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Todesdrohung gegen Marta Durán

Zapapres vom 18.05.2014
Marta Duran de Huerta
übersetzt von Jutta Klaß

  Die Todesdrohungen gegen JournalistInnen in Mexiko sind heute alltaegliche Praxis. Marta Durán, Korrespondentin fuer El Toque, Programm von Radio Nederland, hat sie persoenlich erfahren.

Es gibt viele Formen die Presse zu bedrohen und zum Schweigen zu bringen

Ich kam nach Hause, schaltete den Anrufbeantworter ein und hoerte eine finstere Stimme, die nur die folgende Nachricht auf dem Band hinterliess: »Ich werde dich toeten«. Wer und warum mich umbringen will, das weiss ich nicht.

Leider belegt Mexiko einen der ersten Plaetze weltweit, was ermordete und verschwundene JournalistInnen betrifft, so dass jede Form von Bedrohung Ernst genommen und angezeigt werden muss.

Es gibt viele Moeglichkeiten, die Presse unter Druck zu setzen und zum Schweigen zu bringen. Die klassische Methode ist und war die der »Kooptation«. Dies war eine der erfolgreichsten Methoden der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI), die mehr als 70 Jahre an der Macht war.

Eine andere Form der Kontrolle der Medien bildete das Staatliche Papiermonopol. Unbequemen Medien wurde einfach kein Papier verkauft.

Staatliche (oeffentliche) Anzeigen zu erhalten, macht auch heute noch den Unterschied zwischen Ueberleben und Dichtmachen eines Presseorgans aus.

»Ich zahle doch nicht, damit ich angegriffen werde«, erklaere der fruehere Praesident Lopez Portillo in Anspielung auf sein Verstaendnis von der Arbeit der Presse.

»Liebe wird mit Liebe bezahlt”

Die Gruendung aller privaten Radio- und Fernsehkanaele basierte grundsaetzlich auf dem Austausch von Gefaelligkeiten mit dem jeweiligen Praesidenten. Im Austausch fuer die millionenschweren Vertraege fuer staatliche Propaganda, neue Sendefrequenzen und Stationen, vermieden diese Medien jede Art von Berichterstattung, die den Praesidenten veraergern koennte.

Die Staatspartei hatte angesichts der Tatsache, dass es keine Moeglichkeit der Wiederwahl des Praesidenten gibt, die Mechanismen fuer die (interne) Wahl des jeweiligen Nachfolgers fest geregelt: es war ein Ritual, um zu gewaehrleisten, dass dieselbe Gruppe mit den gleichen Interessen an der Macht blieb.

»Ehrliche und professionelle JournalistInnen hatten immer Probleme mit den Maechtigen«, bestaetigt Marta

Sie wurden entlassen, von keiner anderen Zeitung, keinem anderen Sender angestellt, ihnen wurden alle moeglichen Steine in den Weg gelegt, aber nur ganz selten wurden sie ermordet, wie der Journalist Manuel Buendía zu Beginn der 80er Jahre.

Die Presse stand in diesen Jahren und Jahrzehnten unter staatlicher Kontrolle. Es gab zwar Organisationen der JournalistInnen, die jedoch in Wirklichkeit nur als Buehne fungierten, um unterwuerfigen, regimetreuen JournalistInnen einen Preis zu verleihen.

Die kritischen Stimmen waren marginalisiert und erreichten nur eine kleine Gruppe in der Oeffentlichkeit.

Die mit Blut befleckte Demokratie

Ende des 20. Jahrhunderts hatte Mexiko aeusserst gewaltsame Perioden, unendliche unerfuellte Versprechen und etliche Finanzkrisen, die die Ersparnisse eines ganzen Lebens vernichteten, erlebt, ebenso wie die Schuldenkrisen, die kleine Unternehmen in den Bankrott trieben, waehrend sich die Konzentration des Reichtums akzentuierte.

Die PRI verlor 2000 die Praesidentschaftswahl, doch die Menschen, die auf die rechtskonservative Partei der Nationalen Aktion (PAN) gesetzt hatte, erlebten enttaeuscht und frustriert die Wiederholung der bisherigen Politik.

Die Uebergangsphase des Wechsels von der PRI zur PAN ermoeglichte fuer die autonome Presse eine kleine Oeffnung. Und die neuen Technologien halfen, unbequeme Informationen zu verbreiten.

Die PAN besass weder die Struktur, noch die Strategie, um wie ihre Vorgaenger die Medien, aber auch das organisierte Verbrechen zu kontrollieren.

Radio und Fernsehen verfolgten weiterhin die Politik des »gegenseitigen Vorteils«. Darueberhinaus versuchte Vicente Fox als Praesident (2000 — 2006) zwei Gesetzesaenderungen zugunsten der grossen Fernsehsender durchzusetzen.

In der Geschichte Mexikos gab es zwei Wunder: die Erscheinung der Jungfrau von Guadalupe im 16. Jahrhundert und die Entscheidung des obersten Gerichtshofs Mexikos, das »Gesetz Televisa« fuer nicht verfassungsmaessig zu erklaeren. Televisa bildet zusammen mit TV Azteca das groesste mexikanische Fernsehmonopol und ist gleichzeitig Teil der tatsaechlichen Macht in Mexiko. Und der Gesetzesentwurf war, wie der Name bereits ausdrueckt, eine Art massgeschneiderte Machterweiterung fuer den Sender.

Unter Vicente Fox und seinem Nachfolger Felipe Calderón, beide von der PAN, begannen die Morde an JournalistInnen

Die Bestechung von JournalistInnen bildete ab 2000 nicht mehr die erste Option, sondern die letzte. Obwohl die kriminellen Kartelle nach und nach die Macht in verschiedenen Regionen des Landes uebernahmen und JournalistInnen bedrohten, folterten, toeten oder verschwinden liessen,.kam der Grossteil der Aggressionen gegen JournalistInnen von staatlichen Funktionaeren der verschiedenen Ebenen, deren Korruptheit und Verbindung zum organisierten Verbrechen in den Medien oeffentlich gemacht wurde.

2012 gewann die PRI erneut das Amt des Praesidenten, begleitet von einer Flut von Wahlbetrugs-Beschwerden und Beschuldigungen. Doch die PRI konnte im Gegensatz zu den »goldenen Regierungsjahrzehnten« nicht mehr die Kontrolle ueber die Medien herstellen. Zwar wechselten Geldbuendel und Beguenstigungen wie frueher die interessierten Seiten, doch heute gibt es das Internet, das von der Regierung nicht kontrolliert werden kann.

Viele mutige und bescheidene Medien verfolgen ihre eigene Tagesordnung, ihre selbst bestimmten Schwerpunkte. Doch gleichzeitig mit den neuen Moeglichkeiten fuer die Informationsarbeit, verschaeft sich die Gewalt gegen JournalistInnen.

Die JournalistInnen, die Hintergrundsrecherchen ueber Korruption, Menschenrechtsverletzungen, Frauenmorde, den sexuellen Missbrauch durch Priester, die Brutalitaet der Polzeiapparate und der Armee veroeffentlichten, sind und waren die ersten Opfer der Repression

Jesús Lemus, Journalist aus Michoacán, der 3 Jahre unschuldig im Gefaengnis sass und dort taeglich brutal gefoltert wurde, erklaerte in einem Interview mit Radio Nederland, dass es heute unzaehlige Moeglichkeiten gibt, JournalistInnen anzugreifen. Hier seine bedrueckenden Einschaetzungen:

Die Angriffsmethode »light« ist eine Diffamierungsklage, die verbunden ist mit einem hohen Preis, was Zeit, Geld, Anstrengungen und Nerven betrifft. Es ist schlimmer als eine Scheidung. Die mit der Klage verbundene Zermuerbung, die Monate, manchmal Jahre dauert, ist riesig.

Eine andere Strategie der Einschuechterung sind die Drohungen per Post, Telefon oder e-mail. Es gibt viele makabre Formen, eine Drohung zu unterstreichen: ein menschlicher Kopf als »Geschenk«, ein Haustier, das umgebracht wird. Viel schlimmer ist es, wenn deine Kinder fuer Stunden oder Tage entfuehrt warden, um zusaetzlichen Druck auszuueben.

Um die Drohung gegenueber einer Kollegin zu unterstreichen, wurden die Verteiler der Zeitschrift, fuer die sie arbeitete, entfuehrt, tagelang gefoltert und danach freigelassen, um die Nachricht zu ueberbringen, dass die Drohung Ernst gemeint ist.

Viele KollegInnen wurden gefoltert und bedroht. Nur wenige machen eine Anzeige. JedeR hat seine persoenliche Vorgehensweise. Einige beenden ihre journalistische Arbeit nach der ersten Bedrohung. Dass dies keine Garantie ist, am Leben zu bleiben, zeigt die Ermordung von einigen JournalistInnen noch Jahre nach der Bedrohung. Andere JournalistInnen wurden ohne vorausgegangene Bedrohung umgebracht.

Es gibt zur Zeit nur zwei Moeglichkeiten fuer JournalistInnen, Schutz in Mexiko zu bekommen: eine auf Bundesebene, die andere in Mexiko-Stadt.

Der Schutzmechanismus auf Bundesebene — so die Einschaetzung mehrerer KollegInnen im Exil — ist unzureichend oder bringt nichts. Ein Kollege aus Tamaulipas, der eine Zeitung und Website herausgab, wurde entfuehrt und 8 Tage und Naechte lang gefoltert, um ihn zu zwingen, die kritische Website einzustellen. Der Journalist ueberlebte und verliess mit seiner Familie Tamaulipas. Obwohl er offiziell im Schutzprogramm des Bundes nach Mexiko-Stadt kam, erhielt er keinerlei Hilfe. Seine Familie und er ueberleben dank der Solidaritaet anderer KollegInnen.

Ob und wie die Schutzmechanismen von Mexiko-Stadt funktionieren, werde ich persoenlich feststellen muessen. Hoffentlich sind sie wirksam.

Marta Duran de Huerta, mexikanische Journalistin und Soziologin, Mai 2014


Quelle: Zapapres
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