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Mexiko: Subventionen für BMW in der Kritik

Andreas Knobloch (Mexiko-Stadt)2. Januar 2015

Peinliche Details der Vereinbarung über das neue BMW-Werk sorgen für Kritik. Mexikos Autoindustrie wächst derweil immer weiter - NAFTA und den niedrigen Löhnen sei Dank.

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Wirtschaft Mexiko VW Puebla
Bild: picture-alliance/dpa

Wenn Konzernmanager mit einem zufriedenen Lächeln an die Öffentlichkeit treten, dann in der Regel, weil sie gute Verkaufszahlen oder ambitionierte Geschäftspläne zu verkünden haben. So auch der designierte neue BMW-Chef Harald Krüger, als er Anfang Juli im Beisein von Mexikos Präsidenten Enrique Peña Nieto die Eröffnung eines neuen Werkes im nordmexikanischen Bundesstaat San Luis Potosí ankündigte. Doch Krüger hatte noch einen ganz anderen Grund zur Freude, wie Mitte Dezember die mexikanische Tageszeitung La Jornada berichtete.

Der deutsche Autokonzern soll für den Bau seines neuen Werkes insgesamt rund 3500 Millionen Mexikanische Pesos (rund 196 Millionen Euro) an Zahlungen, (Steuer-)Vergünstigungen, Konzessionen und sonstigen Hilfen aus dem Haushalt von San Luis Potosí erhalten. Im Gegenzug verpflichte sich der Autobauer, bis 2024 "bis zu 1500 Arbeitsplätze" zu schaffen und in den kommenden 15 Jahren eine Milliarde US-Dollar zu investieren. BMW könne die Vereinbarung jedoch jederzeit kündigen, ohne Strafen zahlen zu müssen, so La Jornada.

Das Abkommen, dessen Inhalt erst in sieben Jahren öffentlich gemacht werden muss, also erst nach Ende der Amtszeit der derzeit verantwortlichen Politiker, war der Zeitung von anonymer Seite zugespielt worden. La Jornada kritisierte die Höhe der Beihilfen, vor allem aber, dass diese ohne Zustimmung des Kongresses zugesagt wurden. Auch hätte die Vereinbarung öffentlich gemacht werden sollen. Gouverneur Fernando Toranzo Fernández sei somit seiner Rechenschaftspflicht nicht nachgekommen.

Auch wenn das Vorgehen letztlich sogar rechtens ist, so seien die Vergünstigungen für ein Privatunternehmen angesichts knapper öffentlicher Mittel für Bildung, Gesundheitswesen und öffentliche Sicherheit zumindest unmoralisch, wenn nicht skandalös, schimpfte das linke Blatt. "Die Vereinbarungen zwischen dem schwachen Bundestaat und dem mächtigen ausländischen Unternehmen (…) stellen ein genaues Abbild dessen dar, wie multinationale Konzerne gewisse lokale öffentliche Verwaltungen ausnutzen", resümierte La Jornada.

Mexiko und deutsche Autobauer

Das BMW-Werk soll 2019 die Produktion aufnehmen. "Mexiko ist ein idealer Standort für die BMW-Gruppe", sagte Krüger damals. "Der gesamte amerikanische Kontinent ist einer der wichtigsten Wachstumsmärkte für die BMW-Gruppe." Zuvor hatten bereits Audi und Daimler (gemeinsam mit Nissan) neue Werke in Mexiko angekündigt. Audi will bereits 2016 die Produktion starten, Daimler-Nissan im Jahr darauf. Nach Konzernangaben planen BMW und Audi, jeweils 150.000 Neuwagen pro Jahr zu fertigen, Daimler-Nissan sogar 300.000.

Mexiko entwickelt sich damit immer mehr zu einem Fertigungsstandort für die deutsche Autoindustrie. Die Beziehung Mexikos zu deutschen Autoherstellern begann vor 50 Jahren mit der Fertigung günstiger Kleinwagen. Ikone dieser Entwicklung war der VW-Käfer, der noch heute das Stadtbild von Mexiko-City prägt. Volkswagen baute den Kleinwagen von 1964 bis 2003 in seinem Werk in Puebla und wurde zum Wegbereiter für andere Hersteller.

Allein seit 2012 haben internationale Autokonzerne 32 neue Projekte in Mexiko im Wert von rund 13 Milliarden US-Dollar angekündigt. "Mexiko ist zum Drehkreuz des Autohandels in der westlichen Hemisphäre geworden", sagte Michael Robinet von der Unternehmensberatung IHS Automotiv gegenüber Bloomberg. "Mexiko hat gezeigt, das es Wagen aller Art fertigen kann."

Mittlerweile ist Mexiko zum achtgrößten Autobauer und viertgrößten Autoexporteur der Welt aufgestiegen. Im Jahr 2013 wurden mehr als 2,9 Millionen Autos in dem lateinamerikanischen Land gefertigt, laut der Vereinigung der Mexikanischen Automobilindustrie (AMIA) ein Zuwachs von 1,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ungefähr 2,5 Millionen Autos wurden exportiert, davon mehr als 70 Prozent in die USA.

Warum gerade Mexiko?

In den vergangenen Jahren haben gerade höherwertige Marken das Land für sich entdeckt. Die Pläne von BMW, Audi und Daimler-Nissan sprechen Bände. "Es war eine recht einfache Entscheidung", sagte Bernhard Eich, BMW-Direktor für das Werk in San Luis Potosí zur Wahl des Produktionsstandorts. "Wir sind sicher, ausreichend ausgebildete Mitarbeiter zu finden. Außerdem gibt es viele Zulieferer in Mexiko." Als Absatzmarkt spielt Mexiko allerdings bislang nur eine untergeordnete Rolle. 2013 verkaufte BMW gerade einmal knapp 14.000 Fahrzeuge in dem Land, weltweit waren es fast zwei Millionen. Die USA waren dagegen nach China der zweitgrößte Absatzmarkt. Rund 376.000 Autos lieferte BMW in den USA aus.

Durch das Freihandelsabkommen NAFTA ist Mexiko als Standort für Autobauer mit Blick auf den US-Markt äußerst interessant, hinzu kommen, wie von Eich erwähnt, qualifizierte Arbeitnehmer und erfahrene Zulieferer. Unerwähnt blieb ein möglicherweise ebenso gewichtiger Grund. In kaum einem anderen Land sind die in der Autoindustrie gezahlten Stundenlöhne so niedrig wie in Mexiko. Trotz des Aufschwungs der Autoindustrie sanken einer Anfang des Jahres von Alex Covarrubias Valdenebro und der Friedrich-Ebert-Stiftung in Mexiko veröffentlichten Studie zufolge die Stundenlöhne in Mexikos Autoindustrie zwischen 2008 und 2012 um mehr als 10 Prozent - von 8,69 US-Dollar auf 7,80 US-Dollar/Stunde. Den Arbeitern am Fertigungsband wurde sogar nur zwischen 3,60 und 3,90 US-Dollar gezahlt.

Mexiko verwandele sich in ein "westliches China" - mit hohen Investitionen in der Autoindustrie, attraktiv vor allem wegen der günstigen Arbeitskraft, hieß es in der Studie. Während die Löhne zurückgingen, nahm die Produktivität jährlich um 4,3 Prozent zu und der Wert der Produktion stieg um fast 40 Prozent, das heißt, die Gewinne der Unternehmen stiegen auf Kosten der Arbeiter.

Deshalb, so Covarrubias, "müssen wir den Arbeitsmarkt und die Einkünfte der Arbeiter im Automobilsektor neu beleben und stärken, denn in der Geschichte hat es noch keinen Binnenmarkt gegeben, der robuster geworden wäre, ohne die Lebensqualität seiner Arbeitnehmer zu erhöhen."