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Tropenstürme "Manuel" und "Ingrid": Ausnahmezustand in Mexiko

Foto: Pedro PARDO/ AFP

Sturmfolgen Mexiko kämpft mit der unerbittlichen Flut

Mexiko kämpft mit einer der schlimmsten Naturkatastrophen seiner Geschichte. Ein gewaltiger Doppelsturm hat schwere Verwüstungen angerichtet, mehr als 150 Menschen starben, Zehntausende sind obdachlos. Straßen, Schulen, Kliniken sind zerstört, die Lebensmittelpreise und Inflation steigen rasant.

Freitag, der 13. September. Die Mexikaner werden sich noch Jahrzehnte an diesen Tag erinnern. Nicht nur in Acapulco oder in Culiacán auf der Pazifikseite Mexikos. Auch den Menschen in Veracruz und in Tampico an der Golfküste hat sich dieser schwarze Freitag ins Gedächtnis gegraben. Denn er brachte Regen, Überschwemmungen, Stürme - und Tod. So wie es das Land seit mehr als einem halben Jahrhundert nicht gesehen hatte.

Gleich zwei Wirbelstürme hatten Mexiko in die Zange genommen: "Ingrid" kam über den Golf, "Manuel" schlug auf der Pazifikseite zu. Fast eine Woche schüttelten und rüttelten die beiden Wirbelstürme das Land durch und brachten scheinbar unendliche Wassermassen.

Nach Berechnungen der Wasserkommission Conagua gingen seit dem 11. September insgesamt 162 Milliarden Kubikmeter Regen über Mexiko nieder, genügend Niederschlag, um das vierzehntgrößte Land der Erde mit seiner Fläche von nahezu zwei Millionen Quadratkilometer komplett mit einer Wasserdecke von 21 Zentimeter zu bedecken.

Und erst allmählich gewinnt die Regierung einen Überblick über Opfer und Schäden. Durch "Manuel" und "Ingrid" wurden mindestens 153 Menschen getötet, 53 werden noch vermisst, 52.000 Menschen sind obdachlos, und eine halbe Million sind durch die Folgen in Mitleidenschaft gezogen.

Die Zerstörungen der Infrastruktur des Landes sind schlimmer als diejenigen, die das Erdbeben von 1985 hervorrief, das weite Teile der Hauptstadt Mexico City in Schutt und Asche legte. Auch die Versicherer haben der Zerstörung eine erste Zahl zugeordnet. Auf 4,25 Milliarden Euro beliefen sich die Kosten, teilte der Verband der Versicherungsunternehmen mit. Damit wären der Doppelsturm die teuerste Naturkatastrophe in der Geschichte Mexikos.

"Manuel" noch aggressiver als "Ingrid"

Meteorologen staunen noch immer über die beiden zeitgleichen Wetterphänomene. Erst verwandelte sich ein Tiefdruckgebiet über dem Golf in den Hurrikan "Ingrid". Sie rauschte anschließend mit Winden von mehr als 100 Stundenkilometern über den Osten des Landes, es fielen mehr als 200 Liter Regen pro Quadratmeter.

Nur Stunden später hatte sich auf der anderen Seite über dem Pazifik "Manuel" zu einem Hurrikan zusammengebraut und traf auf der Höhe von Guerrero auf Land. "Manuel" war noch aggressiver als "Ingrid". "Er blieb mehrere Tage fast unverändert stehen und wanderte kaum weiter", sagt Benjamín Martínez López, Meteorologe von der Nationalen Universität Unam.

Vier Tage lang regnete es ununterbrochen über dem Badeort Acapulco und in den Bergen von Guerrero, wo vor allem arme Ureinwohner-Gemeinden liegen, von denen heute noch zahlreiche unter Wasser stehen. Sie klagen darüber, von der Regierung nicht mit Hilfsmitteln versorgt zu werden. Ganze Dörfer wurden verschüttet, und die Millionenstadt Acapulco ging beinah unter. Über das lange Wochenende des Nationalfeiertags am 15. September saßen 40.000 Touristen in der Stadt fest, abgeschnitten von der Außenwelt.

Und noch gibt die Natur keine Ruhe. Am vergangenen Donnerstag regnete es erneut über Acapulco. Die Behörden schlossen Schulen und ordneten die Evakuierung von gefährdeten Gebieten an. Erst einen Tag später kam die Sonne wieder heraus.

Felder sind vernichtet, 100.000 Nutztiere starben

26 der 32 Bundesstaaten haben nach den Wirbelstürmen Schäden an die Regierung gemeldet. Straßen, Autobahnen und Brücken sind beschädigt, unpassierbar oder zusammengefallen. 2000 Schulen müssen repariert werden. 500 sind komplett zerstört. Krankenhäuser, Flughäfen und Häfen sind in Mitleidenschaft gezogen. Alleine 72 der 120 Bundestraßen sind unpassierbar oder an manchen Stellen zerstört.

Das Verkehrsministerium geht davon aus, dass der Wiederaufbau der Straßen und beschädigten Brücken bis zu sechs Monaten dauern wird. Präsident Enrique Peña Nieto kündigte einen Hilfsfonds für die Opfer an und beantragte im Kongress Sondermittel für den Haushalt. "Wir wollen neu errichten, was zerstört wurde", sagte der Staatschef bei einem Treffen mit seinem Kabinett und den Gouverneuren der betroffenen Bundesstaaten.

Aber auch landwirtschaftliche Flächen sind vernichtet, und 100.000 Nutztiere starben. In den vergangenen Tagen stiegen die Preise für Zitronen, Zwiebeln und Tomaten um das Fünffache. Während die Inflation in die Höhe schießt, schwächt sich das mexikanische Wirtschaftswachstum nach Angaben der Regierung durch die Unwetter ab. Bis zu einem Zehntel werde das Bruttoinlandsprodukt 2013 weniger wachsen. Wirtschaftsminister Idelfonso Guajardo machte dennoch gut Wetter: "Die Stürme haben uns unerwartet hart getroffen, aber sie werden unsere Wirtschaftskraft nicht zerstören."

Der Tourismus, einst Mexikos wichtigste Devisenquelle, erlitt durch den Sturm einen weiteren Rückschlag. Schon vor den Unwettern litt der Sektor unter zurückgehenden Urlauberzahlen. Vor allem die US-Touristen kommen immer weniger, seit weite Teile des Landes - unter anderem auch Acapulco - vom Drogenkrieg betroffen sind. Schon länger ist Mexiko aus dem exklusiven Kreis der Top-Ten-Reiseziele der Welt herausgefallen.

Die Hurrikan-Saison in Mexiko dauert noch bis November. Den Meteorologen zufolge drohen noch sechs Tropenstürme auf der Pazifik- und drei auf der Atlantikseite. Ein solcher Doppelsturm wie jüngst sei nicht sehr wahrscheinlich, betonen die Wetterexperten. Aber ausgeschlossen werden könne er auch nicht.