Zapatisten sehen rot

junge welt vom 22.06.2005
Dario Azzellini

 

Mexiko: EZLN-Guerilla geht in den Untergrund.
Militärische Mobilmachung verkündet.
Subcomandante Marcos übt scharfe Kritik an allen Parteien

Die Zapatisten gehen in die Offensive. In einem knapp gehaltenen Kommuniqué erklärte die mexikanische Guerillaorganisation »Zapatistisches Heer zur Nationalen Befreiung« in der Nacht zum Dienstag die militärische Mobilmachung. Alle zapatistischen Institutionen führen ihre Arbeit im Untergrund fort. Betroffen sind sowohl die Verwaltungsbehörden der autonomen Landkreise als auch die politischen Vertretungen. Auch die »Caracoles« (Schneckenhäuser), die im August 2003 als neue Treffpunkte zwischen Vertretern der EZLN und »der Zivilgesellschaft« geschaffen wurden, lassen ihre Arbeit ruhen. Im gesamten zapatistischen Einflußbereich im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas gelte »Allgemeine Alarmstufe Rot«, heißt es in dem Kommuniqué. Die Sendungen des Guerilla-Radiosenders »Stimme der Stimmlosen« wurden »für unbestimmte Zeit eingestellt«. Alle EZLN-Angehörigen, die sich in den Gemeinden befanden, seien zu den Waffen gerufen, die Truppen befänden sich in ihren Lagern.

Droht militärischer Konflikt?

Die Erklärung läßt kaum einen Zweifel zu, daß sich die Zapatistas auf einen erneuten militärischen Konflikt vorbereiten, auch wenn dies nicht offen ausgesprochen wird. So wird ausdrücklich erklärt, die medizinische Versorgung in den Gemeinden aufrechtzuerhalten. Das medizinische Personal bestehe aus Zivilisten, die keinerlei Verbindung zu zukünftigen Aktionen der EZLN hätten. Regierung und Armee wurden aufgefordert, den zivilen Status der Hilfskräfte zu achten. Gleiches gelte für die Mitarbeiter des Zapatistischen Informationszentrums, das nach Versand des Kommuniques aufgelöst wurde. Alle im zapatistischen Territorium anwesenden Unterstützer und Unterstützerinnen sollten »das rebellische Territorium zu verlassen« oder, wenn sie auf eigenes Risiko bleiben wollen, sich in den fünf Caracoles sammeln.

Erst vor wenigen Tagen hatte Subcomandante Marcos eine Erklärung veröffentlicht, in der alle drei großen Parteien des Landes scharf angegangen werden. Die regierende Partei der Nationalen Aktion (PAN) versuche sich als Projekt der Mitte zu verkaufen, stehe jedoch unter der Kontrolle der extremen Rechten. Die Partei der Institutionellen Revolution (PRI) sei wie eh und je von Kriminellen dominiert und in Drogenhandel und Entführungen verwickelt. Sie stehe damit weiter in der Tradition staatlich organisierter Morde und Repression. Doch auch die Partei der Demokratischen Revolution (PRD) unter Manuel López Obrador, dem Bürgermeister von Mexiko-Stadt, sei keine linke Option. Es handele sich um ein erklärtes »Projekt der Mitte«, das Mexiko in den globalen neoliberalen Markt integrieren wolle. Marcos bezeichnete die PRD als »moderat rechts«, das bewiesen die steten Bemühungen López Obradors, sich von Luis Inácio »Lula« da Silva, Hugo Chávez, Fidel Castro und Tabaré Vázquez zu unterscheiden. »Es ist die Zeit, mit dem Kampf zu beginnen, damit alle, die dort oben die Geschichte verachten und uns verachten, ihre Rechnung bekommen und zahlen«, so Marcos.

Bruch mit Linkspartei PRD

Auch wenn es fernab der Öffentlichkeit geschah: In den vergangenen Jahren ist sowohl die Konsolidierung als auch die Ausweitung der EZLN- Strukturen in Chiapas weiter vorangeschritten. Doch mit offiziellen Regierungsinstitutionen konnte auch elf Jahre nach dem 1994er Aufstand keine Verständigung erreicht werden. In seiner Erklärung zu den mexikanischen Parteien berichtete Marcos zudem davon, daß die autonomen zapatistischen Gemeinden seit Dezember vergangenen Jahres keinerlei Beziehungen mehr zu der PRD-gestützten Regierung von Chiapas unterhalten, da diese sich nicht an die wenigen Verpflichtungen hielt, die sie eingegangen war. Die PRD sei »genauso rassistisch wie alle anderen«, so Marcos’ Fazit. Eine Reaktion von Regierung und Armee blieb bislang aus. Was aber auch immer geschehen mag: Die Vergangenheit hat gezeigt, daß jeder Schritt der Zapatistas gut vorbereitet ist. Menschenrechtsbeobachter berichten immerhin schon seit Monaten von »erhöhten militärischen Bewegungen« in Chiapas.

 

Quelle: http://www.jungewelt.de/2005/06-22/005.php


 

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