Die Küste, der Hurrican Stan, unbekanntes Chiapas

Heike Milanomi (Rundbrief) vom 18.01.2006
Heikes Rundbrief Ende Januar 2006

 

Eines morgens, als ich die e-mails im computer abholte war diese Einladung dabei. Das Menschenrechtszentrum Fray Matias de Cordoba in Tapachula schickte eine Einladung, bzw. bat um Hilfe. Chiapas war im Oktober 2005 vom Hurrikan Stan betroffen. Ich kannte Hurrikane bisher nur vom Fernsehn. In Deutschland gab es ja all die Katastrophen der Welt im Fernsehn zu beobachten. Benannt, bekannt als Naturkatastrophen. Allerdings gibt es auch viele Zweifel daran, ob es wirklich die Natur ist die Katastrophen verursacht. Mutter Erde will doch nicht ihre Kinder schlagen.

Das Menschenrechtszentrum organisierte Brigaden, die die Betroffenen des Hurrikans besuchen und interviewen sollten um sie über ihre Rechte zu informieren und die Verletzungen dieser Rechte bekannt zu machen. So beteiligte ich mich an diesen Brigaden. Wir waren 15 Leute aus unterschiedlichen Organisationen und Ländern und teilten uns in 5 Gruppen auf.

Wir fanden eine grosse Vielfalt von Erlebnissen und Problemen. Beeindruckend war schon einfach der Blick. Es sieht aus wie ein endlos weiter Strand. Weisser Sand und grosse Steine. Nicht zu glauben das hier mal Häuser standen, Mango und Bananenbäume wuchsen, Kühe und Schweine umherliefen, Kinder spielten... In der nächsten Kleinstadt treffen wir dann eine Familie die auf der Strasse Apfelsinen und Süssigkeiten verkaufen. "Wir wohnen jetzt hier im Casa Ejidal. Wenn es eine Versammlung gibt müssen wir auf die Strasse. Der Bürgermeister hat uns ein neues Stück Land versprochen um unser Dorf wieder aufzubauen... aber bisher gibt es nichts... wo sollen wir hin ?" Immer wieder erzählten uns die Leute von Versprechungen der Bürgermeister die nicht eingehalten wurden. Gleichzeitig aber warten sie auf die Hilfen der Regierungen.

Ich traf niemanden wer gesagt hätte "wir wollen mit dem Staat

nichts zu tun haben und helfen uns selber". Das ist, was ich von der Autonomie der Zapatistas kenne. Überhaupt sind die Zapatistas hier an der Küste nicht sehr bekannt. Wenn ich Leute fragte bekam ich unterschiedliche Antworten wie: "Hier haben die Leute Angst vor den Zapatistas, wegen der Gesichtsmaske und weil sie sie nicht kennen." Oder "Marcos kämpft für die Armen, aber zu uns kommt er nicht". Mehr als Marcos ist den meisten Leuten nicht bekannt. Die Vision des Aufbaus von Basisdemokratie, Regierungen die gehorchen... bis zum Aufbau der Gesundheitsversorgung scheint hier alles unbekannt. Der Subkomandante Marcos war zur selben Zeit an der Küste wie ich. Als Delegierter Null ist er seit dem 1.1.2006 auf einer Rundreise die in San Cristobal begann. Begleitet von vielen SympatisantInnen reiste er auch an die Küste. Die lokalen Zeitungen beschimpften ihn und die lokalen SympatisantInnen der EZLN. In Huixtla gibt es so Dreiräder, die wie Taxis arbeiten. Der Bürgermeister verlangt Steuern von ihnen, die Zapatistas unter ihnen weigern sich Steuern zu zahlen. Sie werden als Piraten beschimpft.

Kulturell und politisch habe ich den Eindruck in einem anderen Land zu sein. Die wenigen IndianerInnen die hier leben kommen aus Guatemala. Die Bevölkerung hier verstehen sich als MestizInnen. Die Menschen leben viel individualistischer. Wir trafen schon auch Menschen die einander halfen als sie vom Hurrikan verfolgt wurden. Auf der anderen Seite aber auch immer wieder Leute die erzählten von anderen beklaut worden zu sein. Manuela lebte von der Schweinezucht und Mast. Sie brachte ihre Schweine in die Schule um sie vom Hurrikan zu retten. Dann sah sie Polizisten Schweine schlachten. Sie konnte noch einige retten. Nun erzählte sie uns, die Frau eines Politikers hätte ihr viele Schweine geklaut. Von anderer Seite wurde uns berichtet der Bürgermeister hätte der Polizei befohlen Tiere zu schlachten und das Fleisch zu verteilen. Die schlimmsten Geschichten hörten wir aus der Grosstadt Tapachula. Mit Waffen versuchten Leute den Inhalt ihrer kaputten Häuser vor Dieben zu schützen. Andere bewaffnete Banden plünderten die Häuser oder überfielen Hilfstransporte. Dagegen auf einer Insel beschwerten sich die Fischer, das wegen der Radiomeldungen niemand ihre Fische kaufte. Aber sie verschenkten dann Fische an die Hungrigen in anderen Dörfern und bekamen dafür mal Früchte geschenkt. Wer Fische ist muss an der Küste nicht verhungern. Im November hatte es viele Lebensmittelhilfen gegeben. In einer Stadt wurde uns erzählt, diese Lebensmittel seien derweil in den Geschäften gelandet. Andere erzählten das sich verschiedene Regierungsstellen gegenseitig beschuldigen Lebensmittel zu verstecken. Es wird sicher interessant in einigen Monaten zu beobachten ob diese Lebensmittel im Wahlkampf wieder auftauchen. Wobei wir doch immer wieder erfuhren, das Lebensmittel von Kirchen und auch von Regierungsstellen verteilt worden waren. Was den Menschen am meisten fehlt, ist ein neues zu Hause.

Wir besuchten eine Organisation in den Bergen. Sie erzälten davon

in ihren Dörfern die Ernte verloren zu haben. Die Menschen helfen einander Häuser wieder aufzubauen, aber sie leiden Hunger. Diese Dörfer sind oft

10 Stunden Fussweg entfernt was es sehr schwierig macht Lebensmittel hinzubringen. Ein Hubschrauber wäre ideal, aber ein paar Maultiere wären auch schon eine Hilfe.

Viele Leute haben Angehörige die in die USA ausgewandert sind. Jetzt nach dem Hurrikan wandern noch mehr Leute aus. Die Menschenhändler verlangen so zwischen 2000 und 3000 Dollar um jemanden in die USA zu bringen. Angehörige oder Freunde die schon dort sind zahlen das Geld und wer nun ankommt muss es über Jahre zurück zahlen. Ganz offen werden Reisen nach Tijuana und andere Grenzstädte angeboten. Besonders hart ist es für Leute aus Mittelamerika. Unterwegs traf ich Leute die unterwegs waren. Aus dem Bus aussteigen, zu Fuss am Posten der Migration vorbei, wieder wo einsteigen... Ja und nun lässt Präsident Bush eine Mauer bauen an der Grenze zu Mexico. Diese wird die Berliner Mauer in Todesopfern bald übersteigen, bei den Tausenden die sich täglich auf den Weg machen.

Bei unseren Besuchen erlebten wir immer wieder, das die Betroffenen auf uns zu kamen und um Hilfe baten. Auch wenn wir keine materielle Hilfe brachten, gaben wir den Menschen doch Mut, sich zu organisieren und gemeinsam ihre Rechte einzufordern.
 

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