Endlose Vertuschung

Mexiko: Offizieller Bericht über »Schmutzigen Krieg« läßt weiter auf sich warten

junge welt vom 03.03.2006
Von Diego Cevallos, Mexiko-Stadt

 

Über drei Jahrzehnte verzögerten mexikanische Regierungen jegliche Bemühungen, Licht ins Dunkel des »Schmutzigen Krieges« zu bringen. Nun sickerten Informationen zum Entwurf eines »offiziellen Berichts« über die blutigen Verfolgungen von Oppositionellen in den sechziger und siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts durch - und schon das Bekanntwerden erster Inhalte sorgte für Kritik.

Erarbeitet hat den Entwurf das Büro des mexikanischen Sonderermittlers für soziale und politische Bewegungen der Vergangenheit - eine Stelle, die unter Verantwortung der Generalstaatsanwaltschaft eingerichtet wurde. Daß die Untersuchungen ausgerechnet unter staatlicher Oberhoheit und nicht, wie gefordert, von einer überparteilichen Wahrheitskommission durchgeführt wurden, hatte bereits vor fünf Jahren zu Protesten geführt. Nun also soll ausgerechnet ein staatlich angebundener Sonderermittler die Menschenrechtsverbrechen aus den Jahren des Schmutzigen Krieges des Staates untersuchen und vor Gericht bringen. Die bisherigen Ergebnisse sind dementsprechend: Bislang wurden lediglich drei Haftbefehle ausgestellt, darunter einer gegen einen früheren Polizeichef. Alle Versuche, die eigentlichen Verantwortlichen zur Verantwortung zu ziehen, sind bislang gescheitert.

Nach früheren Untersuchungen wurden während der Verfolgungen der außerparlamentarischen Opposition Tausende politische Gegner der seinerzeit regierenden Partei Institutionalisierten Revolution (PRI) Opfer von Folter und anderen Menschenrechtsverbrechen. Allein 532 Personen sollen von Soldaten und anderen Handlangern der Regierungen von Gustavo Díaz (1964-70), Luis Echeverría (1970-76) und José López Portillo (1976-82) verschleppt worden und anschließend verschwunden sein. Auch haben Soldaten 1968 auf dem Tlatelolco-Platz in Mexiko- Stadt eine Studentendemonstration gewaltsam aufgelöst. Hunderte Tote lagen im Anschluß auf dem Straßenpflaster im Zentrum der Hauptstadt. Etliche weitere Studenten kamen 1971 ums Leben, als eine Gruppe paramilitärischer Kräfte gegen Proteste ebenfalls in Mexiko-Stadt vorging.

In dem nun bekanntgewordenen Bericht werden indes lediglich einige Dutzend Fälle von Folter, Mord und Verschwindenlassen dokumentiert, so daß Menschenrechtsgruppen eine Vertuschung der wahren Ausnahme der staatlichen Repression befürchten. »Dieser Bericht sagt für uns nichts, was wir nicht schon wissen. Für uns ist er nur von begrenztem Wert, eben weil er von der Regierung ohne jegliche Beteiligung der Zivilgesellschaft erstellt wurde«, sagte am Dienstag Fabián Sánchez, Direktor der mexikanischen Kommission für die Verteidigung und Förderung der Menschenrechte. »Die Regierung hat uns zugesagt, daß wir beteiligt würden. Dieses Versprechen wurde aber nicht eingelöst«, so Sánchez.

Die mexikanische Regierung unter dem konservativen Staatspräsidenten Vicente Fox reagierte indes nach dem Motto »Haltet den Dieb«: Unbestätigten Angaben zufolge leitete sie eine Untersuchung ein, die in Erfahrung bringen soll, wer das Dokument an die Öffentlichkeit gebracht hat.

 

Quelle: http://www.jungewelt.de/2006/03-03/056.php


 

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