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Partner mit Redebedarf

Nicolas Martin10. April 2016

Beim Besuch des mexikanischen Präsidenten in Berlin geht es vor allem um Imagepflege. Korruption und Drogenkrieg nagen am Ruf des Landes. Deutschland will da unterstützen - doch die geplante Hilfe ist umstritten.

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Brüssel Celac Gipfel Enrique Pena Nieto und Angela Merkel
Bild: E. Dunand/AFP/Getty Images

Bei seinem Deutschlandbesuch gibt Enrique Peña Nieto den Startschuss zu einem binationalen Jahr. Gemeinsam mit dem Bundespräsidenten Joachim Gauck wird er in Berlin eine Ausstellung über die Maya eröffnen. Es ist der Auftakt eines Jahres mit einer Fülle von Veranstaltungen in Deutschland und Mexiko. Für den Politikwissenschaftler und Mexiko-Kenner Günter Maihold sind diese Veranstaltungen eher "ein Instrument, um die Sichtbarkeit Mexikos in den wichtigsten Partnerländern zu erhöhen und sich als Investitionsstandort und Wirtschaftspartner attraktiv zu machen."

Tatsächlich ist Mexiko auf Schmusetour in Europa: So gab es im vergangenen Jahr ein Partnerjahr mit England. Nieto drängt es zunehmend auf die internationale Bühne - auch in der Klimapolitik oder bei Friedensmissionen der UN mischt das Land inzwischen mit.

Mexiko Proteste Jahrestag vermisste Studenten aus Ayotzinapa (Foto:RONALDO SCHEMIDT/AFP/Getty Images)
Proteste zum Jahrestag der vermissten Studenten aus AyotzinapaBild: Getty Images/AFP/R. Schemidt

Während Nieto international Hände schüttelt, ist seine politische Leistung daheim umstritten. Einer Umfrage der mexikanischen Zeitung "Reforma" zufolge hat Nieto die niedrigsten Zustimmungswerte eines mexikanischen Präsidenten seit Mitte der 1990er Jahre. Die Wirtschaft wächst kaum, der niedrige Ölpreis reißt ein Loch in die Kasse und auch politisch rumort es. So lehnten erst vor Kurzem die Angehörigen von 43 vermissten Studenten aus Ayotzinapa eine Entschädigungszahlung der Regierung ab. "Unsere Entschädigung wird sein, wenn sie uns sagen, was geschehen ist", so der Sprecher der Familien Felipe de la Cruz.

Die Zutaten des Problems

Die mexikanische Presse strotzt nur so von Berichten über Verschwundene und Ermordete. Der Fall der vor anderthalb Jahren Verschwundenen treibt noch immer Tausende auf die Straßen. Nicht umsonst, denn Ayotzinapa enthält alle Zutaten des mexikanischen Martyriums: korrupte Polizisten, Drogenkartelle und die Unfähigkeit der Justiz, den Fall endgültig aufzuklären.

Seit Beginn der Amtszeit von Nieto Ende 2012 sind laut der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) in Mexiko über 94.000 Menschen getötet worden. 98 Prozent der Verbrechen blieben ungeahndet. Auch seien aktuell noch immer 25.000 Menschen vermisst. Mit diesen Zahlen warnte der CIDH vor wenigen Tagen vor einem "Rückfall Mexikos in den Autoritarismus". Auch wenn diese Zahlen im Vergleich zu anderen sehr hoch gegriffen erscheinen, ist das zentrale Problem klar umrissen: die Straflosigkeit.

DW Quadriga - Günther Maihold
Politikwissenschaftler MaiholdBild: DW

Für die Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke, Heike Hänsel, sind deshalb die staatlichen Institutionen Teil des Problems:"Es gibt ein Desinteresse etwas an der Situation zu ändern." Hänsel fordert deshalb, dass beim Besuch Nietos die Sicherheits- und Menschenrechtssituation in den Vordergrund gerückt wird. "Die politischen Verantwortlichen müssen auch in die Verantwortung genommen werden", so Hänsel.

Deutsche Gewehre

Beide Länder planen seit Längerem ein gemeinsames Sicherheitsabkommen. Demnach soll Deutschland der mexikanischen Polizei im Drogenkrieg unter die Arme greifen. Aktuell liegt das Abkommen jedoch auf Eis, auch weil noch immer nicht abschließend geklärt ist, wie Tausende deutsche Sturmgewehre der Firma Heckler & Koch zwischen 2006 und 2009 in die Hände krimineller Banden gelangen konnten. Der Fall bekommt zusätzlich Brisanz, weil die Gewehre auch gegen die Studenten von Ayotzinapa zum Einsatz gekommen sein könnten.

Die Linken-Abgeordnete Hänsel fordert auch deshalb ein generelles Rüstungsexportverbot für Mexiko. Auch ein Sicherheitsabkommen dürfe nicht zustande kommen, "weil es den Konflikt vor Ort noch verschärfen wird und Strukturen stärkt, die Teil des Problems sind."

Heike Hänsel Die Linke im Bundestag (Foto: imago/Metodi Popow)
Heike Hänsel Abgeordnete des Bundestages und stellvertretende Vorsitzende der LinksfraktionBild: imago

Günther Maihold, stellvertretender Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik sieht das geplante Sicherheitsabkommen dann als sinnvoll an "wenn es die Stärkung rechtsstaatlicher Mechanismen fördert." Aktuell laufe ein Austausch von Gerichtsmedizinern zwischen beiden Ländern, der auch im Rahmen des Abkommens vereinbart worden sei. An so einer Kooperation sei nichts auszusetzen, so Maihold. "Fehlende technische Kompetenzen führen dazu, dass Geständnisse beispielsweise unter Folter erpresst werden." Mit dem nötigen Wissen könnten Beweise auch anders erbracht werden. Das reduziere dann auch die Straflosigkeit.

Florierende Wirtschaftsbeziehungen

Heike Hänsel befürchtet, dass beim Besuch des mexikanischen Präsidenten vor allem wirtschaftliche Fragen im Mittelpunkt stehen: "Das ist ähnlich wie mit der Türkei. Die Wirtschaftsbeziehungen boomen und da hält man sich dann zurück bei Menschenrechtsfragen." Tatsächlich ist Deutschland für Mexiko der wichtigste Handelspartner innerhalb der Europäischen Union. Und auch für bisher rund 1700 deutsche Firmen ist Mexiko attraktiv. Die Arbeitskraft ist deutlich günstiger und durch eine Freihandelszone zwischen Mexiko und den USA gelangen die Produkte zollfrei in einen der größten Märkte der Welt.

VW eröffnet sein 100. Werk (Foto: Foto: Michael Gottschalk/dpa)
VW produziert in Mexiko Autos für den US-MarktBild: picture alliance / dpa

Daneben sei Mexiko wegen seines zunehmenden internationalen Gewichts auch strategisch für Deutschland interessant, so Meinhold. "Mexiko nimmt zwischen Ländern, die stark nach einer Süd-Süd-Kooperation streben - wie China, Indien und Südafrika - und den klassischen Industrieländern, eine Vermittlerrolle ein." Für Deutschland sei ein Schulterschluss alleine schon mit Hinblick auf den G-20 Gipfel im Juli des kommenden Jahres von Vorteil. Bis sich die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer im Juli 2017 in Hamburg treffen, gibt es noch Gelegenheit zum Reden. So zum Beispiel beim Startschuss des bilateralen Partnerjahres in Mexiko. Das soll später im Jahr erfolgen.