Projekt 169 des Netzwerkes der Gemeindeverteidiger

La Jornada/Ojarasca vom 01.07.2001
Ojarasca (Monatsbeilage der LaJornada)
übersetzt von: Dana

 

Ausgeübte Selbstbestimmung

Die Gemeinden von Chiapas die am Netzwerk der Gemeindeverteidiger von Chiapas beteiligt sind, organisieren gegenwärtig Aktionen und Initiativen, um ihre Rechte als indigene Völker zu stärken und ihre Ablehnung der indigenen "Gegenreform" zum Ausdruck zu bringen. Als Teil dieses Prozesses plannen diese Gemeinden, durch ihre Gemeindeverteidiger an die Internationale Arbeiterorganisation ILO eine offizielle Klage wegen der Verletzung der ILO Konvention 169 über Indigene und Stammesvölker in Unabhängige Länder einzureichen. Im Unterschied zu vergangene Fälle, die den internationalen Institutionen von Nichtregierungsorganisationen vorgelegt worden sind, schlägt das Netzwerk der Gemeindeverteidiger vor, dass diese Klage von den indigenen Völker selbst kommt, dass es in den betroffenen Gemeinden aufgestellt werden soll, und somit zu einer Ausübung der juristischen Selbstbestimmung der indigenen Gemeinden wird.

Nichtregierungsorganisationen und Menschenrechte

Im Rahmen der häufigen und systematischen Verletzungen der Menschenrechte der indigenen Völker, haben sich Nichtregierungsorganisationen vermehrt, um die indigenen Völker vor dem Sturmangriff des Staates zu verteidigen. Die Arbeit dieser Organisationen war grundlegend für die Eindämmung des Krieges während 1994 und 1995. Zusätzlich dazu haben NGO’s durch Denunzierungen und das Verbreiten von Informationen, grössere Menschenrechtsverletzungen verhindert.

Die NGO Menschenrechtsverteidigung erhob sich in dem historischen Kontext, in dem indigene Gemeinden von den staatlichen Strukturen so ausgeschlossen waren, dass es nötig war NGO’s als Vermittler zwischen den Gemeinden und dem Staat einzuschalten.

Im Allgemeinden wurden die Probleme und Entwicklungsangelegenheiten der indigenen Gemeinden von NGO’s aufgegriffen, während zahlreiche Regierungsinstitutionen versuchten die Gemeinden durch ihre Organisationen zu leiten oder zu kontrollieren. Andererseits jedoch haben NGO’s oft die Ansicht gefördert, Menschenrechtsverteidigung sei das exklusive Territorium von Anwälten, städtischen Agenturen und NGO’s, kurzum, von nicht-indigenen Akteuren.

Heute jedoch, haben die indigenen Völker damit begonnen ihre Gemeinden zurückzugewinnen, und ein grösseres Bewusstsein ihrer historischen Rolle in ihrer eigenen Transformation und Entwicklung zu schaffen. Sie fordern das Recht sich an die staatlichen Strukturen zu beteiligen zu denen sie als Bürger gehören, und in Fragen die sie direkt betreffen, entscheidungsbildende Verantwortungen zu übernehmen. In diesem Rahmen übernehmen die Gemeinden ihre eigene Menschenrechtsverteidigung als ein anderer Ausdruck ihrer Selbstbestimmung und Autonomie.

"In unserer eigenen Verteidigung"

Das Netzwerk der Gemeindeverteidiger für Menschenrecht setzt sich aus 16 indigene Vertreter aus neun Regionen von Chiapas zusammen: Altamirano, Palenque, das Hochland von Tila, die Ebenen von Tila, dem Grenzgebiet, dem Zentrum, San Jerónimo Tulijá, Salto de Agua-Palenque und Tuxtla — alle Regionen, die von schweren staatlichen Verletzungen und häufigen Angriffen auf die Menschenrechte gekennzeichnet sind.

Die Verteidiger wurden in Versammlungen in ihren Heimatgemeinden gewählt. Im Gegenzug haben sich die Verteidiger verpflichtet, sich in die Menschenrechtverteidigung der Gemeindebewohner auszubilden. Die Verteidiger werden regelmässig vor den Versammlungen einberufen, um über ihre Arbeit Bericht zu erstatten, und Instruktionen, Kritik und Vorschläge entgegenzunehmen.

Das Slogan des Netzwerkes, "in unserer eigenen Verteidigung" reflektiert seine Gemeindebasis; es betont die Tatsache, dass es die Gemeinden selbst sind, die durch ihre gewählten Verteidiger die Verteidigung und Erledigung ihrer eigenen Probleme übernehmen. Das bedeutet jedoch nicht, das Netzwerk würde sich nicht mit anderen NGO’s koordinieren, das tut es, aber in dem Sinn kooperativer Beziehungen und Unterstützung, die auf Gleichberechtigung und gegenseitigem Respekt basieren.

Die Verteidiger sind dafür ausgebildet von den jeweiligen nationalen Institutionen und Instrumente zur Menschenrechtsverteidigung Gebrauch zu machen. Sie werden mit den nötigen Werkzeugen und der Übung versorgt, um grundsätzliche gesetzliche Beratung zur Verfügung stellen zu können, und den gerichtlichen Autoritäten schriftliche Berichte vorzulegen. Die Verteidiger sind auch in den Gebrauch von Videokameras, Fotoapparate, Faxgeräte und Computer ausgebildet.

Die Gemeindeverteidiger sind zu der effektivsten Form von Antwort auf Menschenrechtsverletzungen geworden, weil sie in den Orten an denen diese Verletzungen am wahrscheinlichsten sind leben und arbeiten (einige Verteidiger haben bescheidene Büros in ihren Regionen). Sie können sich der Opfer solcher Verletzungen in ihrer eigenen Sprache annehmen, und können ihre Fälle unter Berücksichtigung der Bedürfnissen und Belange der Gemeinden verteidigen. Darüberhinaus, bildet die Arbeit der Gemeindeverteidiger einen Teil eines breiteren Kampfes für Menschenrechte, Selbstbestimmung und die Autonomie der indigenen Völker.


Der "Heilige Frieden" des Präsidenten

"In einem Staat, in dem die Untertanen nur von Furcht daran gehindert werden die Waffen zu ergreifen, sollte man eher davon sprechen, dass es sei frei von Krieg ist, anstatt zu sagen es habe Frieden. Den Frieden ist nicht die blosse Abwesenheit on Krieg, sondern eine Eigenschaft die einer Stärke des Geistes entspringt."

Benedict Spinoza



Trotz der Erklärungen von Präsident Vicente Fox, seine Administration würde eine neue ära des Respektes für die Rechte der indigenen Völker darstellen, und dass diese Völker nun im Frieden lebten, haben sich die Aggressionen gegen die indigenen Völker erneut verstärkt. Seit dem Tag an dem die EZLN ihre Ablehnung der Verfassungsreform für indigene Rechte und Kultur verkündet hat, haben Gemeinden von Chiapas den Wiederbeginn des Krieges niedriger Intensität denunziert.

Durch Presseerklärungen und Berichte die von dem Netzwerk der Gemeindeverteidiger veröffentlicht worden sind, haben die Gemeinden von Chiapas folgendes denunziert: eine Verstärkung der militärischen Bewegungen und Überflüge (in den autonomen Bezirken von Vicente Guerrero, Ricardo Flores Magón, und San Pedro Polhó); Aggressionen durch die Bundesarmee (in den autonomen Bezirken von Ricardo Flores Magón und San Isidro el Ocotal, Bezirk von San Cristóbal de las Casas); die Ausbildung neuer paramilitärischer Truppen (in dem zapatistischen Aguascalientes von Roberto Barrios und dem autonomen Bezirk von San Pedro Michoacán); die Intensivierung von Agrarkonflikten (in Rivera Buena Vista, Bezirk von Suchiapa, San Caralampio Chavin, Bezirk von Socoltenango, und dem Bezirk von Nicolas Ruíz); sowie die fortwährende Ignorierung der über 16,000 Vertriebenen des Bundesstaates, und der zahlreichen politischen Gefangenen (der zapatistischen Unterstützungsbasen, den autonomen Autoritäten von Ixtapa, und der Mitglieder der Campesino Union Francisco Villa). In Chiapas hat es eine Widerkehr der militärischen Abordnungen, Kontrollposten und Patrouillen gemischter Operationsbasen (gebildet aus Soldaten und Angehörigen der Staats- und Bundespolizei) und der öffentlichen Sicherheitskräfte gegeben.

Zusätzlich dazu, wurden am 14 Mai dieses Jahres 11 Mitglieder der paramilitärischen Gruppe Paz y Justicia freigelassen. Unter den Freigelassenen befanden sich zwei ihrer höchsten Anführer, Samuel Sanchez Sanchez und Marcos Albino Torres, die trotz vielfacher Voruntersuchungen zu Anklagen die sich in den letzten sechs Jahren angesammelt haben, zu Mord, Verschwindenlassen, Vergewaltigung, Plünderung und Vernichtung von Eigentum, in weniger als fünf Monaten, aufgrund "mangelnder Beweise" freigelassen wurden.

Diese Taten der Gewalt, des Terrors und der Ungerechtigkeit, reflektieren die Absicht der Regierung dem indigenen Kampf ein Ende zu bereiten, und sie werden nicht aufhören bis die Regierung die Rechte Menschen auf Autonomie und Selbstbestimmung anerkennt. Daher muss jeder Massnahme die mit dem Ziel ergriffen wird, die Menschenrechtsverletzungen gegen die indigenen Gemeinden zu beenden, die Anerkennung und die Ausübung der Autonomie und der Selbstbestimmung dieser Gemeinden als fundamentales Prinzip zugrundeliegen. Dies ist das Leitprinzip des Netzwerkes der Gemeindeverteidiger bei der Denunzierung der obengenannten Gewalttaten und seiner Suche nach Respekt für die Rechte der indigenen Völker gewesen.

Was sind die Rechte der indigenen Völker?

Der Kampf gegen die Kolonialisierung, die Mitte des 20 Jhds besonders intensiv gewesen ist, hatte im internationalen Gesetz die Unterzeichnung der U.N. Erklärung der Unabhängigkeit der Koloniestaaten und Völker (1961) zur Folge, und mit der Erklärung, die Anerkennung des Rechtes auf Selbstbestimmung als fundamentales Prinzip.

In den Jahren nach der Unterzeichnung dieser Erklärung haben die meisten afrikanischen und asiatischen Koloniestaaten ihre Unabhängigkeit erlangt. Aber vielen Völker die unter der Definition der "Subjekte" des Rechtes für Selbstbestimmung fallen, wird dieses Recht immer noch nicht zuerkannt. Die Indigenen Völker der Americas sind eine dieser Gruppen. Es gibt tatsächlich eine grosse Kontroverse über die Bedeutung des Wortes "Völker" in den Dokumenten der Vereinten Nationen, und insbesondere darüber, ob diese Bezeichnung die indigenen Völker der Americas miteinschliesst.

Es gibt keine gesetzliche Gründe, weshalb die indigenen Völker in die Kategorie der "Völker" auf die sich die UN Dokumente beziehen, nicht eingeschlossen werden sollten. Die Gründe weswegen ihnen die Eigenschaft von "Völker" verweigert wird, waren vollkommen politischer Natur, und beruhten in erster Linie auf die Interesen der Staaten sich ihre Integrität als solche zu bewahren. Diese Logik jedoch, hebt das indigene Recht auf Selbstbestimmung nicht auf, sondern verändert eher die Art ihrer möglichen Ausdrucksweise. Das heisst, wie die indigene Bevölkerung in Mexico fordert, die indigenen Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung als Teil des Staates und als indigene Bürger der Nation.

Das Recht der indigenen Völker auf Selbstbestimmung wird in der internationalen Gesetzgebung zunehmend anerkannt. Heute finden die indigenen Rechte ihre konkreteste Formulierung und Anerkennung in der Konverntion 169 der ILO. Diese Konvention setzt einen legalen Rahmen fest, innerhalb dessen Staaten sich gegenüber ihrer indigenen Völker auf einer Weise verhalten müssen, die die Rechte dieser Völker auf Selbstbestimmung anerkennt. Als Manifestation dieses Rechtes, verpflichtet Konvention 169 Staatsregierungen die Rechte der indigenen Bevölkerungen in folgenden Gesichtspunkten anzuerkennen und zu stärken: das Recht auf Land, das Recht bei Entscheidungen die sie direkt betreffen konsultiert zu werden, das Recht auf die Respektierung ihrer eigenen Institutionen und Bräuche, und das Recht ihre eigene Entwicklung zu leiten und zu kontrollieren.

Als Unterzeichner dieser Konvention, hat Mexico diesen legalen Rahmen und die sich daraus ergebende Respektierung der indigenen Rechte akzeptiert. Wie auch immer, sind die kürzlich erfolgten Verfassungsreformen und die andauernde Agressionen des Staates gegen die Gemeinden von Chiapas Signale der Fox-Administration, dass die mexikanische Regierung die volle Absicht hat, weiterhin sowohl das internationale Recht als auch die Rechte der indigenen Völker von Mexico zu verletzen.

Die Rechtsverfassung

"Das festgelegte Gesetz ist nicht unser Gesetz, unsere Gemeinden haben einen anderen Weg. Aber es ist sehr nützlich (das festgelegte Gesetz" zu verstehen, um uns vor der Regierung zu schützen." — Gemeindeverteidiger

In den Tagen nach der Bewilligung der Verfassungsreformen und dem Wiederbeginn des Krieges niedriger Intensität, riefen die Gemeinden die dem Netzwerk der Gemeindeverteidiger angehören. nach einer tatkrägtigen Antwort auf diese Taten durch ihre Verteidiger. Die Verteidiger beschlossen, die Rechte der indigenen Völker durch Projekt 169 auf internatonaler Ebene zu manifestieren. Das Ziel dieses Projektes ist es, der ILO eine formelle Klage oder "Repräsentation" gegen die mexikanische Regierung, für deren Verletzung der Konvention 169 vorzulegen.

Diese Repräsentation wird in erster Linie auf die vollständige Ablehnung der konstitutionellen Reformen zu den indigenen Rechte beruhen, auf der Grundlage, dass diese Reformen in keinster Weise die in Konvention 169 festgelegten Rechte der indigenen Rechte repektiert, "ihre eigenen Institutionen zu bewahren und zu stärken", oder ein kollektiver Landbesitzsystem aufrechtzuerhalten. Zusätzlich zu einer Anlehnung der Verfassungsreformen wird das Netzwerk seine Klage im Rahmen der ständigen Belästigung kontextualisieren, in dem die indigenen Gemeinden von Chiapas leben. Dies wird demonstrieren, dass die Absicht die Rechte der indigenen Völker zu verletzen, die in der neuen nationalen Gesetzgebung reflektiert wird, nur das neueste Beispiel der systematischen Misshandlung ist, dem diese Menschen unterworfen sind.

Diese Kontextualisierung von Projekt 169 wird durch drei spezifische Fälle festgelegt werden: der erste wird sich auf die paramilitärischen Aktivitäten und der Komplizität des Staates in diesen Aktivitäten konzentrieren; der zweite auf Selbstbestimmung und Territorium, und der Dritte auf ungerechte präsidentiale Landenteignungen und der konsequenten Militarisierung des Landes.

Die Neuheit der Arbeit des Netzwerkes der Gemeindeverteidiger und Projekt 169 liegt nicht einfach in der Konzentrierung auf konkrete Fälle von Menschenrechtsverletzungen in Chiapas, noch in ihrer formellen Ablehnung der konstitutionellen Reformen. Vielmehr ist es die Tatsache, dass es zum ersten Mal die indigenen Gemeinden selbst sind, die diese Taten innerhalb der internationalen gesetzlichen Arena denunzieren. Jeder der obengennanten Fälle, wird zunächst von den Generalversammlungen jeder Gemeinde bewilligit werden die sich daran beteiligt. Durch dieses Prozess der Bewilligung, und der Übertragung und Errichtung der Autorität und des davon implizierten Wissens, werden die Gemeinden während des Strebens nach nationaler und internationaler Anerkennung, innerlich gestärkt werden. Zusätzlich werden die Verteidiger selbst die Beweise sammeln und die Fälle aufbauen. Somit, wird das Projekt den Gemeindeverteidiger nicht nur ein legales Training geben, sondern auch die Möglichkeit, dass diese Gemeinden in der Lage sein werden sich in der internationalen gesetzlichen Arena selbst zu vertreten und zu verteidigen.


Unser Heute respektieren um unser Morgen zu errichten

"Wenn wir heute Indigenas sind, werden wir später alle sein, die tot, verfolgt und eingesperrt werden, weil sie anders sind."

Comandante Esther



Mit deser "Repräsentation" und durch ihrer demokratischen Struktur, strebt das Netzwerk der Gemeindeverteidiger danach, eine weitere Demonstration dafür zu sein, dass Selbstbestimmung nicht etwas ist das nur existiert wenn sie von der Regierung gestattet, oder von einer internationalen Institutione bewilligt wird. Es ist vielmehr eil Recht das täglich errichtet wird, basiernd auf dem Respekt vor der internen Organisation der indigenen Gemeinden, worduch die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen in und durch die Gemeinden selbst angesprochen werden.

Die indigenen Gemeinden von Chiapas erwerben weiterhin Werkzeuge und Elemente um sich selbst als autonome Wesenheiten zu stärken. Früher oder später, wird die Bundesregierung keine andere Wahl haben, als sie als solche anzuerkennen und zu respektieren. In der Zwischenzeit ist es an die Zivilgesellschaft, von unseren indigenen Brüdern und Schwestern zu lernen, ihre Lektionen durch die Ausübung unserer eigenen Rechte anzuwenden, und ihre Integrität und Reichtum als Volk anzuerkennen. Auf diese Weise, werden nicht nur die indigenen Völker, sondern unsere gesamte Nation die Freiheit und die Gerechtigkeit erlangen, die wir uns alle ersehnen.

Das Netzwerk der Gemeindeverteidiger von Chiapas


Wenn ihr daran interessiert seid Informationen über das Netzwerk der Gemeindeverteidiger von Chiapas und Projekt 169 zu erhalten, sendet eure E-Mail Addresse bitte an:
reddedefensores-at-dojo.tao.ca oder
project169-at-hotmail.com

 

Quelle: https://www.jornada.com.mx/


 

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