Erfolgreicher Start der zapatistischen Rundreise
Poonal vom 17.01.2006 | |
Von Gerold Schmidt |
(Mexiko-Stadt, 16. Januar 2006, npl).- Einmal mehr zeigte die mexikanische Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) und ihr Sprecher Subcomandante Marcos in den vergangenen Tagen, dass mit ihnen noch zu rechnen ist. Zu Anfang der geplanten sechsmonatigen Rundreise durch das ganze Land mobilisierten der als "Delegierter Null" auftretende Marcos und mehrere der indigenen EZLN-Comandantes nach Schätzungen am 1. Januar bis zu 20.000 Menschen in der chiapanekischen Kleinstadt San Cristóbal. Die Stadt hatte auch vor zwölf Jahren beim weltweit Aufsehen erregenden Beginn des Zapatistenaufstandes im Mittelpunkt gestanden.
In Palenque, einem durch seine Maya-Pyramiden bekannten Ort, begleiteten ebenfalls mehrere tausend Menschen die zapatistische Karawane. "Palenque ist keine Ruine, wir Mayas leben noch", so Marcos vor der Menschenmenge. Die Karawane hat sich bis letzte Woche im Bundesstaat Chiapas aufgehalten. Dann verließen die Zapatisten mit Marcos an der Spitze ihr Stammgebiet und machten auf der Halbinsel Yucatán Station.
Den überwiegenden Teil der ersten Tage verbrachte der Delegierte Null beim ausführlichen Austausch mit örtlichen Gruppen der Zivilgesellschaft, die sich der im Juni 2005 von der EZLN veröffentlichten Sechsten Erklärung aus dem Lakandonen-Urwald angeschlossen haben. Dieses Muster wird voraussichtlich die gesamte Reise durch die 31 mexikanischen Bundesstaaten und die Hauptstadt begleiten. Unter dem Motto "die andere Kampagne" will die EZLN die linken und antikapitalistischen Kräfte im Land bündeln. Langfristig ist eine grundlegende Verfassungsreform anvisiert. Die andere Kampagne soll Mexiko "von unten her durchschütteln, es auf den Kopf stellen". Sprecher Marcos wies jedoch darauf hin, dies werde "langsam, sehr langsam" vonstatten gehen.
Keineswegs überraschend fehlte auch die medienwirksame Inszenierung nicht. Teile der bisherigen Wegstrecken legte Marcos mit einem schwarzen Motorrad zurück. Ein augenzwinkernder Tribut an Che Guevaras Reise quer durch den Subkontinent vor gut 50 Jahren. Der Delegierte Null will es immerhin bis zur nördlichen Grenzstadt Tijuana schaffen.
Detaillierte öffentliche Politikanalysen hat Marcos bisher unterlassen. Mit Bezug auf die in einem halben Jahr anstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen sprach er in Abgrenzung zur "anderen Kampagne" von Wahlzirkus. Den mit Ausnahme der linksmoderaten PRD zwischen allen etablierten Parteien und führenden mexikanischen Unternehmern vor Wochen geschlossenen "Pakt von Chapultepec" bezeichnete der Zapatistensprecher als "Antithese zur Sechsten Erklärung". Konkrete Parteienkritik richtete sich an die Revolutionäre Institutionelle Partei (PRI), deren indigene Mitglieder er aufforderte, der Partei den Rücken zu kehren.
Das politische Establishment reagiert auf die neueste zapatistische Initiative ähnlich wie auf deren zweiwöchigen Marsch nach Mexiko- Stadt vor knapp fünf Jahren. Der friedliche Charakter der Rundreise wird unterstrichen und beispielsweise vom Kardenal Norberto Rivera bewusst falsch dahingehend interpretiert, dass die EZLN die Waffen niedergelegt habe. Auch die klerikal-konservative PAN-Regierung unter Präsident Vicente Fox findet offiziell fast nur Lob für das EZLN- Vorhaben, ihre Ideen "auf politischem Weg" vorzutragen. Gleichzeitig weihte Fox genau in diesen Tagen Infrastruktur in indigenen Gemeinden ein und versprach der Bevölkerung finanzielle Unterstützung.
Zunächst genoss die "andere Kampagne" relativ großes Medienecho. Trotz ihres anderen Ansatzes steht sie nun allerdings zumindest in der Öffentlichkeit in direkter Konkurrenz zum Wahlkampf. Denn nun ist die "Weihnachtspause" beendet, zu der die mexikanische Wahlbehörde die Präsidentschaftskandidaten verpflichtet hat. Vor der EZLN und Marcos liegen sechs intensive Monate. In dieser Zeit müssen sie zumindest erste Grundlagen schaffen, um den selbst gestellten Anspruch der Schaffung einer geeinten antikapitalistischen Linken nicht aus den Augen zu verlieren. Die Messlatte setzte Marcos ganz zu Anfang seines alternierend mit Krimiautor Paco Ignacio Taibo II geschriebenen Romans "Unbequeme Tote". Dort heißt es: "Was länger dauert als sechs Monate, ist entweder eine Schwangerschaft oder nicht der Mühe wert."
Quelle: poonal
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