Religionswechsel als Verbrechen

Poonal vom 22.11.2005
Poonal Nr. 696

 

(Fortaleza, 14. November 2005, adital-poonal).- In der im Bundesstaat Chiapas gelegenen Ortschaft San Juan Chamula ist es ein strafbares Verbrechen, die eigene Religionszugehörigkeit zu ändern. So scheint es jedenfalls bei der Betrachtung der Geschichte von Miguel Hernández López. Der aus der indigenen Gemeinschaft von Chamula stammende Mann hatte die katholische Religion abgelegt und war zum evangelischen Glauben übergetreten. Die örtlichen Behörden entschieden, dass dies einen Gesetzesbruch bedeutete. Sie verurteilten ihn, nachdem ihm zeitweise Strom und Wasser abgeschnitten worden waren und er zwei Tage im Gefängnis hatte verbringen müssen, zu einer Strafe von 5000 mexikanischen Pesos (ca. 400 Euro).

Der Aussage der Familienangehörigen von Hernández López zufolge kam eine Gruppe "katholischer Traditionalisten" zu ihm nach Hause, um ihn dazu aufzufordern, vom evangelischen Glauben abzulassen, dem er sich kurze Zeit vorher zugewandt hatte. Nachdem er sich geweigert hatte, dieser Aufforderung nachzukommen, hätte die Gruppe ihm Wasser und Strom abgestellt und ihn vor die lokale Justiz gezerrt. Der Friedensrichter Mariano Hernández Hernández hätte ihn dann wegen des Deliktes des Religionswechsels ins Gefängnis gesteckt.

Die Familie von Lopez empörte sich über den Vorfall und forderte seine Freilassung. Diese erfolgte jedoch erst nach zwei Tagen, nachdem er versprochen hatte, eine Geldstrafe in Höhe von 5000 Pesos zu entrichten. Da er das Geld nicht sofort aufbringen konnte, wurde ihm "eine Frist bis spätestens zum 27. November" gewährt.

Dieser Vorfall geht auf fest gefügte Strukturen in vielen indigenen Gemeinden zurück, wonach "Stammesoberhäupter" (Caciques) das Leben in der Gemeinschaft dominieren und vor allem den Verkauf von alkoholischen Getränken und die Organisation großer Feiern kontrollieren. In den vornehmlich katholischen Gemeinden sind Protestanten den traditionellen Strukturen ein Dorn im Auge, da diese in der Regel Abstinenzler sind und sich nicht an den katholischen Festen beteiligen.

Das ist nicht die einzige Weise, in der den "Caciques" Einnahmen entgehen. Evangelikale Kreise fördern häufig auch die Subsistenzwirtschaft mit Gemüsegärten und der Haltung von Haustieren, so dass sie später weniger in den lokalen Läden kaufen. STREIT ZWISCHEN FOX UND CHÁVEZ HäLT AN (Mexiko-Stadt, 20. November 2005, poonal).- "Es lebe Mexiko!" brüllte der venezolanische Staatschef Hugo Chávez am vergangenen Wochenende (19. November) auf den Straßen von Caracas. Zuvor hatte der Linkspopulist bereits seine Verbundenheit mit dem "mexikanischen Volk" zum Ausdruck gebracht, in dem er zusammen mit Mariachimusikern einige mexikanische Lieder vorgetragen hatte. Der Grund des Spektakels: Nach einem knapp zweiwöchigen Streit mit seinem mexikanischen Amtskollegen Vicente Fox machte der Venezolaner mit einer Demonstration gegen die von Fox protegierte Gesamtamerikanische Freihandelszone (ALCA) mobil. Gemeinsam mit ihrem Präsidenten demonstrierten mehrere zehntausend Sympathisanten von Chávez, Mitglieder von Organisationen der "Bolivarianischen Revolution", gegen die ALCA, den US-Präsidenten George W. Bush und Fox, den das mexikanische Brudervolk nicht verdient habe.

Die Auseinandersetzung zwischen Fox und Chávez begann nach einem Treffen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), das Anfang November im argentinischen Seebad Mar del Plata stattfand. Auf dieser Konferenz scheiterte ein weiteres Mal der Versuch, eine Einigung über die ALCA zu erreichen. Im Anschluss an das Treffen bezeichnete der entschiedene ALCA-Gegner Chávez seinen mexikanischen Kollegen Fox als "Schoßhund des Imperiums", da sich Fox für die von Washington vorangetriebenen Freihandelspläne stark gemacht hatte. Etwas diplomatischer hatte Argentiniens Regierungschef Néstor Kirchner dem Mexikaner vorgeworfen, er "krümme seinen Kopf vor den Starken". Fox hatte Kirchner zuvor für das Scheitern der ALCA-Gespräche verantwortlich gemacht. Als Gastgeber hätte der Argentinier die Verantwortung dafür gehabt, "einen erfolgreichen Gipfel auszurichten". Dem venezolanischen Staatschef warf Fox vor, lediglich das Licht der Kameras gesucht und Menschen angeheizt zu haben. Chávez hatte vorher erklärt, die FTAA-Pläne würden in Mar del Plata endgültig zu Grabe getragen. Zudem hatte er vor 40.000 Globalisierungskritikern die USA scharf kritisiert.

Während die verbalen Querelen mit dem argentinischen Staatschef beigelegt wurden, spitzte sich der Streit zwischen Fox und Chávez zu. Der mexikanische Präsident forderte von seinem venezolanischen Kollegen eine Entschuldigung für die "Beleidigungen", Chávez hingegen setzte nach. "Legen Sie sich nicht mit mir an," warnte er Fox. Der Mexikaner und Chávez legten ihre bilaterale Beziehungen auf Eis. Die venezolanische Regierung rief ihren Botschafter aus Mexiko-Stadt ab, und kurz darauf reagierten auch die Mexikaner mit dem Abruf ihres höchsten diplomatischen Vertreters aus Caracas.

Der diplomatische Streit offenbart den tiefen Riss, der sich aufgrund der ALCA-Debatte durch den lateinamerikanischen Kontinent zieht. Unter der faktischen Führung Mexikos und Chiles unterstützen die Regierungen von 29 Staaten das Vorhaben, mit den USA und Kanada eine Freihandelszone von Alaska bis Feuerland aufzubauen. Dagegen nehmen die Länder des Wirtschaftsbündnisses Mercosur — Argentinien, Brasilien, Uruguay, Paraguay — sowie Venezuela eine kritische und zunehmend selbstbewusstere Position gegenüber ALCA ein. Da die fünf Staaten den USA in Mar del Plata eine einstimmige Absage erteilt hatten, bezeichnete Kirchner den OAS-Gipfel als "historisch" für den Mercosur.

Die zustimmende Haltung des mexikanischen Präsidenten Fox zum Freihandel mit den nördlichen Partnern stößt auch in Mexiko selbst auf scharfe Kritik. Gewerkschaften und große Bauernverbände fordern schon lange Nachverhandlungen des NAFTA-Vertrags, durch den das Land seit zwölf Jahren liberalisierten Handel mit den USA und Kanada betreibt. Angesichts des "peinlichen Auftritts" in Argentinien wollte die oppositionelle Parlamentsmehrheit dem konservativen Regierungschef sogar zunächst die nötige Zustimmung verweigern, um Mitte November zum Treffen der Asien-Pazifik-Staaten nach Südkorea zu reisen.

Chávez fühlt sich indes im Höhenflug. Am Sonntag vergangener Woche (12. November) zeigte er in seinem Fernsehprogramm "Aló Presidente" Videoaufzeichnungen der Debatten, die hohe Funktionäre und Staatschefs auf dem OAS-Gipfel hinter geschlossenen Türen geführt hatten. Unter anderem zeigen sie den US-Präsidenten George W. Bush, wie er vergeblich versucht, seine Kollegen von der FTAA zu überzeugen. "Die Gesichter sagen mehr als Worte," sagte Chávez.

Bis heute sind nun beide Seiten davon überzeugt, dass die jeweils andere sich zuerst entschuldigen müsse, um den diplomatischen Streit beizulegen. Die Diplomaten bleiben bis auf weiteres in ihren Heimatländern.


Quelle: poonal
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