EZLN Kommunique 2 - Brief an Don Benito Rojas Guerrero

Text von Subcomandante Marcos vom 08.08.2005
Subcomandante Insurgente Marcos
übersetzt von: Dana

 

Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung

Mexiko

8. August 2005

An: Don Benito Rojas Guerrero
Von: Subcomandante Insurgente Marcos

Don Benito:

Wir grüßen Sie, und schreiben Ihnen, um einige Dinge in Ihrem Brief zu kommentieren, der im Correo Ilustrado (Briefe an die Redaktion) der heutigen La Jornada veröffentlicht wurde. Da dieser, wie ich verstehe, aus Platzgründen gekürzt wurde, werde ich nur das ansprechen, was publiziert wurde.

Erstens. Als wir die Gauner und Ganoven in der PRD erwähnten, sprachen wir, und werden es auch weiterhin tun, über die gleichen, die Sie als wankelmütig bezeichnet haben, die die Partei an sich gerissen haben, denen Ideen und Prinzipien gleichgültig sind, die die PRD (und Menschen wie Sie) für ihre persönlichen Interessen benutzen. So haben es die Teilnehmer des Encuentros vom 6. August verstanden, und so haben es, nach dem zu urteilen was ich in verschiedenen Publikationen gesehen habe, andere PRD Mitglieder (wie Marcos Rascón) verstanden, die mit der augenblicklichen Richtung ihrer Partei unzufrieden sind. Ich weiß, es wäre Ihnen lieber, wenn zwischen ihnen unterschieden würde, aber jedes mal wenn unterschieden wird, verstecken die sich dahinter um zu sagen "wir sind damit nicht gemeint", oder schieben die Schuld auf ihre gegenwärtigen Rivalen (im Kampf um Positionen und Jobs). Und es sind diese Gauner und Ganoven, die die PRD führen und López Obrador umgeben. Und sie sind für die Lage verantwortlich in der wir uns befinden, denn zu allem was Sie angemerkt haben, möchten wir noch die Angriffe hinzufügen, die sie auf uns verübt haben.

Zweitens. Ich habe die Artikel und Berichte von Elio Henríquez und Hermann Bellinghausen gelesen, die für die La Jornada beim Treffen anwesend waren, sowie die Aufnahmen und Abschriften dessen was ich in meinen zwei Ansprachen am 6. August gesagt habe durchgesehen. Zu keiner Zeit sagte ich so etwas wie "man ist entweder mit López Obrador, oder man ist mit der EZLN." Wenn Sie die Artikel der zwei Journalisten durchlesen, die Aufnahmen und Abschriften sichten (die vollständig auf der Webseite von Revista Rebeldia erhältich sein werden), werden Sie sehen, dass ich das nicht nur nicht gesagt habe, sondern außerdem, einige meiner Worte das genaue Gegenteil davon besagen. Wie Sie sich selbst überzeugen können, indem Sie die Artikeln lesen, oder sich mit einigen der Teilnehmer unterhalten, brachte ein Compañero von einer der anwesenden linken Organisationen seine Sorge darüber zum Ausdruck, dass man als Bedingung um sich der "anderen Kampagne" anzuschließen, gegen AMLO sein musste. Worauf ich antwortete: "Es gibt keine Bedingung, dass man gegen ihn oder sonst irgendwen sein muss um hier zu sein. Es muss nur klar sein, dass wir die andere Kampagne nicht in die Wahlkampagne einbinden können. Darüber müssen alle sehr klar sein, wir gehen nicht diesen Weg." Ich kann Ihnen auch sagen, dass ein anderer Compañero, von einer anderen Organisation, in einer langen Ansprache die Position verteidigte, dass AMLO unterstützt werden müsste (er ging sogar soweit AMLO mit Hidalgo, Morelos, Zapata, Villa . . . und die Jungfrau von Guadalupe zu vergleichen). Als einer der Teilnehmer, mehr von der Länge der Ansprache irritiert als von deren Inhalt, versuchte ihn zum Schweigen zu bringen, intervenierten wir mit der Bitte, uns alles anzuhören was der Compañero sagen wollte.

Fragen Sie diese Person, ob er davongejagt oder misshandelt worden ist, oder ob wir ihn unhöflich behandelt hätten (am Ende gab er uns mehrere Bücher, damit wir mehr über die Positionen seiner Organisation lernen konnten). Wir haben ihn nicht erschossen, wir haben ihn nicht gekidnappt, wir haben ihn nicht gefoltert, wir haben ihn nicht verprügelt, und wir haben ihn auch nicht belästigt. Wie es die PRD mit unsere Compañeros in Zinacantán, Las Margaritas, Altamirano und Ocosingo getan haben (das sind mal wirklich Beispiele für die Anwendung der "Bush-Doktrin", oder "wer nicht mit uns ist, ist gegen uns . . . und wird angegriffen"). Glauben Sie mir, alle Gedanken, die dort zum Ausdruck kamen, wurden respektiert. Aber glauben Sie mir auch, dass wir sehr klar sagen werden, dass wir diese Gedanken, die sagen, dass die PRD und AMLO unterstützt werden müssen, nicht teilen.

Drittens. Was wir tun, Don Benito, ist nicht das Ergebnis von Entscheidungen, die der Subcomandante getroffen hat, sondern der gesamten EZLN, gestützt auf eine interne Consulta, nach einer gründlichen Analyse und Diskussion der Konsequenzen und Verantwortlichkeiten dessen was wir tun und tun werden: die politische Klasse zu kritisieren (der die PRD angehört) und zu versuchen eine linke Alternative zu ihr zu errichten (einschließlich einer linken Alternativen zur PRD), mit einer anderen Art Politik zu betreiben und mit dem Ziel einer neuen Verfassung. Ich glaube, mit Stolz, dass wenn irgendjemand bewiesen hat, dass sie bereit sind für die Konsequenzen ihres Tuns die Verantwortung zu übernehmen, dies die EZLN ist.

Viertens. Wir könnten Sie und alle, die wie sie in der PRD sind und ehrlich und beständig sind, einladen zu kommen und mit uns zu sprechen, und uns auf diese Weise zu überzeugen López Obrador zu unterstützen und die Führung derer zu akzeptieren, die uns verachten und unterdrücken. Wir könnten versuchen Sie zu überzeugen, die PRD zu verlassen, und nicht weiterhin durch Ihre Anwesenheit eine Politik zu unterstützen, die nichts Revolutionäres oder Demokratisches, geschweige denn Linkes an sich hat. Gründen Sie besser eine andere Organisation und schließen Sie sich der "anderen Kampagne" an, unter den gleichen Voraussetzungen von Gleichstellung und Respekt, auf die wir uns bereits mit anderen politischen Organisationen geeinigt haben. Wir tun es nicht, weil es nicht unsere Art ist, jemanden zu sagen, was sie tun oder nicht tun sollten. Alle wissen wo sie stehen, und wie sie bereits angemerkt haben, übernehmen folglich die Konsequenzen und Verantwortung für ihre Entscheidungen.

Fünftens. Ich weiß nicht wieso Sie sagen, wir seien undankbar, wenn wir die PRD kritisieren. Sollten wir dankbar gewesen sein, nach der Abstimmung für die indigene Gegenreform, nach den Angriffen, den Schlägen, den Anfeindungen und bewaffneten Angriffen, die wir erlitten haben? Nach dem komplizenhaften Schweigen "um nicht der Rechten gleichzuziehen"?

Sechstens. Diese Ganoven und Halunken der PRD sind außerdem noch Betrüger. Sie geben vor, über das was wir sagen, empört zu sein, aber sie nehmen den Blick nicht von den Wahlumfragen, und sie atmen erleichtert: sie waren schon immer von der Idee besessen, sich vom Zapatismo zu distanzieren, und nun löst Marcos, "der Besessene" dieses Problem für sie. Sprechen Sie mit ihnen, und wenn sie ehrlich sind (was ich bezweifle), werden sie Ihnen sagen, dass sie zufrieden sind. Dass es nicht mehr nötig ist zu sagen, dass sie "Mitte" wären um konservative Stimmen zu gewinnen, weil die Schrillheit des Psychotikers (der Sup) sie bereits automatisch in diese (nicht- existierende) politische Region platziert hat. Jetzt kann niemand mehr AMLO und die PRD beschuldigen radikal zu sein, denn die Radikalen sind in der "anderen Kampagne". Und jetzt kann die PRD weiterhin mit den großen Geschäftsleuten und den konservativsten Sektoren reden und sie warnen dass, wenn sie nicht López Obrador unterstützen, die Option der radikalen Linken wachsen könnte, mit dem Schrei "mit ein paar Kilo mehr", "aus den Bergen des mexikanischen Südostens".

Sehen Sie mal, Don Benito, keiner der PRD "Anführer" (die Sie und andere wie Sie repräsentieren), haben wirklich auf das geantwortet, was wir zur Sprache gebracht haben. Im Gegenteil, sie haben zum Trick gegriffen so zu antworten, als ob die EZLN sich darüber beschweren würde, dass die PRD ihren bewaffneten Kampf nicht unterstützten. Da haben Sie’s, es sind Gauner und Ganoven.

Siebtens. Don Benito, ich weiß, dass Sie und viele wie Sie, über unsere Position zutiefst bestürzt sind. Wir werden die Kritiken und Reflexionen von Menschen wie Sie, immer mit Respekt und Ernsthaftigkeit entgegennehmen. Und seien Sie versichert, dass wir nicht auf die Methoden zurückgreifen werden, die die PRD benutzt, um jene zu konfrontieren, die ihre Politik nicht teilen, Methoden, mit denen diese Partei uns seit dem Verrat der konstitutionellen Anerkennung der indigenen Rechte und Kultur konfrontiert hat.

Ich werde nicht noch mehr Ihrer Zeit beanspruchen, Don Benito. Ich hoffe, dass Sie uns durch die Webseite der Revista Rebeldía, oder auf jede andere Ihnen genehme Weise, Ihren kompletten Brief übersenden werden. Wir sind sehr daran interessiert ihn zu lesen. Bis dahin, noch einmal unsere Grüße und Respekt.

Aus den Bergen des mexikanischen Südostens

Subcomandante Insurgente Marcos

Mexiko, August 2005

 

Quelle: http://enlacezapatista.ezln.org.mx/


 

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