menschen) — und des traditionellen Wissens, das damit verbunden ist. Biopiraterie ist illegal, weil sie unter Verletzung internationaler Konventionen und (sofern sie existieren) entsprechenden nationalen Gesetzen, die rechtmaessigen Nutzer lebendiger Materie bzw. das zu deren Vermehrung und Nutzung notwendige traditionelle Wissen nicht respektiert bzw. nicht honoriert. Biopiraterie funktioniert normalerweise durch Anwendung intellektueller Urheberrechte (Intellectual Property Rights, IPR) auf genetische Ressourcen und traditionelles Wissen.

2. Was ist "Bioprospection" und im welchem Verhaeltnis steht dies zu Biopiraterie?

Bioprospection ist die Suche nach biologischen Reichtuemern und dem dazugehoerigen indigenen Wissen — hauptsaechlich zum Zweck der kommerziellen Ausbeutung. Als solches stellt Bioprospection keine unmittelbare Bedrohung der Interessen der indigenen Voelker oder der Biodiversitaet dar, beguenstigt jedoch Biopiraterie. Mit anderen Worten, Bioprospection identifiziert biologische Ressourcen und traditionelles Wissen mit kommerziellem Potential, waehrend Biopiraterie sich diese Ressourcen und das dazugehoerige Wissen zum Zweck geschaeftlichen Gewinns aneignet, ohne von den rechtmaessigen Eigentuemern eine vorherige qualifizierte Zustimmung (Prior Informed Consent, PIC) einzuholen und ohne ihnen eine gerechte Entschaedigung zu gewaehren.

3. Warum ist Biodiversitaet eine strategische Ressource und wieso ist sie bedroht?

Der Begriff Biodiversitaet (Biologische Vielfalt), bezieht sich auf die Existenz einer breiten Palette von Arten, die in einem gegebenen Oekosystem existieren und das Rueckgrat fuer die Grundversorgung mit Nahrungs- und Heilmitteln darstellen. Als Quelle fuer Grundmaterialien bzw. aktive Komponenten zahlreicher kommerzieller Produkte — Nahrungsmittel, Saatgut, Pharmazeutika, Kosmetika, Agrochemikalien, Erzeugnisse der Biotechnologie und der Veterinaermedizin — wird Biodiversitaet inzwischen als wichtige strategische Ressource mit einem wirtschaftlichen Potential anerkannt, das dem von Erdoel oder Uran gleichzusetzen ist. Die strategische Bedeutung von Biodiversitaet erhoeht sich durch das Potential der Wachstumsbranche Gentechnologie. In Verbindung mit der Entwicklung moderner Technologie und der Ausbeutung traditionellen Wissens, hat Biodiversitaet ein ausserordentlich lukratives Marktpotential. Der Handel mit biologischen Produkten und (Verarbeitungs-)prozessen umfasst inzwischen rund die Haelfte der Weltoekonomie, mit Profiten, die sich in der "Life Science"- Industrie konzentrieren (Nahrungsmittel- und pharmazeutische Industrie, Agrobusiness). Die folgenden statistischen Angaben (jaehrlicher Nettoumsatz in US$) verdeutlichen die strategische Position der Biodiversitaet im 21. Jahrhundert (Quellen: RAFI, Wall Street Journal, Agriculture News- 2000):

Nahrungsmittel: 2-3 Billionen
Land- und Forstwirtschaft: 300-400 Mrd.
Pharmazeutika: 300 Mrd.
Agrochemie: 35 Mrd.
Kommerzielles Saatgut: 23 Mrd.
Biotechnologie: 23 Mrd.
Veterinaermedizinische Produkte: 19 Mrd.
Kosmetik: 15 Mrd.

Etwa 90% der verbleibenden Biodiversitaet der Welt befinden sich in tropischen und subtropischen Regionen der Entwicklungslaender, zumeist auf der suedlichen Hemisphaere. Das Worldwatch Institute beschreibt wegen ihres ausserordentlich hohen Niveaus an kultureller und biologischer Vielfalt sowie aufgrund der hohen Anzahl endemischer (nur dort vorkommender) Pflanzenarten folgende Laender als Regionen der "Mega- Diversitaet": Mexico, Brasilien, Indien, Indonesien, Australien und die Demokratische Republik Kongo. Es ueberrascht nicht, dass sich Biopiraterie auf diese "Mega-Diversitaets"-Laender konzentriert.

Biodiversitaet wird von einer Summe von Faktoren bedroht, zu denen globale Erwaermung (CO2-Emission), hemmungsloser industrieller Holzeinschlag, Versteppung/Verwuestung, Erdoelgewinnung, Bergbau, genetische Kontamination (durch Verwendung genetisch modifizierter Pflanzen), der Handel mit bedrohten Arten und das Verschwinden traditioneller Kulturen gehoeren. Der Verlust an Biodiversitaet hat zwar weltweite Bedeutung, am schwersten sind jedoch die indigenen und doerflichen Gemeinden betroffen, deren Lebensgrundlage und Oekonomie davon abhaengen. Das Verschwinden indigener Kulturen bedeutet zugleich den Verlust kulturellen Reichtums der Menschheit sowie den Verlust traditionellen Wissens, das fuer eine nachhaltige Nutzung von Biodiversitaet erforderlich ist. Um das Jahr 1900 wurden in der Welt schaetzungsweise 10.000 Sprachen gesprochen, von denen bis heute nur ca. 6.700 ueberlebt haben. Anthropologen sagen voraus, dass 90% der Sprachen die zur Zeit gesprochen werden im Jahr 2099 verlorengegangen sein werden ("The ETC Century, Pat Roy Mooney, RAFI, 2000). "Als Ergebnis dieser kulturellen Erosion, werden Mitte des 21. Jahrhunderts nahezu alle Oekosysteme der Welt von Voelkern bewohnt sein, denen die indigene Sprache fehlt, um die verbleibende Diversitaet zu schuetzen und zu nutzen" (Ibid.).

4. Die "life science"-Industrie

Firmen der biomedizinischen Industrie und des Agrobusiness sind die hauptsaechlichen Biopiraten. Nachstehende Tabelle weist den Marktanteil der 10 groessten Firmen dieses Sektors aus und illustriert deren monopolistische Kontrolle ueber Schluesselmaerkte:

Nettoumsatz (Mrd. US$) der 10 groessten Pharmakonzerne und des Agrobusiness

Agrochemie

(01) Aventis (1/4) 4,5 Mrd.
(02) Novartis (7) 4,2 Mrd.
(03) Monsanto (2) 3,1 Mrd.
(04) AstraZeneca (3/9) 2,7 Mrd.
(05) Dupont (2) 2,5 Mrd.
(06) Bayer (4) 2,3 Mrd.
(07) Dow Agrosciences 2,2 Mrd.
(08) American Home Products (2) 2,1 Mrd.
(09) BASF (4) 1,9 Mrd.
(10) Sumitomo (6)

Saatgut
(01) Dupont [Pioneer] (2) 1,8 Mrd.
(02) Pharmacia [Monsanto] (2) 1,7 Mrd.
(03) Syngenta [Novartis] (7) 0,9 Mrd.
(04) Group Limagrain (7) 0,7 Mrd.
(05) GrupoPulsar (Seminis) (5) 0,5 Mrd.
(06) Advanta (3) 0,4 Mrd.
(07) Sakata 0,4 Mrd.
(08) KWS AG *) (4) 0,4 Mrd.
(09) Grand Metropolitan (3) 0,3 Mrd.
(10) Delta&Pine Land (2) 0,3 Mrd.

Nahrungs- und Genussmittel

(01) Nestlé (7) 45,4 Mrd.
(02) Philip Morris (2) 31,9 Mrd.
(03) Unilever (3/8) 24,2 Mrd.
(04) ConAgra (2) 24,0 Mrd.
(05) Cargill (2) 21,0 Mrd.
(06) PepsiCo (2) 20,9 Mrd.
(07) Coca-Cola (2) 18,9 Mrd.
(08) Diageo (3) 18,8 Mrd.
(09) Grand Metropolitan (3) 14,0 Mrd.
(10) Mars (2) 14,0 Mrd

Arzneimittel

(01) Aventis (1/4) 13,8 Mrd.
(02) Merck (2) 13,6 Mrd.
(03) GlaxoWellcome (3) 13,1 Mrd.
(04) Novartis (7) 10,9 Mrd.
(05) AstraZeneca (3/9) 10,0 Mrd.
(06) Bristol-Myers 9,7 Mrd.
(07) Pfizer (2) 9,7 Mrd.
(08) American Home Products (2) 8,7 Mrd.
(09) Johnson&Johnson (2) 7,7 Mrd.
(10) SmithKline (2) 7,5 Mrd.

1= Frankreich, 2=US, 3=UK, 4=Deutschland, 5=Mexico, 6=Japan, 7=Schweiz, 8=Niederlande, 9=Schweden *) Kleinwanzlebener Saatzucht AG Anmerkung 1: "Doppelnationalitaeten" bei den Firmennamen bedeuten nicht "binationales" Firmeneigentum, sondern weisen lediglich daraufhin, dass (nach Fusion) Firmenschwerpunkte in den beiden Laendern liegen Anmerkung 2: Pfizer und American Home Products haben fusioniert und sind momentan der weltgroesste Pharmakonzern. Eine Fusion zwischen GlaxoWellcome und SmithKline steht unmittelbar bevor.

5. Die "Privatisierung" des Lebens

Unter Privatisierung des Lebens soll hier das Privateigentum an lebendiger Materie und traditionellem Wissen verstanden werden. Lebendige Materie und traditionelles Wissen werden ueber intellektuelle Urheberrechte (IPRs) privatisiert, so dass Einzelpersonen oder Firmen Besitztum an biologischen Ressourcen und dementsprechenden (Verarbeitungs)prozessen reklamieren koennen. Diese Privatisierung fuehrt darueberhinaus zu monopolistischer Kontrolle ueber natuerliche Ressourcen von denen unser Leben abhaengt (wie z.B. Wasser). Patente auf lebende Materie bedrohen drei der wichtigsten Elemente fuer das menschliche Ueberleben: Nahrung, Wasser und Gesundheitsfuersorge (1). Die Privatisierung des Lebens bedroht die Versorgung mit Nahrungsmitteln durch die Gefaehrdung der Verfuegbarkeit essentieller landwirtschaftlicher Ressourcen fuer die BaeuerInnen (Saatgut etc.). Patente auf Leben behindern den Zugriff der Landbevoelkerung (des Suedens) auf traditionelle Heilmittel und zwingen sie Lizenzgebuehren fuer Saatgut und Nutztiere zu zahlen. Diese Patente und der Ausbau der "Life Science" Industrie begrenzen darueberhinaus in erheblichem Masse die Moeglichkeiten der Landbevoelkerung, die Sorten- bzw. Rassen- Diversitaet zu erhalten. Patente verbieten den BaeuerInnen, Saatgut fuer die naechste Aussaat aufzubewahren. Aussaat von selbst gewonnenem Saatgut ohne die Entrichtung einer Lizenzgebuehren ist gleichzusetzen mit der Raubkopie eines patentierten Produkts. Dies zwingt die BaeuerInnen zur Entrichtung von Lizenzgebuehren fuer jedwedes Saatgut, das von patentierten Sorten abstammt und macht sie wegen der wachsenden Verquickung von Saatgutmonopolen und agrochemischen Konzernen von Duengemitteln und Herbiziden abhaengig.
-Zur Zuechtung neuer Sorten vereinnahmen diese Konzerne das traditionelle Saatgut der BaeuerInnen, um diesen spaeter von Agrochemikalien abhaengige Derivate desselben Saatguts zu verkaufen. Der juengste Fall von 39 Pharma-Konzernen, die (versuchten), der suedafrikanische Regierung ein Gerichtsverfahren wegen der billigen Verteilung von Medizin an 4 Millionen HIV-positive BuergerInnen anzuhaengen, demonstriert die zerstoererische Wirkung der IPRs auf das oeffentliche Gesundheitswesen. Die Pharmakonzerne behaup(te)ten, dass das Verteilungsprogramm eine Verletzung ihrer Patentrechte darstellt. Ferner hindern die mit der Erlangung, Erhaltung und dem Schutz von Patenten verbundenen Kosten die Entwicklungslaender daran, Nutzniesser von IPRs zu werden, obwohl sich dort der Loewenanteil der biologischen Ressourcen befindet. Aufgrund dieser Kosten befinden sich 95% der Inhaber von "Life-Science"- Patenten in den Industrielaendern, obwohl sich 90% der biologischen Ressourcen in den Entwicklungslaendern befinden (La Jornada 08.04.2000). Der durchschnittliche finanzielle Aufwand fuer den Erwerb eines Patents betraegt 21 000 US$ mit einem zusaetzlichen Jahresaufwand von 5 000 US$ um es aufrechtzuerhalten. In den USA kostet ein durchschnittlicher Patentrechtsstreit mehr als 1 Mio $ (GRAIN, Seedling, Mai 2000). Diese Kosten machen Patenteigentum fuer die Mehrheit der Erdbevoelkerung faktisch unerreichbar.

6. Biopiraterie: Methoden

Von Firmen finanzierte Operationen zu Bioprospection und Biopiraterie erfolgen zunehmend in Zusammenarbeit mit Zwischeninstanzen, Universitaeten, Regierungen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die kostenguenstige, hochqualifizierte Feldforschung betreiben und ausserdem die besseren Voraussetzungen mitbringen die "heissen Stellen" der Biodiversitaet aufzuspueren. Als Entschaedigung erhalten diese Gruppen von ihren kommerziellen "Partnern" Mittel fuer Forschungsprojekte, Stipendien und technische Ausruestungen. Ihre Industriepartner behalten jedoch immer den Loewenanteil des Gewinns aus den vermarktbaren Produkten. In den letzten Jahren hat eine Reihe von Umweltschutzorganisationen (einschliesslich Conservation International) an Bioprospection-Aktivitaeten teilgenommen, was derartigen Aktionen zu einem gewissen Ansehen verhalf, andererseits Fragen bezueglich der moralischen Integritaet dieser Organisationen und ihrer Verpflichtung gegenueber sozialer Gerechtigkeit und Umweltschutz aufwirft.

7. Warum patentieren indigene Voelker ihr traditionelles Wissen nicht selbst?

Traditionelles Wissen ist eine wichtige Komponente der Kommerzialisierung von "Life-Science"-Produkten. Waehrend aus einer Zufallssammlung von 10 000 biologischen Proben nur 1 kommerzielles Produkt hervorgeht, verdoppelt sich die Zahl, wenn indigenes Wissen konsultiert wird (Schaetzung des US National Institute of Health). Indigenen Voelkern ist das Konzept, ihr Wissen, ihre Ressourcen und Produkte zu patentieren, voellig fremd. Zwei Schluesselfaktoren hindern die indigenen Voelker an der Nutzung dieser Moeglichkeit: einerseits die extrem hohen Kosten (s.o.) und — noch wichtiger — andererseits ihre kulturellen Wertmassstaebe. Fuer indigene Voelker, deren traditionelle Werte in Gemeinwesen, miteinander geteilten Ressourcen und der Vorstellung von der gegenseitigen Bedingtheit allen Lebens wurzeln, ist die Patentierung von Leben der Inbegriff des Undenkbaren. Patente sind ein Werkzeug westlicher Gesellschaften und reflektieren die Wertschaetzung von Privateigentum und des Erlangens von persoenlichem Reichtum, Dinge, die fuer indigene Kulturen nicht ausschlaggebend sind.

8. Warum sind Mexico und insbesondere Chiapas so attraktiv fuer Biopiraten?

Wegen der "Mega"-Diversitaet von Mexico im allgemeinen und von Chiapas im besonderen, ist diese Region zu einem bevorzugten Ziel der "Bioprospektoren" geworden. Ein Teil des "mega"-diversen Charakters von Mexico ist seiner geographischen und klimatischen Vielfalt geschuldet. Ebenso traegt seine Rolle als Bindeglied zwischen Nord- und Suedamerika zum biologischen Reichtum bei. Mexico fungiert als Uebergangszone zwischen zwei unterschiedlichen Regionen: der neo-tropischenen (Sued- und Mittelamerika) und der neo-arktischen (Nordamerika). So verfuegt Mexico zum Beispiel ueber 34 von 36 moeglichen Oekoklimata, waehrend die USA nur ueber 4 verfuegen. Von 28 kategorisierten Bodentypen besitzt Mexico 25. Obwohl es nur ueber 1.3% der Landmasse der Erde verfuegt, besitzt es 14.4 % aller auf der Welt lebenden Arten. Mexico hat eine grosse Zahl endemischer Arten (Arten die ausschliesslich dort vorkommen) und ist das "Herkunftsland" von 118 Pflanzenarten, einschliesslich Mais.

9. Gesetzgebung bezueglich Bioprospecting and Biopiraterie

Mexico ist Unterzeichnerstaat sowohl der Internationalen Konvention ueber Biodiversitaet und der Konvention 169 der ILO (International Labor Organization). Beide Uebereinkuenfte liefern einen gewissen Schutz fuer die indigenen Voelker hinsichtlich der nachhaltigen Nutzung von Biodiversitaet und gerechter Verteilung daraus eventuell erwachsenden Gewinns, sowie der Erhaltung traditionellen Wissens und entsprechender Praktiken. Eine Verankerung dieser Konventionen in nationalen Gesetzen in fehlt Mexico bislang jedoch weitestgehend. Die mexikanische Verfassung und entsprechende Gesetze liefern unabhaengig von diesen Konventionen Anhaltspunkte zum Schutz der Naturreichtuemer und der grundlegenden Rechte der indigenen Voelker und Gemeinwesen. Das "Allgemeine Gesetz fuer Oekologisches Gleichgewicht und Umweltschutz" (AGOeGU) erklaert, dass Bioprospection sowohl von der Regierung als auch von jenen Gruppen und Personen genehmigt werden muss, auf deren Grund und Boden sich die entsprechenden Ressourcen befinden. Dies wird jedoch selten beachtet, und die Angelegenheit ist aufgrund von sich widersprechenden Gesetzestexten und Loechern in der Gesetzgebung zusaetzlich verworren. nach Einschaetzung von indigenen Kommunen, Zivilorganisationen und manchen Bioprospektoren machen diese Widersprueche und Loecher das AGOeGU faktisch unwirksam.
In Reaktion auf die unzureichende Gesetzgebung forderte der 3. Nationale Indigene Kongress (CNI), der im Maerz 2001 in Michoacán abgehalten wurde, ein Moratorium fuer alle Projekte, die auf die Erfassung von Biodiversitaet, Mineralien, Wasser und anderen Naturressourcen gerichtet sind. Die Deklaration des CNI fordert zugleich ein landesweites Moratorium fuer alle Biopiraterie- Operationen auf indigenen Territorien, bis die indigenen Voelker unter sich ausdiskutiert haben, wie sie ihre Ressourcen kontrollieren wollen. Das Abkommen ueber Indigene Rechte und Kultur, das 1996 bei den Verhandlungen von San Andrés unterzeichnet wurde (als Beitrag zur Loesung des Konflikts in Chiapas) und das zur Zeit dem mexikanischen Kongress vorliegt, wird dann eine Orientierung fuer die Regulierung von Bioprospection-Aktivitaeten und fuer den Schutz der indigenen Rechte darstellen, wenn das Abkommen in einer Verfassungsreform Beruecksichtigung gefunden hat und daraus entsprechende nationale Gesetze erwachsen. Die finanziellen Vorteile fuer die Regierung, die einem ungehinderten Agieren der Bioprospektoren entspringen, duerften jedoch ihre Bereitschaft daempfen, auf diesem Gebiet schaerfere Kontrollen einzufuehren.

10. Der Effekt von Biopiraterie und Bioprospection in Mexico

Die folgenden 4 Fallstudien zeigen, welche Bedrohung fuer die indigene Kultur und ihre Lebensgrundlagen aus Bioprospection und Biopiraterie in Mexico erwachsen. Im Jahr 1994 kaufte die US-Saatgutfirma POD-NERS in Sonora, Mexico, den Samen von gelben Bohnen. Zwei Jahre spaeter beantragte und erhielt der Firmenchef, Larry Proctor, ein exklusives Patent (US#5984079) fuer einen als Enola bezeichneten Bohnensamen und verklagte zwei mexikanische Nahrungsmittelproduzenten — Productos Verdes Valle und Tutuli Produce — wegen ihres Exports von gelben Bohnen in die USA. Proctor klagte, dass die Geschaeftsaktivitaeten dieser beiden Firmen sein Patent unterlaufen wuerden (und verlangte eine "Lizenzgebuehr" von 6 Cent pro Pfund Bohnen). Momentan wird das Patent vom Internationalen Zentrum fuer Tropische Landwirtschaft angefochten und ist inzwischen vom US Patent- Buero bis zu seiner Entscheidung suspendiert worden. Pozol ist ein traditionelles Getraenk, das aus fermentiertem Mais gewonnen wird und das Maya-Voelker seit Generationen benutzen, einerseits wegen seines Naehrwertes, andererseits wegen seiner medizinischen Eigenschaften: als natuerlicher Schutz gegen Giardia, Amoeben und andere Darmerkrankungen. Im Jahr 1999 erhielten die hollaendische Firma Quest International und die Universitaet von Minnesota gemeinsam ein Patent (US#5919695) und behaupten seitdem — in einem klassischen Beispiel von genetischem Reduktionismus — nicht Pozol selbst patentiert zu haben, sondern einen isolierten Mikroorganismus (bzw. eine Komponente davon), den das Getraenk enthaelt. Auf der Basis dieses Arguments lehnen sie es ab, das indigene Wissen anzuerkennen, auf dessen Basis Pozol entwickelt worden ist.
Im Jahr 1998 unterzeichneten die US-Firma Diversa und die Autonome Universitaet von Mexico (UNAM) einen Vertrag, der Diversa zum Zweck des Bioprospecting Zugang zu den Nationalparks von Mexico gestattet. Als Gegenleistung wurde der UNAM Forschungsausruestung ueberlassen, $50,- fuer jede gesammelte Probe gezahlt und eine Gewinnbeteiligung von 0.5% fuer jedes pharmazeutische und 0.3% fuer jedes landwirtschaftliche Produkt versprochen, das aus diesem Projekt entspringen sollte. Dieses Geld waere dann in jener Gegend zu re-investieren, aus der das vermarktete Produkt stammt. Zum Vergleich: Fuer ein Bioprospection-Projekt im Yellowstone National Park vereinbarte Diversa mit der US-Regierung eine 10%ige Gewinnbeteiligung. Ende 2000 suspendierte der mexikanische Generalstaatsanwalt das UNAM-Diversa-Projekt mit der Begruendung, dass die UNAM keine Kompetenz hat, den Zugang zu den genetischen Ressourcen der mexikanischen Natoionalparks zu erlauben, wodurch der Vertrag keine Gueltigkeit besitzt.
Maya-International Cooperative Biodiversity Group (Maya-ICBG) heisst ein Gemeinschaftsprojekt der Universitaet von Georgia, des mexikanischen Colegio de la Frontera Sur (ECOSUR) und der walisischen Firma Molecular Nature Ltd, das aus US-Steuergeldern finanziert wird. Das im Jahr 1998 begonnene Programm bezeichnete als seine Ziele die Entdeckung neuer Arzneimittel, pharmazeutische Entwicklung, Naturschutz, nachhaltige Nutzung ethno-botanischen Wissens und nachhaltige oekonomische Entwicklung. Trotz seiner "Vermarktung" als Musterbeispiel im Hinblick auf Prior Informed Consent (PIC, siehe Abschnitt 2.) schufen zahlreiche Unregelmaessigkeiten einen starken lokalen Widerstand gegen dieses Projekt und seine internationale Bewertung. Die Unregelmaessigkeiten bezogen sich auf die gerechte Verteilung der Kompensationen, die Art und Weise der Erlangung des PIC, sowie die (Schein-)Repraesentation der Kommunen im und deren Beteiligung am Projekt. Eingebettet in die gespannte politische Situation in Chiapas, haben diese Punkte bestehende lokale Konflikte verschaerft und ein Klima zunehmender Uneinigkeit geschaffen.
Der Rat der Indigenen Traditionellen Heiler und Hebammen von Chiapas (Consejo Estatal de Parteras y Medicos Indigenas Tradicionales en Chiapas, COMPITCH), eine Koalition von 12 traditionellen medizinischen Organisationen mit Basis-Unterstuetzung von nahezu 3000 Gemeinden, erreichte die Suspendierung dieses Projekt, indem er zu einem "aktiven Moratorium" (d.h. Boykott) aufrief, das aufrecht rehalten werden soll, bis die mexikanische Gesellschaft und insbesondere die betroffenen indigenen Gemeinden, in angemessenem Masse ueber das Projekt informiert worden sind. Zusaetzliche Vorbedingungen fuer die Wiederaufnahme des Projekts sind die Verabschiedung einer angemessenen Bioprospection-Gesetzgebung und das Schaffung entsprechender sozialpolitischer Bedingungen, insbesondere die Beendigung des "Krieges niedriger Intensitaet" in Chiapas. Im September 2000 wurde dem Maya-ICBG Projekt von der mexikanischen Regierung die Zustimmung verweigert, mit den Bioprospection-Aktivitaeten fortzufahren. Mitglieder des Maya-ICBG- Teams verblieben jedoch in Chiapas, in der Hoffnung, das Projekt wiederzubeleben. Ungeachtet des langfristigen Resultats, liefert COMPITCH’s Widerstand gegen das Maya-ICBG Projekt ein gutes Beispiel fuer eine effektive Gegenbewegung an der Basis.

Die oben angegebene Website von Global Exchange enthaelt Anregungen fuer eigene Aktivitaeten, u.a. die Fax-Aktion an SEMARNAT, die bereits ueber die Chiapas98-Liste verschickt wurde, Aktionen zur Annullierung der Enola und Pozol Patente, zur Revision der Intellectual-Property-Rights-Klausel der WTO und zur finanziellen Unterstuetzung des fuer den 14.-16.06.2001 geplanten Forums zu Biodiversitaet und Traditionellem Wissen in San Cristobal, Chiapas. Zum Schluss enthaelt der Beitrag von Global Exchange einige Websites zur weiteren Information. Diese und eine Reihe anderer zum Thema in Beziehung stehender Homepage-Adressen koennen auf Anfrage auch ueber die Chiapas98-Liste bezogen werden.

Chiapas98; c/o Peter Clausing

 Mastodon:  
 Keine News verpassen? Folgen Sie uns auf Mastodon. 
 
 
 Print & Co:  
  Drucker PDF 
 

Aktuell empfohlen

Tierra y Libertad Nr. 84

Veranstaltungskalender

back März 2024 forward
S M D M D F S
          1 2
3 4 5 6 7 8 9
10 11 12 13 14 15 16
17 18 19 20 21 22 23
24 25 26 27 28 29 30
31            

Die nächsten Termine

08.04.2024
Warning

Ort-Detailangaben:
Hamburg, Saal der W3

Ort: Hamburg
Zeit: 19:00 Uhr
23.05.2024
24.05.2024
25.05.2024
26.05.2024