Mexiko stehen aufrührerische Zeiten bevor

Präsident Peña Nieto zu Gasolinazo. Bild: Screenshot aus YouTube-Video

Die Abschottung und der Protektionismus der neuen Trump-USA werden die prekäre Lage in dem großen mittelamerikanischen Land und den Widerstand weiter zuspitzen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Seit Jahresbeginn kommt es in Mexiko zu großen Demonstrationen, die auch im ganzen Land nicht abreißen. Dabei werden zum Teil auch Barrikaden gebaut, Tankstellen blockiert, Läden geplündert. Bei Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften gab es bisher mindestens sechs Tote. Vordergründig wird gegen den "Gasolinazo" protestiert. Denn die konservative Regierung unter Peña Nieto hat die Spritpreise liberalisiert, was zu einer Erhöhung um bis zu 20,1% zum Jahreswechsel führte und die Lage wird sich mit der Übernahme der Amtsgeschäfte durch Donald Trump in den USA weiter zuspitzen.

Mit dem Gasolinazo wird wieder einmal besonders die einfache Bevölkerung getroffen. Zudem führt die Erhöhung von Treibstoffpreisen zu Preisschüben, die sich letztlich praktisch auf alle Güter und deutlich auf die Inflation auswirken werden. Tatsächlich sind die Preiserhöhungen nur die berühmten Tropfen, die ein bis zum Rand mit Unmut und Empörung gefülltes Fass zum Überlaufen bringen. Man hat es mit einem aufbrechenden Proteststurm gegen eine abgewirtschaftete Regierung und eine gierige Elite zu tun. Angesichts des Währungsverfalls, trüber Wirtschaftsprognosen und der angekündigten Trump-Politik, Mexiko mit Zöllen zu belegen, die Verlagerung von Produktion ins Nachbarland zu verhindern und die USA gegen Zuwanderung abzuriegeln, braut sich in dem großen Land mit seinen 125 Millionen Bewohnern ein perfekter Sturm zusammen.

Der dünne Lack der konservativen Regierung unter Staatspräsident Enrique Peña Nieto ist längst ab. Spätestens am 100. Revolutionsjubiläum hatte dies eine Massendemonstration gezeigt. Sie machte mit Bezug auf die Revolution 1914 klar, die Peña Nietos "Partei der Institutionellen Revolution" (PRI) nur noch im Namen führt, dass man in Mexiko nichts mehr von einer Regierung hält, auf die auch "international mit viel Hoffnung" gesetzt wurde, weil sie als "konsensorientierte Reformregierung" gesehen wurde, schreibt die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Dabei ist sie auf eine neue Rhetorik hereingefallen, mit der die alten Rezepte anders verkauft werden sollten.

Tatsächlich steht die PRI für Jahrzehnte der Korruption, Vettern- und Misswirtschaft. Das hat sich auch unter Peña Nieto zu keinem Zeitpunkt geändert, der mit engen Beziehungen zu Drogenhändlern für Schlagzeilen sorgte. Bekannt ist, dass man in seiner PRI auch nicht vor Mord und Totschlag zurückschreckt, wie das blutige Vorgehen gegen streikende Lehrer in Oaxaca zeigte. Bisweilen greift man auch zu offenen Massakern wie 1968, als Studenten für eine ungestörte Olympiade niedergemetzelt wurden. Mit Blick auf die Verstrickungen staatlicher Stellen in das Verschwinden von 43 Studenten im Herbst 2014 - bis heute nicht aufgeklärt - stellt auch die konservative KAS fest, dass sich "der Krisenmodus der Regierung und des Landes signifikant beschleunigt hat".

Zeichen stehen auf Sturm

Der Bewegung der Angehörigen, Kommilitonen und Freunde, die das Verschwinden und die mutmaßliche Ermordung der verschwundenen Studenten nicht wie viele anderer solcher Verbrechen verängstigt hinnehmen wollte, ist zu verdanken, dass die unheilige Verquickung staatlicher Stellen in Tateinheit mit der Drogenmafia zum Teil ans Licht kamen. Durch ihre mutige Beharrlichkeit wurde ein Teil der dramatischen Missstände im Land national und international erneut auf die Tagesordnung gesetzt. Deshalb spricht auch die CDU-Stiftung von einer "Zäsur" und geht davon aus, dass in Mexiko die "Zeichen auf Sturm stehen".

Tatsächlich ist nach einem stürmischen Jahresbeginn in diesem Jahr wahrlich nicht mit einer Besserung zu rechnen. Man darf die massiven Proteste seit dem Jahreswechsel als erste Erschütterungen werten, die ein massives Beben im Land ankündigen. Dabei wären für viele Länder schon diese massiven Proteste gegen die Liberalisierung der Spritpreise im Rahmen eines Energiegesetzes solch ein Beben. Doch die Lage eskaliert mit dem Gasolinazo zum Jahreswechsel weiter.

Für viele weitere Aufhänger ist gesorgt. Die Pläne der Regierung sehen vor, die Spritpreise bis Ende 2018 in fünf Etappen freizugeben. Dabei ist schon jetzt klar, dass die Anhebung der Treibstoffpreise bereits Preisschübe bei Strom, im Transport und Nahverkehr nach sich gezogen hat. Weitere Schübe werden folgen und auch Nahrungsmittel werden sich dadurch zusätzlich verteuern. Ohnehin haben sich viele importierte Güter und Nahrungsmittel schon allein deshalb stark verteuert, weil der Peso gegenüber dem Dollar im vergangenen Jahr 20% an Wert verloren hat. Besonders stark ist der Absturz seit der Wahl von Donald Trump in den USA, als er an einem Tag bis zu 12% einbrach.

Für etwa 50 Millionen Menschen im Land, die schon jetzt oder unter der Armutsgrenze leben, geht es bei diesen Erhöhungen der Lebenshaltungskosten um die Frage der Existenz und ums nackte Überleben. Da Peña Nieto angesichts einer unter seiner Regierung ausgeuferten Verschuldung nun auf die absurde Austeritätspolitik setzt, sollen diese Erhöhungen auch nicht in anderer Form abgefedert werden. Spareinschnitte werden also die Bevölkerung weiter mobilisiert auf den Straßen halten.