Sicherheit für Gewalttäter in Mexiko?

Bundesregierung hält trotz wachsender Kritik an geplantem Abkommen mit Mexiko fest

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Ein geplantes Sicherheitsabkommen mit Mexiko bringt die Bundesregierung zunehmend unter Druck. Menschenrechtsorganisationen und die Opposition im Parlament fordern angesichts der jüngsten Massaker in dem lateinamerikanischen Krisenstaat, das Vorhaben auf Eis zu legen. Doch bislang bleibt die Bundesregierung stur: Ein Rückzieher zum jetzigen Zeitpunkt würde die mit ihr alliierte Regierung von Präsident Enrique Peña Nieto noch mehr in die Defensive bringen.

Mexiko hatte das Sicherheitsabkommen zur Zusammenarbeit auf juristischer und polizeilicher Ebene 2011 selbst vorgeschlagen. Seitdem dauern die Verhandlungen an. Worum es genau geht, ist dabei nicht klar, weil der derzeit verhandelte Vertragstext unter Verschluss gehalten wird.

Menschenrechtsorganisationen gehen auf Basis mündlicher Aussagen und parlamentarischer Informationen aber davon aus, dass die mexikanische Bundespolizei von der Kooperation mit deutschen Sicherheitsbehörden profitieren würde. Die deutsche Bundesregierung stellt das nicht in Abrede. Ihre Argumentation: Gerade nach der mutmaßlichen Ermordung von 43 Lehramtsstudenten Ende September im südmexikanischen Bundesstaat Guerrero müsse das Abkommen vorangebracht werden. Die Bundespolizei sei – anders als lokale Einheiten – schließlich Garant für eine rechtsstaatliche Ordnung. Ähnlich argumentierte ein Staatssekretär aus dem mexikanischen Auenministerium unlängst bei einer Konferenz in der mexikanischen Botschaft in Berlin.

Angeheizt wird die Debatte von einem Massaker in dem kleinen Ort Iguala im Süden Mexikos. Dabei hatten lokale Polizeieinheiten Ende September sechs Menschen getötet und zahlreiche Zivilisten verletzt. 43 Studenten wurden festgenommen und später offenbar an Mitglieder einer kriminellen Bande übergeben. Inzwischen ist klar, dass zumindest einer der Verschleppten tot ist. Seine Überreste wurden aus der Asche mehrerer verbrannter Körper auf einer Müllkippe identifiziert.

Hätte die Bundespolizei die Bluttat verhindern können, wie Regierungen in Deutschland und Mexiko behaupten? Nein, sagt die Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko, ein Zusammenschluss mehrerer Menschenrechts- und Entwicklungsorganisationen. Es sei eine irreführende Behauptung, dass die Probleme bei der örtlichen Polizei lägen, heißt es in einem Aufruf, den inzwischen gut 6.000 Menschen unterzeichnet haben: "Die mexikanische Bundespolizei ist – wie Belege von Amnesty International zeigen – an den oben genannten Verbrechen beteiligt."

Auch der US-Jurist und Mexiko-Experte John M. Ackermann widerspricht der Bundesregierung. Außenpolitische Entscheidungen sollten sich nicht vom naiven Glauben leiten lassen, der Präsident werde den guten Willen, den er da zeigt, auch in die Tat umsetzen, schrieb er unlängst in der Süddeutschen Zeitung: "Sie sollte sich an dem orientieren, was tatsächlich in Mexiko geschieht."

Die Vorsitzende der deutschen Sektion von Amnesty International Selmin Çaliskan bekräftigte: "Wie auch Amnesty-Recherchen zeigen, sind Korruption, Folter und Zusammenarbeit mit kriminellen Strukturen tief verwurzelt – und zwar auf allen Ebenen: von der Politik über lokale und föderale Polizeibehörden bis hin zur mexikanischen Armee." Die Diskussion wird für die Bundesregierung zunehmend zu einem Problem. Nach mehreren Debatten im Bundestag wollen die Oppositionsparteien – Linke und Grüne – mehrere Anträge einbringen, um die geplante Zusammenarbeit doch noch zu stoppen.