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Polizeigewalt in Mexiko 22 Beamte festgenommen, mindestens 40 Studenten vermisst

Die mexikanischen Drogenkartelle sind berüchtigt für ihre zügellose Gewalt. Doch nicht nur Kriminelle morden und foltern. Auch die Sicherheitskräfte selbst geraten ins Visier von Ermittlern.

Mexikanische Studenten gelten als kampferprobt. Vor allem die angehenden Lehrer aus dem Südwesten des Landes gehen regelmäßig auf die Straße, immer wieder liefern sie sich auch Straßenschlachten mit der Polizei. Doch auch sie dürften die brutale Polizeigewalt nicht erwartet haben, die ihnen bei einer Protestaktion am Wochenende im Bundesstaat Guerrero entgegenschlug.

Die Studenten hatten in der Stadt Iguala mehrere Busse gekapert und wollten in die Provinzhauptstadt Chilpancingo fahren, als mehrere Streifenwagen die Straße blockierten und die Polizisten das Feuer eröffneten. Ohne Warnung und aus allen Richtungen hätten die Beamten auf die Studenten geschossen, berichtete die örtliche Menschenrechtsorganisation Tlachinollan. Zwei junge Leute kamen bei dem blutigen Einsatz ums Leben, zahlreiche weitere wurden verletzt. Mindestens 40 Studenten werden noch immer vermisst.

22 Beamte festgenommen

Der örtliche Staatsanwalt Iñaky Blanco kritisierte die unverhältnismäßige Gewalt, 22 Beamte wurden festgenommen. Der Vertreter des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in Mexiko, Javier Hernández, forderte, die gesamte städtische Polizei von Iguala vom Dienst zu suspendieren und ihre Waffen sicherzustellen. "Ich glaube, in solchen Fällen muss man ein Signal setzen und außergewöhnliche Maßnahmen ergreifen", sagte er.

Berichte über Mord und Totschlag gehören in Mexiko zum Alltag. Drogenkartelle und andere kriminelle Banden haben einige Teile des Landes in wahre Schlachtfelder verwandelt. Fast täglich kommt es zu Schießereien mit mehreren Toten, immer wieder werden schrecklich verstümmelte Leichen an Straßenkreuzungen gefunden.

Massaker von Tlatlaya

Zuletzt rückten allerdings Sicherheitskräfte selbst immer mehr ins Visier von Ermittlern. Der prominenteste Fall ist das mutmaßliche Militär-Massaker von Tlatlaya: Soldaten sollen Ende Juni in der Ortschaft im Bundesstaat México 21 Bandenmitglieder aus nächster Nähe erschossen haben, nachdem diese sich bereits ergeben haben sollen.

"Die mexikanische Regierung muss alle Fälle willkürlicher Tötungen intensiv untersuchen und bestrafen", sagte der UN-Sonderberichterstatter für nicht-legale Hinrichtungen, Christof Heyns. "Jede Art von exzessiver und unverhältnismäßiger Gewalt, die zum Tod von Menschen führt, ist illegal."

Der Amerika-Direktor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, José Miguel Vivanco, sprach vom "möglicherweise schlimmsten Massaker in Mexiko seit vielen Jahren". Acht Soldaten wurden mittlerweile festgenommen. Er werde die Wahrheit ans Licht bringen, wie auch immer sie aussehe, versprach Generalstaatsanwalt Jesús Murillo Karam.

Grundlegende Defizite bei mexikanischen Sicherheitskräften

Menschenrechtsaktivisten begrüßten die Ermittlungen zwar, machten aber auch auf grundlegende Defizite bei den mexikanischen Sicherheitskräften aufmerksam. Erst Anfang des Monats hatte Amnesty International den Einsatz der Streitkräfte im Inneren scharf kritisiert. Die Soldaten seien für polizeiliche Aufgaben nicht ausgebildet und begingen im sogenannten Drogenkrieg gegen die Kartelle zahlreiche Menschenrechtsverletzungen.

Vor allem in den örtlichen und staatlichen Polizeieinheiten ist die Frustration oft groß. Die Beamten werden schlecht bezahlt und sind den kriminellen Banden meist hoffnungslos unterlegen. Aber selbst die besser ausgerüsteten Streitkräfte haben es im Kampf gegen die Kartelle mit einem Gegner zu tun, der wie eine Kriegspartei agiert. In den Reihen des Militärs regt sich auch Widerstand gegen den Einsatz im Inneren. Soldaten fühlen sich falsch eingesetzt und als Opfer einer unklaren Rechtslage: "Sie wollen, dass wir auf die Straße gehen und gegen das Verbrechen kämpfen, obwohl das nicht unser verfassungsmäßiger Auftrag ist", schreibt ein Nutzer in einem Portal für Soldaten im sozialen Netzwerk Facebook. "Aber unsere Lage beachten sie dabei nicht. Niemand hat uns gesagt, dass wir ins Gefängnis müssen, weil wir Verbrecher töten. Das ist der größte Verrat, der uns angetan wurde."

yps/DPA DPA

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