Hunderte haben sich in Mexiko Erdbebenhilfe erschlichen

In Mexiko-Stadt haben Hunderte von Bewohnern von der Erdbebenhilfe profitiert, ohne ein Anrecht darauf zu haben. Beobachter warnen zudem vor dem Missbrauch von Spendengeldern aus dem In- und Ausland.

Romina Spina, Mexiko-Stadt
Drucken
Erdbebenopfer, die nicht mehr zu Hause wohnen können, erhalten einen Geldbetrag zur Deckung der Mietkosten. (Reuters)

Erdbebenopfer, die nicht mehr zu Hause wohnen können, erhalten einen Geldbetrag zur Deckung der Mietkosten. (Reuters)

Nach dem schweren Erdbeben vom 19. September ist es in Mexiko-Stadt zu Betrugsfällen bei Hilfeleistungen für Betroffene gekommen. Nach Angaben von Bürgermeister Miguel Ángel Mancera haben Hunderte von Personen einen Check von der Stadt erhalten, obwohl sie keinen Anspruch auf Unterstützung haben.

Beitrag an die Mietkosten

Das Konzept der Stadt sieht vor, dass jene, die wegen des Erdbebens vorübergehend in Notunterkünften übernachten müssen, einen Geldbetrag zur Deckung der Mietkosten erhalten. Den Betroffenen steht eine monatliche Hilfeleistung von 3000 Pesos (umgerechnet etwa 155 Franken) während dreier Monate zu. Die Dauer der Unterstützung könne bei Bedarf verlängert werden, liessen die Behörden wissen.

Bisher hat die Stadtverwaltung knapp über 20 000 Checks ausgestellt, rund 13 500 wurden überprüft. Die entsprechenden Kontrollen indes wurden erst nach der Zustellung der Gutschriften durchgeführt. Bis anhin entdeckten die zuständigen Behörden bei knapp 2100 Fällen Unregelmässigkeiten. Im Zentrum stehen dabei vor allem Empfänger, deren Immobilien keine Schäden aufweisen. Zudem stellte die Stadtverwaltung fest, dass einzelne Haushalte mehr als einen Check erhalten hatten. In weiteren Fällen hatten kleinere Geschäfte die Hilfeleistung der Stadt beansprucht – auch solche, deren Gebäude noch nicht fertig gebaut worden waren.

369 Tote und mehr als 8000 Verletzte – das ist die Bilanz des Erdbebens, das Mexiko am 19. September erschüttert hat. Hinzu kommt die grosse Zahl jener, die an Leib und Leben verschont geblieben sind, aber ihr Daheim verloren haben. – Catalina Martinez, 78, Hausfrau, vor den Überresten ihres Hauses. (Bild: Edgard Garrido / Reuters)
16 Bilder
Ana Maria Hernandez, 37, Kleiderverkäuferin, hat das Erdbeben überlebt. Ihre Tante ist hingegen in den Trümmern des gemeinsamen Hauses gestorben. (Bild: Edgard Garrido / Reuters)
Veronica Dircio, 34, Hausfrau, und ihre Söhne haben im Garten von Nachbarn Unterschlupf gefunden. Ihr Haus ist komplett zerstört worden. (Bild: Edgard Garrido / Reuters)
Prudencio Gutierrez, 66, Landarbeiter, hat einige wenige intakte Dinge aus seinem Haus bergen können. Das wertvollste darunter sei ihm der Hut. (Bild: Edgard Garrido / Reuters)
Luis Medina, 36, Landarbeiter, Maria Teresa Espinoza, 35, Hausfrau, sowie Maria de Jesus Medina, 9, haben das Bild der Heiligen Jungfrau gerettet. (Bild: Edgard Garrido / Reuters)
Teresa Luna, 49, Näherin, ist glücklich, wenigstens nicht ihren Hund verloren zu haben. (Bild: Edgard Garrido / Reuters)
Der wichtigste Gegenstand, den Maria Guzman, 70, Hausfrau, hat retten können, ist das Hochzeitsbild. (Bild: Edgard Garrido / Reuters)
Bei Maria Trinidad Gonzalez, 41, Hausfrau, sind es Kochtöpfe und weitere Utensilien aus der Küche. (Bild: Edgard Garrido / Reuters)
Luis Garcia, 79, war früher Bauarbeiter und sagt, dass keines der von ihm gemauerten Häuser eingestürzt sei. Die Buchstaben «HA» auf der Fassade stehen für «habitable» – dieses Haus ist also bewohnbar. (Bild: Edgard Garrido / Reuters)
Tomasa Mozo, 69, Hausfrau, blickt durch ein Loch im Dach. Sie habe seit dem Erdbeben Angst, ausser Haus zu gehen, und könne nachts nicht schlafen. (Bild: Edgard Garrido / Reuters)
Cenobia Riquelme, 76, Hausfrau, hat in den Trümmern den Mann verloren. Sie leidet an Alzheimer und sucht weiterhin jeden Tag aufs Neue nach dem Verstorbenen. (Bild: Edgard Garrido / Reuters)
Das Haus von Juan Sanchez, 53, Küster, ist verschont geblieben, die von ihm betreute Kirche hingegen nicht. Für deren Wiederaufbau hofft Sanchez nun auf staatliche Hilfe. (Bild: Edgard Garrido / Reuters)
Hector Guzman, 48, Landarbeiter und Gemeindeangestellter, zeigt das Modell eines provisorischen Hauses aus Bambus, welches er für seinen Vater baut. (Bild: Edgard Garrido / Reuters)
Jaime Delgado, 21, Landarbeiter, sucht in den Trümmern nach Metallteilen, um sie zu verkaufen. Die wirtschaftliche Lage sei schwierig. (Bild: Edgard Garrido / Reuters)
Miguel Najera, 50, Landarbeiter, wohnt fürs Erste in einem unversehrt gebliebenen Raum des Hauses. Er hofft auf die Unterstützung durch Verwandte aus den USA. (Bild: Edgard Garrido / Reuters)
Ventura Sanchez, 63, Hausfrau, sagt, was viele sagen: Sie sei traurig. Und sie hoffe, dass die Regierung ihre Versprechen einlöse und beim Wiederaufbau helfe. (Bild: Edgard Garrido / Reuters)

369 Tote und mehr als 8000 Verletzte – das ist die Bilanz des Erdbebens, das Mexiko am 19. September erschüttert hat. Hinzu kommt die grosse Zahl jener, die an Leib und Leben verschont geblieben sind, aber ihr Daheim verloren haben. – Catalina Martinez, 78, Hausfrau, vor den Überresten ihres Hauses. (Bild: Edgard Garrido / Reuters)

Seit der vergangenen Woche werden strenge Kontrollen durchgeführt. Die Behörden besuchen die einzelnen Adressaten der Checks, um deren tatsächlichen Bedarf an Hilfe zu überprüfen. Auch drei Wochen nach dem Beben leben in der Millionenmetropole immer noch über 900 Personen in Zeltlagern. Einige von ihnen haben sich über bürokratische Hindernisse beschwert beim Versuch, zusätzliche Unterstützung von den Behörden zu erhalten.

Was Betrüger anbelangt, hat Bürgermeister Mancera einen harten Kurs angekündigt. Die Stadtverwaltung plant, Strafanzeige zu erstatten gegen jene, die das System bewusst ausnutzen wollten. Dies sei möglicherweise nicht bei allen der Fall gewesen, die zu Unrecht einen Check erhalten hätten, erklärte Mancera. So soll es Betroffene geben, die nicht wussten, dass jemand im gleichen Haushalt die Hilfeleistung bereits beansprucht hatte. Man werde die Unregelmässigkeiten von Fall zu Fall überprüfen, sagte der Bürgermeister.

Bis zu drei Jahre Gefängnis

Der Generalstaatsanwalt von Mexiko-Stadt, Edmundo Garrido, wies darauf hin, dass Betrüger nebst Bussen eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren riskierten. Allfällige Ermittlungsverfahren sollen in den nächsten Tagen eingeleitet werden.

Unabhängige Beobachter warnten derweil vor Korruption bei der Verwaltung der Katastrophenhilfe. Hilfsgelder aus dem In- und Ausland könnten für politische Zwecke missbraucht werden, heisst es. Im Juli 2018 finden in Mexiko Wahlen statt. Befürchtet wird, dass ein Teil der für den Wiederaufbau bestimmten Spenden in politische Kampagnen fliesst.