Zum Inhalt springen

Nach Folter-Vorwürfen Mexiko wirft Uno-Berichterstatter Amtsmissbrauch vor

Die Uno hat schwere Foltervorwürfe gegen Mexiko erhoben, nun schlägt die Regierung des Landes empört zurück. Außenminister Meade beschuldigt den Berichterstatter, "unprofessionell" gearbeitet zu haben.
Festnahme von Drogenboss Omar Trevino Morales: Mexikos Polizei soll bei Verhören Stromschläge und Erstickungssimulation einsetzen

Festnahme von Drogenboss Omar Trevino Morales: Mexikos Polizei soll bei Verhören Stromschläge und Erstickungssimulation einsetzen

Foto: EDGARD GARRIDO/ REUTERS

Das erste Dementi folgte umgehend, und es fiel vergleichsweise vorsichtig aus. Wenige Stunden, nachdem der Uno-Sonderberichterstatter Juan Méndez Anfang März der mexikanischen Regierung systematische Folter im Umgang mit Verdächtigen vorgeworfen hatte, reagierte Jorge Lomónaco, Uno-Vertreter Mexikos in Genf. Der Vorwurf, Misshandlungen von Festgenommenen seien in Mexiko "allgemein üblich", entspreche nicht der Realität, schrieb Lomónaco in einer Erklärung. Keine Spur von Einsicht oder auch nur dem Willen, den Bericht zu prüfen.

Es ist ein bekanntes Muster: Jedes Mal, wenn sich Politiker, Menschenrechtsorganisationen oder eine Persönlichkeit wie der Papst kritisch zur Situation im Land äußern, antwortet die Regierung mit Dementi und Widerspruch. Kritik ist den mexikanischen Machthabern unter keinen Umständen willkommen. Abwiegeln ist Staatsdoktrin.

So war es schon unter Präsident Felipe Calderón, der bis 2012 regierte und der konservativen Partei PAN angehört. So war es auch lange unter seinem Nachfolger Enrique Peña Nieto. Doch seit ein paar Monaten hat die Regierung die Strategie geändert. Während Calderón sich vor allem eingeschnappt zeigte, lässt Präsident Peña Nieto von der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) diejenigen attackieren und diskreditieren, die Kritik äußern.

Folter bis zum Tod

Das bekommt Méndez, Uno-Sonderberichterstatter für Folter, derzeit besonders zu spüren. In seinem Fall hat Mexikos Regierung jegliche diplomatische Zurückhaltung aufgegeben. Nach Uno-Vertreter Lomónaco polterte Vizeaußenminister Juan Manuel Gómez Robledo, und zuletzt meldete sich Außenamtschef Jorge Antonio Meade selbst zu Wort: Méndez habe "unprofessionell" und "unethisch" gearbeitet, er habe sich mit anderen "Regierungen gutstellen" wollen, hieß es.

Der argentinische Uno-Jurist missbrauche sein Amt für "politische Zwecke" und um Aufmerksamkeit in den Medien zu finden. Beweise für die Behauptungen legte die Regierung allerdings nicht vor.

Dass sich die Mexikaner über den 21 Seiten langen Bericht ärgern, ist verständlich: "Folter und Misshandlung in der Haft sind allgemein üblich", lautet einer der schweren Vorwürfe. Polizisten und Militärs versuchten regelmäßig, Informationen von Festgenommenen mittels Tritten, Stromschlägen, Erstickungssimulation mit Plastiktüten, Waterboarding und im Falle von Frauen mit sexueller Misshandlung zu erlangen. Nicht selten endeten die Verhöre mit dem Tod des Verdächtigen, heißt es dort.

"Nähert sich einem autoritären Regime an"

Anstatt jedoch die Vorwürfe ernst zu nehmen, die ähnlich auch Menschenrechtsorganisationen im In- und Ausland erhoben haben, wurde der Überbringer der Botschaft verunglimpft. Die Regierung fühle sich angesichts der harten Kritik und der Skandale der vergangenen Monate in die Ecke gedrängt und schlage nun zurück, sagt Kriminalitätsexperte Edgardo Buscaglia.

"Mexiko entfernt sich immer mehr von einem demokratischen Rechtstaat und nähert sich einem autoritären Regime an", warnte der Professor der New Yorker Columbia-Universität im Gespräch. Carmen Aristegui, Journalistin und kritischste Stimme des politischen Systems in Mexiko, ergänzt: Der Staat zeigt seine "jähzornige und rücksichtlose" Seite.

Ähnlich lautet die Kritik von Amnesty International (AI). Durch die Attacken auf Méndez verliere Mexiko viel von der "Glaubwürdigkeit in Menschenrechtsfragen", die sich das Land international erworben habe, moniert AI-Mexiko-Direktor Perseo Quiroz. "Uns besorgen Angriffe auf Organisationen, die Versäumnisse bei den Menschenrechten im Land thematisieren".

So kritisiere die Regierung im Fall der 43 verschwundenen und vermutlich ermordeten Studenten von Ayotzinapa die Empfehlungen des Uno-Komitees gegen gewaltsames Verschwindenlassen und diskreditiere die Arbeit der unabhängigen argentinischen Rechtsmediziner, die von den Eltern der Studenten beauftragt wurden. "Gegen Juan Méndez hat die Regierung den Tonfall noch einmal deutlich verschärft", sagte AI-Direktor Quiroz.

Der Uno-Berichterstatter selbst hat seine Untersuchung dieser Tage in einem Brief an die mexikanische Regierung verteidigt. Méndez, Anwalt und Hochschullehrer, besitzt 40 Jahre Erfahrung beim Schutz der Menschenrechte. Mitte der Siebzigerjahre verteidigte er politische Gefangene der argentinischen Militärdiktatur und wurde dafür später selbst inhaftiert.

Die Affäre Méndez nährt die Befürchtung, dass sich die Regierung von Präsident Peña Nieto auf alte autoritäre Zeiten der früheren PRI-Regierungen zubewegt. Die Partei herrschte zwischen 1929 und 2001 insgesamt 72 Jahre lang mit harter Hand, Korruption, Wahlfälschung und dem Segen des organisierten Verbrechens über Mexiko. Auch wegen ihrer scheinbaren Ewigkeit an der Macht heißt die PRI im Volk nur "Dinosaurier".

Nach zwölf Jahren Pause kehrte Ende 2012 eine angeblich geläuterte und gesäuberte Partei zurück. Doch die vergangenen Monate stehen für etwas anders. Nicht nur äußere Kritiker werden attackiert, auch die Pressefreiheit im Land wird durch Angriffe von Staatsvertretern auf Reporter eingeschränkt, Massaker des Militärs an Unschuldigen werden vertuscht. Daher ist sich die Journalistin Aristegui sicher: "Der Dinosaurier bewegt sich und wirft die Fesseln ab".