SIPAZ Bericht: Vol. XII Nr. 3 - Oktober 2005

SIPAZ-News vom 01.12.2005
SIPAZ

 

Politische Lage

MÉXIKO:
zwischen Vorwahlkampagne und der "Anderen Kampagne" der Zapatistas

Regierungsbericht des Präsidenten ohne große Erwartungen oder größere Auswirkungen

Anfang September präsentierte der mexikanische Präsident Vicente Fox Quesada, ein Jahr vor Ende seiner Regierungsperiode, seinen fünften Regierungsbericht. Dies war mehr ein protokollarischer Akt, kurz und ohne "harte Fakten". Präsident Fox konzentrierte seine Botschaft auf zwei zentrale Ideen. Den Übergang zur Demokratie und einen Aufruf zur Schaffung von Vereinbarungen. Dieser Aufruf, der sich vor allem an den Kongress richtete, scheint paradox, wenn man sich darauf besinnt, dass in den letzten 5 Jahren kaum signifikante politische Verträge geschlossen wurden und dass der Wahlkampf die Interessen der einzelnen Parteien noch verstärkt, was die Möglichkeiten, fundamentale Reformen, die auf einem Konsens beruhen zu treffen, stark einschränkt.

Dass die Präsentation des Regierungsberichtes dieses Jahr kaum Auswirkungen zeigt, hat vor allem damit zu tun, dass sich die politische Debatte in Mexiko auf den Wahlkampf konzentriert. Die Auswahl der Kandidaten für das Präsidentschaftsamt haben die wichtigsten Parteien schon getroffen, womit sich auch die internen Konflikte innerhalb der Parteien intensiviert haben.

PRI:
Auseinandersetzungen zwischen möglichen Kandidaten und ein Führungswechsel

Nachdem die PRI im Jahre 2000, nach 71 Jahren als Regierungsmacht, die Wahlen und somit das Präsidentschaftsamt verlor, fungiert sie dennoch auf lokaler und bundesstaatlicher Ebene, sowie im Kongress weiterhin als erste politische Kraft Mexikos. Die Gouverneurswahlen im Bundesstaat Mexiko im vergangenen Juli wurden als mögliches Barometer für die kommenden Wahlen 2006 gehandelt. Der Kandidat der PRI, Enrique Peña Nieto, ging haushoch als Wahlsieger gegenüber den Kandidaten der anderen Parteien hervor.

Von Seiten der PRI werden Roberto Madrazo auf der einen und Arturo Montiel auf der anderen Seite als Kandidaten aus den eigenen Reihen für das Amt des Präsidenten gehandelt. Roberto Madrazo ist Bundesvorsitzender der PRI und verfügt über ein hohes Maß an Kontrolle über die Parteistruktur und großen Einfluss auf lokale Wahlen. Arturo Montiel ist Exgouverneur des Bundesstaats Mexiko und führender Kopf einer Strömung innerhalb der PRI, die sich "demokratische Einheit" nennt, auch bekannt als "alle vereint gegen Madrazo". Trotzdem sind die Streitereien zwischen beiden weiterhin in den Medien präsent und sind nur zum Teil durch ihr Zusammenfallen mit der Wahl des Parteivorstandes verdeckt worden, was die Brüche innerhalb der Partei verstärkt hat.

Im August, in Abwesenheit von Elba Esther Gordillo, hat der Anti Madrazo Generalvorstand der Partei, der ein Vorrecht auf das Amt des PRI-Präsidenten geltend machen konnte, die Nachfolge mit der Ernennung von Mariano Palacios Alcocer gesichert. Elba Esther Gordillo strengte einen Prozess beim Nationalen Wahltribunalgerichtshof TEPJF an, um diese Ernennung rückgängig zu machen. Inmitten von all diesen Spannungen bestätigte der TEPJF schließlich die Ernennung und Gordillo beschloss, das Amt der Generalsekretärin zu lassen, um die Möglichkeit wahrzunehmen sich als Vorkandidatin zu Wahl zu stellen, einen anderen Kandidaten zu unterstützen oder sogar einer anderen Partei beizutreten.

PAN:
Interne halbgeheime Wahl

Im Falle der PAN (Partei der nationalen Aktion), ringen Alberto Cárdenas Jiménez, Felipe Calderón Hinojosa und Santiago Creel Miranda um die Ernennung zum Präsidentschaftskandidaten. Santiago Creel Miranda wird als Vicente Fox Kandidat gehandelt (bis vor kurzem hatte er das Amt des Regierungssekretärs unter Fox inne) und war zunächst der Favorit. Mit großem ökonomischen und medialen Aufwand könnte der Kampf zwischen den drei Parteiströmungen, die die drei möglichen Kandidaten repräsentieren, zu einem Szenario der Spaltung führen, was die ohnehin schon geschwächte Regierungspartei noch mehr schwächen würde.

Die internen Wahlen sind halböffentlich. Die erste Wahlrunde findet in drei Phasen zwischen September und Oktober (in den einzelnen Bundesstaaten) statt. In der zweiten Phase im November werden alle Parteimitglieder des Landes zur gleichen Zeit ihre Stimme für einen der Kandidaten abgeben. Am 11. September hat Felipe Calderón Hinojosa die erste regionale Abstimmung gewonnen. Man geht davon aus, dass der Vorsprung den er gegenüber Creel hat, darauf zurück zu führen ist, dass die Mitglieder damit ihre Ablehnung gegenüber der Regierung Fox ausgedrückt haben.

PRD
und López Obrador

Am 30. Juli hat sich Andrés Manuel López Obrador (AMLO), nachdem er das Bürgermeisteramt in Mexiko Stadt niedergelegt hatte, als Wahlkandidat registrieren lassen. Wegen seiner Popularität ist er mit ziemlicher Sicherheit der Präsidentschaftskandidat der PRD. Die Polemiken die sich um seinen möglichen Betrug ranken (was ihn als Kandidat für die Präsidentschaft disqualifiziert hätte) haben ihn letzten Endes eher gestärkt als geschwächt. Auf der anderen Seite garantierte ihm seine Sozialpolitik als Regierungschef von Mexiko Stadt eine breite Basis in der Bevölkerung. Dennoch brachte ihm eben diese Politik viel Kritik ein, da AMLO eine klientilistische Beziehung zu seinen Unterstützern unterhält und weil er die Haushaltsschulden von Mexiko Stadt von 28.718 Billionen Pesos (2000) auf 41.440 Billionen (2005) erhöhte.

Eine weitere Achillesferse für López Obrador ist, dass 24 seiner Regierungsversprechen nicht vom Präsidenten, sondern von der Legislative abhängen. Da die PRD es kaum schaffen wird eine absolute Mehrheit im Kongress zu stellen, macht das Verhandlungen unabdingbar.

Die Nationale Bürgerkoalition: Ein weiterer Faktor in der Gleichung Ende September haben ungefähr 250 gewerkschaftliche, politische, zivilgesellschaftliche und Bauernorganisationen die "Nationale Bürgerkoalition für den Übergang zur Demokratie in Gerechtigkeit und Gleichberechtigung" gegründet. Bis zu dieser Zeit hatten sie sich "Breite Linke Front" (Frentote) genannt. An diesem Prozess haben sich Führungspersönlichkeiten der PRD, der Arbeiterpartei (PT) und der "Partei der Übereinstimmung" (Convergencia) beteiligt. Es ist erwähnenswert, dass Cuautemoc Cardenas, historischer Führer der 3 mal für die PRD als Kandidat für die Präsidentschaftswahlen aufgestellt worden war, aber in letzter Zeit von der Partei eher marginalisiert wurde, diesen Prozess mit angestoßen hat.

Damit wird versucht den Übergang zur Demokratie zu vollenden — mit einer notwendigen Reform des Staates — ein politisches Projekt durchzusetzen, vor der Festlegung des Kandidaten, der es repräsentiert, und ohne sich diesem unterzuordnen. Die Koalition hat keine großen Chancen AMLO die Kandidatur abzuringen. Aber sie verpflichtet diesen sein Regierungsprogramm zu diskutieren und zu verhandeln. Wenn Lopez Obrador die Präsidentschaft gewinnt kann diese Front entweder ein Gegengewicht oder auch eine organisatorische Stütze werden, eine Stütze die er, — unabhängig von seiner Beliebtheit — im Moment nicht hat.

Von der Sechsten Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald zur Anderen Kampagne

Vor diesem Hintergrund ist die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) ihren Weg von der Sechsten Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald hin zum Aufruf zur "Anderen Kampagne" (siehe Schwerpunktartikel) gegangen. Die EZLN hatte ihre Beziehung mit den politischen Parteien nach dem von ihnen so bezeichneten "Verrat" der Gesetzgeber 2001 abgebrochen: In jenem Jahr hatte der Kongress einer Verfassungsreform über Indigene Rechte und Kultur zugestimmt, welche sich von den Abkommen von San Andres, die 1996 zwischen Regierung und Zapatisten unterschrieben worden waren, unterscheidet.

Heutzutage meint die EZLN, es gäbe nichts mehr mit denen "dort oben" zu verhandeln, mit den Behörden und politischen Parteien, welche ihrer Meinung nach nur um Macht spielen und dabei Ressourcen verschwenden, ohne Kontakt mit den Bedürfnissen der Bevölkerung. Mit der Sechsten Deklaration machen sie noch einmal klar, dass sie nichts von der aktuellen Regierung erwarten, auch nichts von der Nächsten, wer immer an die Macht kommt. Trotzdem haben sie ihre neue Initiative genau in einem Moment begonnen, indem die politische Macht neu gewählt wird.

Die neue Strategie behält die "militärische Nachhut" bei. Sie schlägt vor, weiterhin den Aufbau der Autonomie in Chiapas zu stärken, aber zusätzlich einen neuen Vorschlag des Kampfes "von unten mit der Linken" auf nationaler Ebene zu beginnen, eine Dimension, die von Anbeginn an schon in ihrem Namen ("Nationale Befreiung") präsent war. Es wird vorgeschlagen auch eine weitere Ebene zu vertiefen: die Globale.

In Reaktion auf die Krise der repräsentativen Demokratie und im Bruch mit den Institutionen, schlägt der Zapatismus mehr als eine Strategie vor, nämlich eine Methodolgie von unten zu entwickeln, von denen die unten sind für die die unten sind: die andere Kampagne, die kommt um der politischen Klasse die Initiative streitig zu machen, und eine radikale Veränderung des Staates erreichen will. Sie stellt sich direkt gegen die Eigenlogik der Wahlkampagnen (Macht, Medien und Geld). Der Prozess gewann nach und nach an Stärke. Anfang September hatten sich schon 162 soziale, 55 politische, 463 Nichtregierungs- (NGO), 103 indigene Organisationen, Gruppen und Gemeinschaften und 1625 Einzelpersonen angeschlossen. Zur Vollversammlung kamen 2069 Personen.

Die Positionierung der Sechsten Deklaration in Bezug auf die politischen Parteien und besonders auf Lopez Obrador hat eine Debatte voller Polemik nach sich gezogen. Die nationale Führung der PRD bezeichnete den Sprachgebrauch des Subkommandanten Marcos als "maßlos" und bestritt dessen Beschuldigung als Verräter der indigenen Sache (wegen der Reform von 2001). Für viele, die auf AMLOs Seite stehen, wird diese Positionierung als Klimavergiftung gewertet, mit dem Risiko die Linke zu spalten, die doch reale Chancen hat die Präsidentschaft zu gewinnen. Aber für die EZLN kommt die Position das "kleinere Übel" zu wählen nicht in Frage. Trotzdem soll die Sechste Deklaration (im Folgenden Sexta) nicht eine Aufforderung zur Wahlenthaltung bedeuten: "Der Vorschlag der Sexta ist Allianzen zu gründen mit politischen Organisationen ohne Wahlregister. Sie sagt weder, kämpft nicht um die Macht, noch dass in ihren Strategien der Wahlkampf keinen Platz haben soll. Da die Andere Kampagne in Zeiten des Wahlkampfes stattfindet, wollen wir verhindern, dass diese genutzt wird Kandidaten aufzustellen, die registriert sind (EZLN)" Die Sexta ist auch keine bedingungslose "prozapatistische" Option, was die politischen und organisatorischen Planungen betrifft.

Reaktionen auf die Andere Kampagne

Mitte August bemängelte einer der eventuellen Präsidentschaftskandidaten der PAN, Felipe Calderon: "Die Entscheidung für das Mittel der Gewalt die (Marcos) getroffen hat ist eine Entscheidung die die Demokratie ausschließt. Ich bevorzuge die Option der Bürger mit Namen, die wir unser Gesicht zeigen, die wir an der Politik teilnehmen und die wir ein demokratisches Leben aufbauen, auch mit dem Risiko die Arbeit oder gar unser Leben zu verlieren, wie es in der Vergangenheit schon passiert ist." Die andere Kampagne ist nichtsdestotrotz eine politische und friedfertige Initiative, wie alle Initiativen der Zapatisten nach den ersten 12 Tagen des Krieges 1994.

Ruben Aguilar Valenzuela, Präsidentschaftssprecher teilte mit, dass er sich über Entscheidung der EZLN für den politischen Weg freue. Er unterstrich, dass die Aktionen der EZLN das Verhalten im Wahlprozess 2006 beeinflussen können. Über die Absicht der EZLN das Land zu bereisen äußerte er seine Zustimmung und sagte, die Regierung von Mexiko werde alles tun damit diese Aktion umgesetzt werden könne. Die Regierung Mexikos erklärte ihre Bereitschaft zum Dialog mit dem Subkommandanten Marcos wo und wann und über welche Themen er auch immer reden wolle.

Im Rahmen der Vollversammlung der Anderen Kampagne lehnte die EZLN es ab ein geheimes Treffen mit dem Friedensbeauftragten der Regierung für Chiapas, Luis H. Alvarez zu vereinbaren, um welche dieser in einem Brief an den Subkommandanten Marcos gebeten hatte. Luis H. Alvarez bestätigte diesen Brief geschickt zu haben, mit dem Ziel Gesichtspunkte über die Situation in den indigenen Gemeinden, auszutauschen.

In der dritten Septemberwoche trafen sich der Regierungssekretär, Carlos Abascal Carranza und Luis H. Alvarez mit sieben Mitgliedern der COCOPA (Friedenskommision der Legislative zur Unterstützung des Dialogs zwischen EZLN und Bundesregierung) um die Vorschläge der Führung der EZLN zu analysieren.

Sie erkannten die Legalität der zapatistischen Mobilisierung an. Obwohl die öffentlichen Stimmen der Regierung die Initiative begrüßten, wurden in den Vorbereitungstreffen von Repression im Umfeld der Öffentlichkeitsarbeit der anderen Kampagne gesprochen, z.B. in Oaxaca.

Mitte August wurde der Kommandant der 7. Militärregion in Chiapas, Juan Morales Fuentes gefragt, ob er Anweisungen in Bezug auf die Delegation der Zapatisten im nächsten Januar hätte. Er erklärte diese sei kein Risiko für die soziale Stabilität. Ende August gab das Zentrum für Investigation und Nationale Sicherheit (CISEN) einen Bericht an das Verteidigungsministerium (SEDENA), in welchem acht bewaffnete Organisationen, die in verschiedenen Regiones des Landes operieren, aufgezeigt wurden. Er erklärte nur fünf davon "könnten den sozialen Frieden und die Nationale Sicherheit gefährden": die revolutionäre Volksarmee (EPR) und 4 Organisationen die aus ihr hervorgegangen sind. Die EZLN ist nicht Teil dieser Gruppe.

CHIAPAS:
Mehr Kampagnen und Spannungen

Auf lokaler Ebene dreht sich ein großer Teil der politischen Agenda um die nächsten Gouverneurswahlen, nach den Präsidentschaftswahlen (August 2006). Anfang September, hat die Wahlkontrollkomission Prozesse gegen einige Politiker eingeleitet welche Kandidaturen anstreben: Die Nationalratsabgeordneten Emilio Zebadúa (PRD), Manuel Velasco (PVEM, Grüne Ökologische Partei Mexikos); und die Senatoren Rutilio Escandón (PRD), und José Antonio Aguilar (PRI). Sie sind angeklagt Wahlkampf außerhalb der legalen Wahlkampfzeiten gemacht zu haben. Einige Medien behaupten dagegen mit diesen Maßnahmen werde versucht den Regierungssekretär, Ruben Velásquez, der als Kandidat des jetzigen Gouverneurs Pablr Salazar bezeichnet wird, zu bevorzugen.

Viele Leute erwarten eine hohe Zahl an Enthaltungen bei den nächsten Gouverneurswahlen, welche der Rückkehr der PRI Vorschub leisten könnte. Dies hängt sowohl mit ihrer starken Präsenz und ihrem strukturellen Erstarken im Bundesstaat Chiapas, als auch mit den Schwierigkeiten zusammen, die andere politische Parteien damit haben, in der aufgeladenen parteipolitischen Stimmung die zur Zeit herrscht, eine Koalition zustande zu bringen, wie die, die den derzeitigen Gouverneur im Jahr 2000 an die Macht brachte (sie repräsentiert acht Parteien).

In der nördlichen Zone von Chiapas ist die Stimmung durch verhärtete Spannungen mit Gerüchten von neuen Gewalttaten der Gruppe "Entwicklung für Frieden und Gerechtigkeit" (DP&J) welche paramilitärischer Aktivitäten beschuldigt wird, gekennzeichnet. Im August klagte das Menschenrechtszentrum Fray Bartolome de las Casas erneute gewalttätige Vertreibungen mehrerer Familien der Gemeinde Andres Quintana Roo im Bezirk Sabanilla, aufgrund von Agressionen und Drohungen seitens von DP&J an.

Die Vertreibungen geschahen im Juni, Juli und August. Es waren 20 Familien, oder 117 Personen davon betroffen. Die Regierung von Chiapas redet von "Selbstvertreibung". Die Angst ist spürbare Realität, genau wie im Bezirk Tila.

Am 6. September kam es, auch in der nördlichen Zone, in der Gemeinde Belisario Dominguez, zu einem Konflikt zwischen UnterstützerInnen der Zapatisten und der restlichen Bevölkerung mit mehreren Verletzten. Die Ursache dieses Konfliktes ist wieder einmal das Thema der staatlichen Dienstleistungen in gespaltenen Gemeinden, welches wir bereits in früheren Berichten angesprochen haben. Die zapatistischen Familien versuchten zu verhindern, dass Ihnen andere Mitbewohner den Zugang zu elektrischem Strom abschnitten und ließen die Nationale Elektrizitätskommision (CFE) nicht ins Dorf. Andere Bewohner organisierten sich um außerhalb des Dorfes zu "versuchen ein Abkommen mit der CFE über Zahlungsrückstände zu erreichen".

Kurznachrichten:

LICHT UND DUNKEL IN GUERRERO
Freilassung von Felipe Arreaga

Am 15. September wurde die Unschuld von Felipe Arreaga Sanchez, Umweltschützer aus Guerrero, anerkannt. Er war 10 Monate unrechtmäßig im Gefängnis (siehe in SIPAZ) Trotz allem wird weiterhin um seine Sicherheit, die Sicherheit seiner Familie und anderer Menschenrechtsaktivisten und Umweltschützer in Guerrero gefürchtet. Außerdem sind die Anschuldigungen wegen der gleichen Straftat gegen weitere dreizehn Umweltschützer weiterhin gültig. Unter ihnen befinden sich Anführer der OCESP (Organisation bäuerlicher Umweltschützer der Berge von Petatlan und Coyuca de Catalan, A.C.) wie Rodolfo Montiel — ebenfalls politischer Gefangener von 1999 — und Albertano Penaloza Dominguez — Opfer eines Hinterhalts bei dem zwei seiner Kinder ums Leben kamen.

Die Repression um das Staudammprojekt "La Parota" verschärft sich Der Bau des Wasserkraftwerkes "La Parota", in der Nähe von Acapulco hat eine soziale Polarisierung und einen Anstieg von Gewalt erzeugt.

Die Gemeinschaft des Rates der Ejidatarios (die die gemeinsamen Landrechte haben) und die Gemeinschaft der Oppositionellen gegen das Staudammprojekt (CECOP) haben die Rolle der Nationalen Elektrizitätskommision (CFE) stark kritisiert, da diese Spaltungen in den Gemeinden provozieren, indem sie nicht ehrlich und unparteilich die Bevölkerung informieren, und weil sie denjenigen die das Projekt akzeptieren Geld und Dienstleistungen anbieten. Sie haben die Regierung von Guerrero beschuldigt, nicht die Bedingungen herzustellen um den Forderungen der Gemeinschaft zu dienen, sondern stattdessen die Polizei einzusetzen um Oppositionelle einzuschüchtern. Am 23.August wurden 1500 Gemeindemitglieder von Cacahuatepec, welche sich für das Staudammprojekt La Parota aussprechen von der CFE zu einer 20-minütigen Versammlung zusammengerufen, welche von 500 Polizisten umringt wurde. Den Oppositionellen wurde der Zugang zur Versammlung verwehrt. Die Anwesenden stimmten derweil dem Beginn der Landenteignungen zu, im Gebiet wo der Staudamm gebaut werden soll. Dies provozierte eine gewalttätige Auseinandersetzung. Am 18. September wurde Tomas Cruz Zamora ermordet, nachdem er an einer Versammlung der CECOP teilgenommen hatte, an welcher der Gouverneur erwartet wurde, aber nicht kam. Es wird eine weitere Zunahme von Gewalt befürchtet.

Schwerpunkt

LA OTRA CAMPAÑA/DIE ANDERE KAMPAGNE:
Eine Herausforderung an die Vorstellungskraft

"Denn Musik besteht nicht aus einer einzelnen Note, sondern aus vielen, und ein Tanz ist nicht nur ein Schritt, der bis zum Überdruss wiederholt wird. Genauso wird auch der Frieden ein vielstimmiger, offener Klang der Worte und vieler Blicke auf eine andere Geografie sein..."

Die andere Geografie/Otra geografía. EZLN. März 2003

Um die nationale und internationale Zivilbevölkerung zur Beteiligung aufzurufen, hat die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (Ejército Zapatista de Liberación Nacional/ EZLN) bisher eine politische Strategie verfolgt, zu der Märsche, Beratungen, Versammlungen und Zusammenkünfte gehörten. Die 6. Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald (Sexta Declaración de la Selva Lacandona — " la Sexta", veröffentlicht im Juni 2005) hält an dieser Strategie fest und macht mehr denn je deutlich, dass der Krieg, unter dem Chiapas leidet, derselbe ist, den andere Teile von Mexiko und der Welt erleiden müssen. Gleichzeitig verlangt sie, dass die Erfüllung der zapatistischen Forderungen und die Lösung des bewaffneten Konflikts in Chiapas radikal durch eine änderung des neoliberalen Wirtschaftssystems erreicht werden.

Obwohl dies nichts Neues ist, hebt die "Sexta" einige Unterschiede gegenüber vergangenen Initiativen hervor. In der "Sexta" gestehen die Zapatisten ein, dass der Prozess der Veränderung behindert wird, wenn sie sich nicht mit anderen mexikanischen und internationalen Bewegungen zusammenschließen, die ebenfalls Alternativen zum neoliberalen Kapitalismus erarbeiten. Um sich mit diesen zu vereinigen, sehen sie es als notwendig an, jene Personen und Kollektive kennen zu lernen, die bereits aus ihren Zusammenhängen heraus neue organisatorische Räume schaffen, neue Verbindungen eingehen oder neue Vorschläge erarbeiten.

Die »Sexta« fordert zur Vereinigung derjenigen auf, die dieser Erklärung beipflichten: der Herausforderung: eine andere Art der Politik zu gestalten; dem Ziel: ein nationales Aktionsprogramm der antikapitalistischen Linken zu erstellen; und der Bestimmung: eine neue Verfassung, anders gesagt: eine Vereinbarung für eine neue Gesellschaft. Die »Sexta« schlägt eine Vorgehensweise vor: zuhören und lernen. Und sie schlägt vor, wie dieses Zuhören und Lernen vonstatten gehen soll: durch eine »andere Kampagne«." (EZLN, 27. August 2005)

Die »Sexta« möchte die Vorstellungskraft herausfordern, um zu erreichen, dass "etwas anderes" geschaffen wird, das es ermöglicht, alle Kräfte zu vereinigen, die aus so vielen verschiedenen entfernten Winkeln heraus eine andere Welt schaffen wollen, in der es Platz für alle Unterschiede gibt. »Die andere Kampagne« ist der Weg, den die EZLN vorschlägt, um dies zu erreichen.

Der Urwald, ein Versuchslabor für die andere Kampagne

Während der Monate August und September lud die EZLN alle ein, die mit der »Sexta« im Zusammenhang stehen, um zu erfahren, was sie von diesem Vorschlag halten; um sich kennen zu lernen und zu erörtern, was es bedeutet, links zu sein; um darüber zu sprechen, was die Aufgabe der Linken sei, welche Struktur diese haben sollten, welche Haltung man hinsichtlich der Wahlen einnehmen sollte, welche Auffassungen und Weisungen die »andere Kampagne« haben sollte; um Zeiten und Orte festzulegen.

So wurde die Vorgehensweise des "Zuhörens und Lernens" in Gang gesetzt, beispielhaft für eine Ausübung von Politik, von der wir vieles lernen könnten, vor allem davon, mehr zuzuhören und weniger zu reden. Im weiteren Dialog mit der Zivilbevölkerung nahm sich das EZLN vor, dieser erneut zuzuhören, aber diesmal nicht von oben herab, sondern auf gleicher Ebene und ohne zeitliche Begrenzung. Hunderte von Personen reisten aus verschiedenen Regionen der Republik an, um zwei oder drei Tage im Urwald zu bleiben und angehört zu werden. 2006 wird die EZLN durch ganz Mexiko reisen, um diejenigen anzuhören, die nicht in den Urwald kommen konnten, um ihre Meinung zu erfahren und das Netz der Anhänger enger zu knüpfen.

Die Methodik, außerhalb des üblichen Rahmens, ohne Schreibtafeln oder moderne Technik, kehrte zum Ursprung zurück: zum Wort und dem aufmerksamen Zuhören. Denn nach einer Weisheit der Mayas "beginnt die Welt geboren zu werden, wenn dies eine Wort und jenes andere Wort sich treffen und nicht in Streit geraten, sondern sich begegnen und eine Einigung erreichen, da sie sich gegenseitig respektieren, miteinander sprechen und sich zuhören. Dann gibt es eine Einigung, weil das erste Wort nicht allein geboren wird, sondern ein Gehör besitzt und mit dem Gehör, im Zuhören, ist es, als ob die ersten Wörter wachsen, da sie ein Einverständnis erreichen, und die ersten Wörter, die sich begegneten und die ein Einverständnis erreichten, erdachten als Erste die Welt und erschufen sie wenig später." (EZLN, 13.August 2005)

Die »andere Kampagne« in Zeiten der Wahlen

Die klare und überzeugende Abgrenzung der EZLN von den politischen Parteien, und insbesondere von der Partei der demokratischen Revolution (Partido de la Revolución Democrática — PRD) hat einige, die vorher auf der Seite der EZLN waren, veranlasst, sich von der »anderen Kampagne« zu distanzieren. Die EZLN wusste im Voraus, dass sie mit diesem Vorschlag einen großen Teil der bereits bestehenden Beziehungen riskierte; ihr war bewusst, dass ein Teil der nationalen und internationalen Zivilbevölkerung diese Initiative weder verstehen noch billigen würde. In diesem Sinn kann man auch den "Abschiedsbrief" lesen, der an die Zivilgesellschaft geschickt wurde, kurz nachdem am 21.Juni 2005 die Alarmstufe Rot ausgerufen wurde. Die »Sexta« strebt eine Wende in der Beziehung zwischen der EZLN und der Zivilbevölkerung an, mit dem Ziel einer wechselseitigeren Beziehung auf gleicher Ebene. Diese Haltung ist in den vorbereitenden Versammlungen zu spüren gewesen. Dass der EZLN ein weit reichender und pluraler Aufruf gelungen ist, hat ihre ethische Legitimität bestätigt.

Seit die anwesenden Organisationen ihren Respekt erklärt haben, haben sie jedoch nicht aufgehört, Kritik an der zapatistischen Leitung zu üben, im Wesentlichen deshalb, weil sie die spürbaren Unterstützung in den Momenten der größten politischen Repression vermisst haben. Dies war der Fall bei der Nationalen Revolutionären Gewerkschaft der Arbeiter von Euzkadi (Sindicato Nacional Revolucionario de Trabajadores de Euzkadi) oder dem Indigenen Volksrat von Oaxaca (Consejo Indígena Popular Ricardo Flores Magón de Oaxaca — CIPO-RFM). Auch die feministischen Organisationen von San Cristóbal de Las Casas verlangten eine Erklärung, nachdem sich herausgestellt hatte, dass ihre Arbeit mit den zapatistischen Frauen behindert wurde. Viele Teilnehmer machten klar, dass sie nicht gewillt seien, Befehle entgegenzunehmen oder Leitfiguren zu folgen. Und die EZLN erkannte Fehler und Irrtümer auf dem Weg an, sie bedankte sich für die Offenheit und betonte erneut ihr Engagement und ihre Loyalität gegenüber denen, die an dieser Kampagne teilnehmen, bei der die EZLN nicht im Zentrum stehen oder die Führung übernehmen will.

Das Umfeld der vorbereitenden Versammlungen entsprach den jeweils geladenen Organisationen. An der ersten nahmen links gerichtete politische Organisationen teil. Wenngleich das EZLN die schlechte Beziehung zu ihnen eingestand, und sogar in diesem Punkt eine bestimmte Schwerfälligkeit von eigener Seite zugab, lobte es auch die jahrzehntelange Arbeit dieser Organisationen. In dieser Sitzung wurde heftig darüber debattiert, ob man die Kandidatur von López Obrador (Kandidat des PRD) unterstützen sollte. Die Vereinigte Sozialistische Partei Mexikos (Partido Socialista de México), die Revolutionäre Arbeiterpartei (Partido Revolucionario de los Trabajadores), die Sozialistische Arbeiterpartei (Partido Obrero Socialista) und die Kommunistische Partei (Partida Comunista) hoben die Notwendigkeit hervor, von der Basis aus zu arbeiten, einige von ihnen stimmten sogar mit dem EZLN darin überein, dass das Wahlverfahren überholt sei. Wie sie, so verließ man sich auch in der Sitzung der sozialen Organisationen und Bewegungen auf einen Teil der »traditionellen« Linken, zu der einige Hauptgewerkschaften des Landes zählen, die die Gewerkschaftsautonomie fordern.

Die Versammlung der Indigenengemeinden war emotionsgeladen und voller Wut. Hier wurden wieder ihre Geschichten des Widerstands zusammengetragen. Die EZLN betonte immer wieder ihre ihre indigene Identität und betonte, dass diese Stimme in der »anderen Kampagne« verteidigt würde. Sie bat darum, auf ihrer Reise durch Mexiko in den Indiogebieten beherbergt zu werden. Dort waren die Brüder des Caracols "Zirahuén" in Michoacán, die von ihrem Kampf für die Umwelt und gegen den wachsenden Tourismus berichtete; die Erfahrung des Zentrums der Indianerrechte (Centro de Derechos Indígenas) aus Bachajón in Chiapas, wo die Position der »Tzeltalen Richter« gestärkt wird, welche die Probleme der Gemeinschaft in eigener traditioneller Art und Weise lösen. Es nahmen auch in der Stadt lebende Indios teil, die das "Kollektiv der Indigenenorganisationen aus Mexiko-Stadt in Folge der »Sexta«" (»Colectivo de organizaciónes indígenas de la Ciudad de México en seguimiento de La Sexta«) präsentierten, das nach dem zapatistischen Aufruf aus 17 Organisationen gebildet wurde.

Die Versammlung der Nichtregierungsorganisationen, Kollektive und Gruppen, zeigte die Vielfalt der neuen Formen des Kampfes gegen das neoliberale System. Dies war die Zusammenkunft der jungen Leute oder — wie ein Zeitungsbericht es formulierte — "der Kinder des Zapatismus". Sie verloren keine Zeit damit, über die Wahlen zu diskutieren, sondern erzählten von dem, was sie bereits in ihrem Alltag tun, um kein System nachzuahmen, das sie ablehnen. Radio Voladora, Radio Pachego, Imagen MX oder Idymedia-Chiapas und weitere Sender informieren auf andere Art, kritisch und unabhängig, sie entkommen dabei der Kontrolle der Massenmedien und stellen so die Technik in den Dienst der politischen und sozialen Bewegungen. Es gab Klänge aus Veracruz, Lieder in Tseltal und Hip-hop-Gesänge, die den Einsatz der Jugendlichen zeigten, die eigenen Kulturen anzupassen, ohne Angst zu haben, sich neuen Strömungen anzunähern. Zahlreiche Kollektive forderten Toleranz für die verschiedenen sexuellen Orientierungen, um das Tabu zu brechen, das immer noch in der mexikanischen Gesellschaft herrscht.

In der Versammlung mit l-at-s individu-at-s (Einzelpersonen in eigener Sache, im Auftrag der Familie, des Viertels oder der Nachbarschaft) offenbarten viele die Verletzungen, die sie auf dem Weg des Kampfes erlitten haben. Es war eine Reihe von Lebensgeschichten, von Reisen persönlicher Suche und vor allem von Zeugnissen darüber, wie die EZLN, ihre Ideen und ihr Tun Tausende von Mexikanern überzeugt haben.

Es gab eine letzte vorbereitende Zusammenkunft, bei die Organisationen, Kollektive und Individuen zusammenkamen, die nicht zu den entsprechenden Terminen kommen konnten.

Die »andere Kampagne« ist gleichzeitig eine Bestandsaufnahme derjenigen, die da waren und nicht mehr da sind, auch derjenigen, die sich niemals der EZLN angenähert haben und sich jetzt der »anderen Kampagne« anschließen, weil sie fühlen, dass sie einen Ort haben, an dem sie weder ihre Autonomie noch Teile ihrer Identität aufgeben müssen.

Die Plenarsitzung: Der Plan der »anderen Kampagne«

Die erste Plenarsitzung, die am 16. und 17.September im Caracol "La Garrucha" feierlich begangen wurde, stellte die Feuerprobe für die »andere Kampagne« dar. Es waren viele der Organisationen anwesend, die während der Vorbereitungen an getrennten Tagen teilgenommen hatten. Die Abgeordneten konnten ihre Meinung in maximal fünf Minuten darlegen. Die Themen umfassten Folgendes: die Merkmale der »anderen Kampagne«; die Einberufungen; die Organisationsstruktur; den Ort für Meinungsverschiedenheiten; die Position der »anderen Kampagne« gegenüber anderen organisatorischen Kräften gegen die neoliberale Politik, die bereits auf nationaler und internationaler Ebene bestehen; und schließlich die unmittelbaren Aufgaben für die Anwesenden. Alle diese Punkte blieben offen, da sie von der Meinung der übrigen Personen abhängen, die mit der »Sexta« in Verbindung stehen und die nicht an dieser ersten Sitzung teilnehmen konnten. Vor allem hatte diese Plenarsitzung mit der gegenwärtigen Kommandantur einen symbolischen Charakter, da dabei die »Sexta« und die »andere Kampagne« offiziell übergeben und mit allen Anhängern geteilt wurde.

Die EZLN bekräftigte noch einmal, dass sie als Garantie für den gemeinsamen Weg den Respekt und die gleichwertige Behandlung anbot, und rief ins Bewusstsein, dass die »andere Kampagne« ohne Bankkonten und nur mit der Hilfe des Volkes realisiert wird. So hörten die »Sexta« und die »andere Kampagne« auf, allein der Vorschlag der EZLN zu sein, und die darin engagierten Organisationen und Personen übernahmen auf gleicher Ebene Verantwortung für diese Initiative.

Die Kommandantur stellte dem Plenum ihren »Plan« für die »andere Kampagne« vor. Die Kommission »Sexta« der EZLN schickt den Delegierten 0, den Subkommandanten der Aufständischen Marcos, um alle Staaten des Landes von Januar bis Juni 2006 zu besuchen, und schlägt vor, diese erste Phase mit einem Plenarbericht im Staat Mexiko, in Mexiko-Stadt am 24.Juni abzuschließen. Auf dieser Tour wird es das Ziel sein, in den Staaten Versammlungen der »anderen Kampagne« abzuhalten und die Logistik für den dann folgenden Einsatz der Kommission der EZLN zu organisieren, die für die »Sexta« verantwortlich ist, sodass man bilaterale Treffen mit Organisationen abhalten kann. Nachdem die Aktivitäten während der Wahlperiode geruht haben, wird der zweite Einsatz von September 2006 bis März 2007 stattfinden. In dieser Phase wird eine nationale Delegation der EZLN (die durch ganz Mexiko reist) sowie regionale und staatliche Delegationen (die in den Regionen oder Staaten bleibt, um die »andere Kampagne« zu fördern) ausgeschickt. Im April 2007 werden diese Delegationen durch andere ersetzt werden, "und so fort, bis wir es beenden, wenn wir es überhaupt beenden." (EZLN)

Die Ankündigung des Einsatzes von Subcomandante Marcos in der ersten Phase hat bei einigen Erregung hervorgerufen und bei anderen Skepsis und Bestürzung. Hier fürchtet man, dass die Anziehungskraft, die Marcos auf die Medien ausübt, den Kern der Arbeit gefährdet. Die Worte des Leutnant Moisés im Plenum enthüllen die strategische Symbolik, die diese Entscheidung für sie enthält. Wie sie seit dem Ausruf der Alarmstufe Rot verkünden, befinden sich die Kommandantur und ihr Parteiapparat nach jüngster Erneuerung des Befehls immer noch im defensiven Zustand. Marcos wird unbewaffnet sein, und das bedeutet, dass sie bereit und darauf vorbereitet sind, jedes Risiko einzugehen. Sie gaben bekannt, dass sie die nötigen Stellvertreter ausgewählt haben, damit es weitergeht, egal, was passiert. Außerdem rieten sie denjenigen, die mit der »anderen Kampagne« unterwegs sind, dass sie gegenüber der sie umgebenden Repression und der Medienoffensive, die in den kommenden Monaten gegen sie sein wird, geschickt vorgehen.

Die weiblichen Toten, Gefangenen und Verschwundenen (l-at-s muertas, pres-at-s y desaparecid-at-s) werden in die »andere Kampagne« einbezogen Die zapatistischen indigenen Gemeinschaften, in denen die vorbereitenden Versammlungen stattfanden, haben ihre eigene Geschichte des Kampfes, mit der jede Sitzung eröffnet wurde. Die EZLN erinnerte daran, dass vor noch nicht allzu langen Jahren diese Gebiete ländliche Anwesen waren, auf denen die Indios wie Tiere behandelt wurden und sich nicht einmal frei darauf bewegen konnten, obwohl sie dort für ein armseliges Gehalt arbeiteten. Diese Gebiete wurden seit der Agrarreform, die nach dem zapatistischen Aufstand durchgeführt wurde, "zurückerobert".

Und in der Erinnerung wurde einiger der Toten gedacht: Francisco Gómez (el señor lk) in der Gemeinde Juan Diego oder dem Subkommandierenden der Aufständischen Pedro in "La Garrucha". Auch schlossen sie die Toten von anderen, ähnlichen Kämpfen mit ein. Sie erklärten, dass man sich — außer in der Hoffnung und im Widerstand — auch im Schmerz vereinen muss, um gemeinsam zu kämpfen. Der Student Noel Pavel war "präsent" ebenso wie die Verteidigerin der Menschenrechte Digna Ochoa, die ermordeten Frauen von Ciudad Juárez oder die Toten des paramilitärischen Gegenaufstandes im Norden von Chiapas. Es wurde auch Felipe Arreaga erwähnt, ein Umweltschützer und Landwirt, der als politischer Gefangener in Guerrero war (und seit dem 15.September frei ist), genauso wie die Toten und Verschwundenen der schmutzigen Machenschaften in den Siebzigerjahren.

Für das EZLN ist dieses Erinnern eine Möglichkeit, um die Erinnerung an die Menschen wach zu halten, die gestorben und verschwunden sind oder gefangen gehalten werden, weil sie die Freiheit und die Gerechtigkeit aller verteidigt haben. In diesem Sinn wird eine der ersten Aktionen der »anderen Kampagne« eine Reihe von politischen und kulturellen Veranstaltungen sein, die vom 28.Oktober bis zum 2.November stattfinden, um an die Toten, Verschwundenen und Gefangenen der verschiedenen Kämpfe, die schon ein Teil der »anderen Kampagne« sind, zu erinnern und sie zu ehren. San Cristóbal de Las Casas (Chiapas) wird das Zentrum dieses Gedenkens sein.

An welchem Ort der Geographie stehst du?

Die »Sexta« besteht aus sechs Teilen: "1. Dem, was wir sind; 2. Wo wir uns jetzt befinden; 3. Wie wir die Welt sehen; 4. Wie wir unser Land Mexiko sehen; 5. Dem, was wir machen möchten; 6. Wie wir es machen werden." Fordere jeden und jede dazu auf, sich die gleichen Fragen angesichts der sozial-politischen Situation zu stellen, in der sie sich befinden. Und wenn auf der nationalen Ebene auch noch viel aufgebaut werden muss, fordert uns die »Sexta« auch auf der internationalen Ebene auf, uns zu fragen, wo wir stehen und wohin wir wollen: "Die, die im Norden leben, sind nicht im geografischen Norden, sondern im gesellschaftlichen Norden, das heißt, sie sind oben. Die, die im Süden leben, sind unten. Die Geografie hat sich vereinfacht, es gibt ein Oben und ein Unten. Der Ort, der oben liegt, ist eng, und es gibt nur Platz für einige wenige. Der, der unten liegt, ist so geräumig, dass er jeden beliebigen Ort des Planeten umfasst und Raum für die ganze Menschheit bietet." (EZLN, Die andere Geografie/Otra Geografía). Die »Sexta« wird zu einer Möglichkeit, um Widerstand nicht nur in Mexiko, sondern in der ganzen Welt auszudrücken. Nach Professor González Casanova, könnte die »andere Kampagne« "die letzte Chance für die Menschheit sein". Es ist eine Herausforderung, und das nicht nur für die Zivilbevölkerung von Mexiko.

Links

Revista Rebeldía:
www.revistarebeldia.org

EZLN. Die andere Geografie/EZLN. Otra Geografía. Marzo 2003.
www.fzln.org.mx

Kollektiv der Solidarität mit dem Zapatistischen Widerstand in Barcelona:
www.pangea.org/ellokal/chiapas/

Aktivitäten von SIPAZ

Juli bis September 2005
INTERNATIONALE PRäSENZ UND BEGLEITUNG

Nach der Wiedereröffnung der 5 zapatistischen Caracoles hatten wir Gespräche mit 3 der "Räte der Guten Regierungen" (zapatistische Regierungen mit Sitz in den Caracoles).

Im August bereisten wir 10 Tage lang verschiedene Gemeinden und Städte der konfliktreichen nördlichen Zone von Chiapas und führten Gespräche mit unterschiedlichen an Konflikten beteiligten Persönlichkeiten.

Im Rahmen einer Besuchsreise der für Mexiko zuständigen Mitglieder der katholischen Kooperation aus Frankreich führten wir Interviews mit Persönlichkeiten unterschiedlicher Religionen durch. Am 30. Juli waren wir bei der Jahresfeier der Kaffeekooperative der Abejas in Chenalho, "Maya Vinic".

Im August besuchten wir das internationale Forum "Strategische Allianzen in Chiapas finden: Indigene Völker und Andere". Hierzu hatten mehrere Instanzen der Regierung von Chiapas mit Unterstützung von PRODESIS (Projekt für ganzheitliche und nachhaltige soziale Entwicklung im Urwaldgebiet in Zusammenarbeit mit der Europäischen Union) aufgerufen.

Im August und September waren wir als BeobachterInnen bei 3 der 6 Vorbereitungstreffen der "anderen Kampagne dabei, welche von der EZLN in verschiedenen Gemeinden im Lakandonischen Urwald durchgeführt wurde, wie auch beim ersten Planungstreffen der Kampagne im Caracol La Garrucha vom 16. bis 18. September.

Ende September machten wir eine Reise durch den Bundesstaat Oaxaca. Wir sprachen mit verschiedenen sozialen und Nichtregierungsorganisationen um den politischen Kontext Oaxacas besser zu verstehen.

Information

Wir empfingen wieder viele Besuche, 5 Delegationen, Studierende und JournalistInnen um über die aktuelle Situation in Chiapas und unsere Arbeit zu informieren. Die meisten kamen aus den USA und Europa.

Im Juli und September sprachen wir mit Mitgliedern der Schweizer Botschaft in Mexico.

Im September verfolgten wir den Fall des Umweltschützers Felipe Arreaga in Guerrero. Wir entwickelten eine Sektion über Guerrero für unsere Webseite.

Ein Mitglied unseres Teams befindet sich seit Anfang des Jahres auf Vortragsreise in Deutschland. Bisher hat sie über 70 Vorträge über Chiapas und die Arbeit von SIPAZ gehalten und mit 150 Puppenspielauftritten über die Situation in indigenen Gemeinden informiert (Schulen und öffentliche Veranstaltungen) und 2 Workshops zu Methoden von Konflikttransformation geleitet. Sie hatte 2 Gespräche mit VertreterInnen der deutschen Regierung. Außerdem nahm sie an etwa 20 Treffen und Seminaren zum Austausch von Informationen und Erfahrungen mit Friedens-, Menschenrechts- und Solidaritätsorganisationen teil (wie CAREA und Peace Brigades International beide Teil der Koalition von SIPAZ). Die Reise wird vom katholischen Fond und vom Evangelischen Entwicklungsdienst unterstützt.

Wir beteiligen uns weiterhin am Seminar "Das Werk von Immanuel Wallenstein: eine Grammatik um die heutige Welt aus kritischer Perspektive zu verstehen". Diese Seminare werden vom Zentrum für Studien, Information und Dokumentation Immanuel Wallenstein" koordiniert.

Zwei mal monatlich beteiligen wir uns an "Mit lauter Stimme", Freiraum für Reflexion und Analyse zu aktuellen sozialen Themen.

Vernetzung

Wir beteiligen uns weiterhin am Friedensnetz Chiapas. Dieses wird von 15 Organisationen getragen, bietet Raum für Aktion und Reflexion um Friedens- und Versöhnungsprozesse in Chiapas zu unterstützen.

Im August waren wir MitveranstalterIn einer zweitägigen Versammlung des Mexikanischen Netzwerkes zum Aufbau des Friedens, welches in San Cristobal de las Casas durchgeführt wurde.

Wir hatten Arbeitstreffen mit einigen unserer BeraterInnen und Organisationen der SIPAZ Koalition.

Im August nahmen wir an den Feiern zum 16.Jahrestag von CIDECI (Indigenes Zentrum für ganzheitliche Entwicklung und Ausbildung) an ihrem neuen Standort in San Cristobal teil.

Friedenserziehung

Im Juli beendeten wir eine Workshopreihe zur Einführung in die Konflikttransformation mit der Organisation GRAMIN/ALSOL (Arbeiten mit Kleinkrediten für indigene Frauen).

Anfang August beteiligten wir uns an einem runden Tisch im Rahmen einer pastoralen Woche "Gemeinschaft aufbauen" im INESIN (Institut für interkulturelle Studien und Forschung). Dazu war auch eine Delegation von PastorInnen der in Christus vereinten Kirchen, aus Wisconsin, USA, angereist.

Im September veranstalteten wir gemeinsam mit dem Menschenrechtszentrum Fray Bartolome de las Casas einige Workshops mit internen Flüchtlingen, im Tiefland von Tila, in der nördlichen Zone.

 

Quelle: https://www.sipaz.org/?lang=de


 

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