Worte des Kommandanten Tacho in San Cristobal

EZLN vom 01.01.2006
übersetzt von: Katja (B.A.S.T.A.)

 

Worte des Kommandanten Tacho in San Cristobal de las Casas am 1. Januar 2006.

Brüder und Schwestern.

Guten Abend, Compañeros und Compañeras der Unterstützungsbasis, die sich mit mir hier gegenüber dieser Kathedrale befinden. Mit Erlaubnis der Compañeros des Geheimen Revolutionären Indígena-Komitees - Generalkommandantur und des Compañero Subcomandante Insurgente Marcos möchte ich einige Worte sprechen.

1. Januar 2006.

Brüder und Schwestern Arbeiter und Arbeiterinnen.
An unsere Brüder und Schwestern auf dem Land in ganz Mexiko.
Brüder:

Heute wollen wir euch sagen, dass die Situation der Arbeiter auf dem Land und in der Stadt von Tag zu Tag gravierender und schwieriger wird, obgleich wir Bauern und Arbeiter der wichtigste Teil des mexikanischen Volkes sind, was die Produktion und die billige Arbeitskraft angeht.

Wir sind für unser Land unverzichtbar, und trotzdem sind wir die, die am wenigsten Rechte haben, die jedem mexikanischen Bauern zustehen. Trotzdem unsere Produktion in diesem Land schlecht bezahlt wird, hat das Land, das wir bebauen, schlechte Qualität, und wir verfügen nicht über die Mittel, zu arbeiten und es zu verbessern. Trotz unseres schlechten Bodens produzieren wir, aber niemand gibt uns Garantien für unsere Arbeit. Regenfälle, Trockenheit, Unwetter etc. können unsere Arbeit zerstören, und niemand schaut sich dann nach uns um.

All wir Bauern, die wir mithilfe von Mutter Erde produzieren, leiden wegen allem. Aus all diesen Gründen wird die Arbeit auf dem Land für die mexikanischen Bauern immer schwieriger, und viele unserer mexikanischen Compañeros wurden schon zur Emigration gezwungen, um ihre Familie zu ernähren. Und vor allem jetzt mit dem Freihandelsabkommen, das auf dem mexikanischen Land umgesetzt wird. Wir Bauern werden tagtäglich handlungsunfähiger, weil wir mit unseren Mitteln, die sich seit 500 Jahren nicht verändert haben, nicht mithalten können, und weil der Plan des Freihandelsabkommens nicht gut für das Wohl der Menschen ist.

Das Freihandelsabkommen ist der Plan, die mexikanische Landwirtschaft zu zerstören und stattdessen auf unserem Land genmanipulierte Produkte und Samen einzuführen. Um damit das legal wird, verändern sie den Artikel 27 der Verfassung, und damit unsere Ländereien legal gehamstert und wir wieder zu Dienern großer Großgrundbesitzer gemacht werden können, treiben sie das Privatisierungsprogramm für Ländereien mithilfe des Procede-Programms voran. All das ist der neoliberale Plan gegen das mexikanische Land und dessen Bauern. Aber trotz allem leisten wir Bauern Widerstand und bearbeiten das Land, um zu überleben, um zu überleben, indem wir weiter anbauen, was uns Mutter Erde als Natur schenkt. Denn was wir für einen Dumpingpreis verkaufen können, ist für den Konsum der großen Reichen bestimmt, während wir, die wir auf dem Land natürliche Sachen produzieren, getäuscht und dazu gezwungen werden, das zu konsumieren, was sie produzieren.

Wie können wir, nach all dem, von guter Gesundheitsversorgung sprechen, von guter Bildung, guter Ernährung und einer würdigen Behausung, wenn sie uns alles aufzwingen? Im derzeitigen Staatsparteiensystem herrscht Komplizität mit den neuen ausländischen Herren, durch ihre Strategien und ihre Pläne für berühmte landwirtschaftliche Entwicklungsprojekte wurden wir an den Rand gedrängt. Diese Pläne und Ziele haben die Ausrottung unseres Saatguts zur Folge, mit denen wir seit Jahrhunderten das Land kultiviert haben. Diese Projekte und Programme sind nur Teil ihrer Strategie, uns zur Benutzung von neuem Saatgut und Düngern zu zwingen, damit wir nicht mehr ohne Dünger und ohne ihre Samen produzieren können und zur Abhängigkeit von unseren neuen Herren gezwungen sind, was die Grundnahrungsmittel betrifft, und das treiben sie als Teil einer Strategie voran. D.h., die Bauern sollen in Hinblick auf ihre Ernährung völlig abhängig werden. Das ist nur ein Teil des Planes, aber in Wirklichkeit will uns die Bourgeoisie undifferenziert von unseren Ländereien vertreiben.

So hätten sie gern, dass nach mehr als einem Jahrhundert die Bauern erneut auf Knien vor ihren neuen Herren rutschen. Deswegen wollen wir Zapatistas heute unsere Brüder und Schwestern Bauern und Bäuerinnen dazu auffordern, sich mit uns im Kampf gegen einen gemeinsamen Feind zu vereinen, der mit allen Mitteln einen stillen Krieg gegen uns führt, neben den heilbaren Krankheiten wie Durchfall, Erbrechen und Fieber.

Wir Bauern müssen unsere Forderungen stellen und uns organisieren, um nicht weiter an heilbaren Krankheiten zu sterben, die als Krieg Niederer Intensität bekannt sind. Dieser Plan richtet sich gegen die Arbeiter und Bauern, das heißt, was früher dem Volk gehörte, wird heute verkauft und kommt in den Besitz ausländischer Geschäftemacher. Deshalb, Brüder Arbeiter und Bauern, kennen wir die schwierige Situation, die ihr in den Fabriken erlebt. Wir wissen, dass die Situation und die Lebensbedingungen denen von uns Bauern ähnlich sind.

Da den Arbeitern ihre Arbeitsplätze nicht sicher sind, sind sie von der Entlassung bedroht, wenn sie ihre Rechte verteidigen. Die Gesetze der Regierung schützen sie nicht, und noch weniger die der Herren, denn wenn sie Ungerechtigkeiten einklagen, höhere Löhne fordern oder eine Lebensversicherung oder einen sicheren Arbeitsplatz, werden sie ungerechterweise auf die Straße gesetzt, auch wenn ihnen laut Gesetz all diese Rechte zustehen, aber in Wirklichkeit werden sie nicht umgesetzt, denn sie dienen nur zum Nutzen und zur Bereicherung der Herren auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung. Zum Beispiel der verstorbene Fidel Velásquez und Rodríguez Alcaine, die selbst keine Arbeiter waren, aber Gesetze erließen, die angeblich zum Nutzen der Arbeiter sein sollten. Gemeinsam mit den Herren zeigen sie auf diese Weise, dass sie die Arbeiter und ihre Rechte nicht interessieren und sie nicht für das Volk kämpfen, sondern für ihre eigenen persönlichen Interessen.

Deswegen rufen wir dazu auf, uns zusammenzuschließen, gemeinsam zu kämpfen, Bauern und Bäuerinnen, Arbeiter im Bereich der Bildung, der Gesundheit und den anderen Sektoren von Arbeitern und Arbeiterinnen.

Brüder und Schwestern, wir alle, Männer wie Frauen, müssen sagen, dass sie uns nicht über den Tisch ziehen sollen, und wir müssen uns organisieren, dass wir uns alle dem Kampf anschließen. Der Moment ist gekommen, es ist Zeit, gemeinsam zu sagen: Ya basta! Denn die Ausbeuter wird niemand aufhalten außer wir selbst. Deshalb, Compañeros und Compañeras Arbeiter und Arbeiterinnen in Stadt und Land, beginnt heute unsere Andere Kampagne, um eure Worte zu hören, eure Gedanken zu erfahren, ob ihr damit einverstanden seid, dass jegliche Privatisierer uns auf welche Art auch immer ausbeuten.

Wir Zapatistas sind nicht damit einverstanden. Wir sind nicht damit einverstanden, dass sie uns weiter ausbeuten. Ihr, Brüder und Schwestern, werdet uns sagen, ob wir uns irren. Deshalb beginen wir heute damit, eure Worte zu hören.

Die zapatistische Armee der Nationalen Befreiung, im Namen unserer Compañeros und Compañeras, der Jugendlichen, Kinder und alten Leute der Unterstützungsbasis, ruft unsere Compañeros Arbeiter und Bauern dazu auf, sich zu organisieren und direkt an der anderen Kampagne teilzunehmen, damit wir gemeinsam für unsere Rechte kämpfen, die uns zustehen als Arbeiter, die wir sind, auf dem Land und in der Stadt. Um gemeinsam ein landesweites Kampfprogramm und eine andere Form des Kampfes zu schaffen, gemäß der Sechsten Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald. Wir sind sicher, dass wir nur gemeinsam und organisiert die Gerechtigkeit zum Blühen bringen können, wenn die Rechte der Arbeiter und Bauern respektiert werden. Leben für das Land oder sterben für die Freiheit!

Aus dem Tal von Jovel*,

Vielen Dank.

*Jovel: So nannten die Indígenas früher San Cristóbal de las Casas,
bedeutet so viel wie "bergiges Tal". (Anm. d. Üs.)

 

Quelle: http://enlacezapatista.ezln.org.mx/


 

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