Denuncia 2: Angriffe auf zapatistische Gemeinden der Region Patria Nueva
redajmaq.org vom 08.05.2022 | |
Denuncia über die gewaltsame Vertreibung der zapatistischen Gemeinden
La Resistencia und Emiliano Zapata
Jobel [San Cristóbal de Las Casas], Chiapas, Mexiko, 6. Mai 2022.
An den Congreso Nacional Indígena — CNI
An die Sexta Nacional und Internacional
An die Netzwerke des Widerstands und der Rebellion
An diejenigen, die die Erklärung für das Leben unterzeichnet haben
An die Menschen, die Würde und Organisierung säen
Gestern, am 5. Mai 2022, haben wir exakter die Gewaltmechanismen dokumentiert, mit der die paramilitärische Gruppe der Regionalen Organisation der Kaffeeanbauer von Ocosingo (ORCAO) vorgeht und die − angesichts der Straffreiheit und des Nicht-Handelns der mexikanischen schlechten Regierung und ihrer drei Ebenen (Staat, Bundesstaat, Landkreis) − die Kriegs- und Aufstandsbekämpfungsaktionen gegen die zapatistischen Gebiete schüren.
Wir bestätigen ausdrücklich die Aktion der paramilitärischen Gruppe der ORCAO, durch die 4 Familien mit 29 Personen der Gemeinde La Resistencia gewaltsam vertrieben wurden, ebenso wie die 11 Familien mit 54 Personen der Gemeinde Emiliano Zapata. Insgesamt sind es 83 Personen der beiden Gemeinden, die gewaltsam vertrieben wurden. Hinzu kommen noch die paramilitärischen Angriffe gegen die Gemeinden San Isidro und Moisés y Gandhi. Alle vier Dörfer gehören dem Caracol 10, dem Rat der Guten Regierung der Region Patria Nueva an.
Wir geben Euch hier die Zeug*innenberichte unserer zaptistischen Compañeras und Compañeros wieder − um mit ihren eigenen Stimmen die Situation, die sie leben, zu beschreiben,:
Zeug*innenbericht über die Vertreibung der Gemeinde La Resistencia: Die Aktionen begannen am 5. Mai, nach 24:00 Uhr. Alles begann damit, dass sie die Grundschule »8. Oktober« und das Haus eines Compañero der Zapatistischen Unterstützungsbasis (BAEZLN) niederbrannten.
»Wir leiden sehr stark unter dem, was wir erleben. Es war Nacht; wie die Compañera sagte, wir haben sehr gelitten. Ihr habt es nicht mit angesehen; sie schütteten Benzin aus und gaben einen Schuss darauf ab; und es brannte das Haus des Compas; ich beschimpfte sie, diese scheiß Typen der ORCAO; die Kinder hatten Angst; wir liefen zur Straße hin, eine Kugel ging nahe [an uns] vorbei; wir warfen die Kinder zu Boden; da ist soviel, was die von der ORCAO anrichten; meine Tochter ist krank, sie sieht nicht gut, sie fiel auf der Straße hin, als wir rennend flüchteten; so viel Leiden der Kinder; es ist viel, was wir erleben. Sie [die ORCAO] steckten sich 3.000 Peso aus dem kollektiven Laden ein, raubten Paletten mit Eiern und andere Produkte, die sich im zaptistischen Laden befanden. Wir nehmen nichts von der Regierung an, und immer noch plagen sie uns; sie [die ORCAO] werden von der Regierung unterhalten; und sie kommen, um uns fertig zu machen; und sie haben uns mit Schüssen vertrieben, mit einem Kugel-Hagel; die Kinder zogen wir mit uns, ohne Schuhe, so haben wir sie mit uns genommen.
Es war sehr hart, was passiert ist, es machte uns Schrecken; wir dachten, wir werden hier zurückbleiben; ich habe kleine Kinder; wir waren zusammen gedrängt und wir mussten gehen. Die Angreifer sind Francisco López und Santiz, Vicente, Feliciano und Abraham López Santiz; sie sind die Koordinatoren der ORCAO. Hier haben wir [vieles] an uns vorüber gehen lassen, aber in diesem Fall haben wir es nicht mehr ausgehalten; wir mussten sie rauswerfen, denn natürlich sind sie es, die uns rauswerfen wollen; wir tun [ihnen] nichts, wir widerstehen [lediglich]; sie jedoch erhalten Unterstützungen von der Regierung; wir haben Essen durch unsere Arbeit; sie haben sich den besten Teil unter den Nagel gerissen; seit drei Jahren gibt es bereits das Problem; mit Schüssen können wir nicht antworten; die Kinder waren sehr erschreckt; nun, wir sind gegangen und sie sind in die Häuser eingedrungen. Ich weiß nicht, wozu sie eindrangen, was sie machten; so verlief die Nacht. Es bekümmert uns wegen der Kinder; sie [die ORCAOs] kommen an, um mit Kugeln zu vertreiben.
Sie [die ORCAOs] fahren fort, uns mit ihren Wachposten zu beobachten; vielleicht dringen sie heute noch einmal ein; es gibt Gerüchte, dass sie heute nochmals eindringen werden. Sie haben großkalibrige Waffen; der Abraham trägt seine AK 47, seine Kalaschnikov.
Ein alter Mann der Zapatistischen Unterstützungsbasis ging als Letzter, die anderen Compañeros hatten bereits zuvor die Gemeinde verlassen; wir gingen voraus; er hat alles gesehen. Sie [die ORCAOs] drangen in den [kollektiven] Laden ein; er sagte ihnen, es wäre besser, wenn sie sich zurückziehen würden, der Compa hatte seine Machete dabei; jedoch die ORCAOs trugen ihre Schusswaffen und gaben damit zwei Schüsse in die Luft ab. Zuvor schon hatten sie die Grundschule niedergebrannt; sie entzündeten [das verschüttete Benzin] mit einem Schuss. Die ORCAOs drangen in unsere Häuser ein; wir, wir arbeiten, wir haben unser Mais-Bohnenfeld; und sie, sie rauben unsere jungen Maiskolben. Sie erhalten [Unterstützung] von der Regierung; sie lieben das Land nicht; sie wollen es, um es zu verkaufen, um es aufzuteilen und nicht, um es zu bearbeiten. Und deshalb sind wir es satt, so wütend, als wir nachts, unter Kugel-Hagel, den Ort nicht verlassen konnten. In der Schule »8. Oktober« gab es eine Tafel; hier werden 3 Stufen unterrichtet; unser [autonomer] Bildungsbeauftragter hat hier Unterricht gegeben. Zuerst haben sie Benzin ausgegossen, um dann mit einem Schuss dieses zu entzünden und die zapatistische Schule zu zerstören. Alle Häuser wurden geöffnet; in einigen wurden Sachen durcheinander geworfen, in einem Haus haben sie einen Sack mit neuer Mädchenkleidung mitgehen lassen.«
Zeug*innenberichte der zapatistischen Compañeras und Compañeros der Gemeinde Moisés y Gandhi: »Trotz der Gewalt der ORCAO widerstehen wir, wir haben ausgehalten, doch bis jetzt gibt es keinerlei Lösung … Sie wollen uns vertreiben; ihre Intention ist es, hier einzudringen, um Sachen, Tiere und Läden zu (be-)rauben. Wir verstehen nicht, warum sie so vieles machen. Sie rauben auch den jungen Mais, brennen unsere Häuser nieder, bishin zur Sekundarschule dort in Moisés; sie haben unsere Bananenpflanzung gefällt.
Am 26. April 2022, als wir zu zweit in die Kreuzung von Cuxulja einfuhren, nach etwa 250 Metern [trafen] wir auf 4 Personen als Polizisten verkleidet, die Gesichter vermummt; ich erkannte einen: Marcos López Gómez. Da war ein Baum; er sah, dass ich in die Straße hineinfahren will und stellte sich mitten auf die Straße, er trug einen SKS-Karabiner und fragte mich, wo ich war. Ich antwortete ihm, dass ich bei einer Kommission gewesen bin. Er meinte, ich sei ein Scheißdreck. Auf 3 Meter Entfernung schoss er auf mich, die Kugeln gingen an meinen Beinen vorbei. Die anderen Beiden sagten, er solle mir endlich eine verpassen. Danach schoss ein Anderer. Ihr Chevy war auf einem Feld geparkt, es waren vier Personen. Das geschah am 26. April 2002, nachmittags um 17:15 Uhr, offizieller Sommerzeit.
Am 27. April 2022 ging ich auf mein Maisfeld; 20 Quadratmeter (2 Tareas) waren abgeschnitten, dort lagen die jungen Maiskolben [auf dem Boden], ein wenig war mitgenommen worden. Ich denke, sie haben das am 26. April gemacht. Ich war dabei den Jungmais zu ernten als sie anfingen einige Schüsse auf mich abzugeben. Am 28. April 2022 war ich mit meiner Frau und meinen Kindern dabei Bohnen auszusäen als die Schüsse begannen. Unseren Compañeros aus Moisés haben sie auch ihre Parzellen der Mais-Bohnen-Felder angezündet. Wir haben das jetzt eine lange Zeit ausgehalten; nun sind wir es satt. Wir werden jedoch weiter fortfahren zu widerstehen, für das Leben zu kämpfen. Unser Kampf ist für das Leben.
Das sind diejenigen, die wir als Anführen ausmachen und die die Angriffe antreiben: Aus der Region 7 de Febrero sind es Tomas Santiz Gómez, Marcos López Gómez, Juan Santiz Gómez und Pedro Lopez Gomez y Joaquin. Aus San Antonio ist es Pedro Santiz López. Aus Sacrificio ist es Armando Santiz Gómez. Aus San Felipe ist Vicente Santiz Gómez.«
Zeug*innenberichte der Compañeras und Compañeros der Gemeinde San Isidro: »Am 2. Mai 2022, um 15:00 Uhr kamen die ORCAOs aus Sacrificio an, um aus etwa 300 Metern Entfernung 100 direkte Schüsse abzugeben. Als wir dem gewahr wurden, waren die Kinder beim Spielen. Beinahe haben die Schüsse eine junge schwangere Frau erreicht, beinahe wurde sie getroffen. Auch einer anderen Compañera kamen die Kugeln nahe, sie war abgelenkt. Das dauerte etwa eine Stunde an, danach kam der Beschuss näher. Bis zum Eintritt der Nacht lagen wir auf dem Boden, wir verblieben so bis 19:00 oder 20:00 Uhr. Der Lärm [des Schießens] war in der Schule von Sacrificio zu hören. Danach machten sie sich auf, gegen die Compas von [Emiliano] Zapata, die ganze Nacht über. In der Morgendämmerung des nächsten Tages gingen wir los, nach ihnen zu sehen; sie waren verängstigt, die Kinder weinten.
Seit 3 Jahren gibt es Beschuss, entsprechend der [Anzahl] der Munition. Sie fällen die Bäume, und verkaufen sie, um Gewehr-Kugeln zu kaufen. Wir wissen auch, dass sie die Straßensperre dann machen, wenn sie keine Munition mehr haben. Für ein keines Auto kassieren sie 50 Peso, für ein großes 100 oder 200 Peso. Lediglich den Anführern verbleibt das Geld.
Die schlechten Regierungen machen nichts, damit jene aufhören, uns Schäden anzurichten. Sie sind Komplizen.«
Compañeros und Compañeras, das sind die Zeug*innenberichte. Wir möchten Euch auch mitteilen, dass gestern, am 5. Mai 2022 − während des Rundgangs um die Schäden zu dokumentieren und zu besehen − eine Gruppe von ORCAOs die Häuser, in denen wir dabei waren die Situationsberichte aufzunehmen, mit Steinen bewarfen. Bei unserer Abfahrt wurde uns um 19:59 Uhr von einem erneuten bewaffneten Angriff durch die Gruppe der ORCAO berichtet − bei dem die Gemeinde von La Resistencia viermal beschossen wurde.
Wie wir informiert haben, dokumentiert und klagt das Netzwerk des Widerstands und der Rebellion Ajmaq seit 2019 öffentlich die Angriffe auf Jungen, Mädchen, Frauen, Männer, alte Frauen und Männer der Zapatistischen Unterstützungsbasis an. Sie sind diesen Angriffen der paramilitärischen Gruppe der ORCAO kontinuierlich ausgesetzt. Die ORCAO fährt ungestraft weiter damit fort, die zapatistischen Pueblos der Region Moisés y Gandhi zu attackieren. Die Angriffe haben sich ungestraft auf die gesamte Region Patria Nueva ausgedehnt.
Wir klagen die schlechte Regierung Mexikos auf ihren drei Ebenen [Staat, Bundesstaat, Landkreis] öffentlich aufs Schärfste an, Teil dieser kriminellen Aufstandsbekämpfungsaktionen zu sein und die Drangsalierung und Angriffe auf Gebiete der EZLN zu gestatten und zu schüren. Von dort aus geben und verteidigen die zapatistischen Pueblos − als Bewahrerinnen und Bewahrer des Lands − das Leben. Sie sind diejenigen, die die Madre Tierra, die Mutter Erde gegen die Projekte des Todes verteidigen und damit fortfahren das legitimes Recht ausüben, die Autonomien ihrer Pueblos aufzubauen und zu erhalten.
Compañeros und Compañeras wir rufen Euch − als [Anhänger*innen] der Sechsten Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald und als Netzwerke des Widerstands und der Rebellion dazu auf, dass wir alle − als Compañer@s im Kampf für das Leben und in Verteidigung der Madre Tierra − mit öffentlichen Anklagen und Solidaritätsaktionen demonstrieren: um zu fordern, diese Verbrecher, die Mitglieder der ORCAO sind, zu stoppen − damit endlich die Gewalt gegen das zapatistische Gebiet aufhört.
Solidarität mit den Pueblos Zapatistas!
Stopp den Aufstandsbekämpfungsaktionen gegen die Pueblos Zapatistas!
Stopp den paramilitärischen Aktionen der ORCAO!
Red de Resistencia y Rebeldía Ajmaq.
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