Wahlen und Menschenrechte in Mexiko - Bericht

Peace Watch Switzerland vom 19.06.2006

 

Bericht des Beobachtungsprogramms von Peace Watch Switzerland »Zivile und politische Rechte in der mexikanischen Vorwahlzeit"

Heute übernimmt Mexiko den Vorsitz im sich konstituierenden UNO- Menschenrechtsrat. Doch die aktive internationale Menschenrechtspolitik kontrastiert stark mit der repressiven Realität und einem starken Demokratiedefizit im Lande. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen vom 2. Juli hat Peace Watch Switzerland ein Beobachtungsprogramm durchgeführt, dessen Resultate im angefügten 8- seitigen Bericht zusammengefasst sind.

Für Auskünfte und weiteres Material, auch zur aktuell sehr angespannten Situation in Oaxaca − Oaxaca befindet sich nach der misslungenen Räumung der streikenden Lehrergewerkschaften de facto im Ausnahmezustand − stehen wir gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen

Philipp Gerber, Projektkoordination Chiapas/Mexiko


Summary

Mexiko vor den Wahlen: Repressive Innenpolitik und Legitimationskrise
des politischen Systems

Ein altes, schon vergangen geglaubtes Mexiko tritt vor den Präsidentschaftswahlen vom 2. Juli 2006 wieder verstärkt zutage. Während die mexikanische Regierung von Vicente Fox mit ihren aussenpolitischen Bekenntnissen zur Wahrung der Menschenrechte das Image Mexikos aufpoliert und ab dem 19. Juni 2006 den Vorsitz im neu geschaffenen UNO-Menschenrechtsrat übernimmt, lebt die verarmte, oft indigene Bevölkerung in einer repressiven innenpolitischen Realität mit ungebrochen starkem Demokratiedefizit.

Mit den traurigen Ereignissen von San Salvador Atenco nahe der Hauptstadt trat dieses andere Gesicht Mexikos wieder hervor: Anfang Mai forderte eine Konfrontation zwischen der Polizei und den BewohnerInnen von Atenco auf Seiten der BewohnerInnen zwei Todesopfer. Viele der 200 Festgenommenen wurden gefoltert, 23 Frauen in Haft vergewaltigt. Darunter waren auch ausländische Beobachterinnen, eine Deutsche, eine Chilenin und zwei Spanierinnen, welche ausgeschafft wurden. Atenco ist ein Beispiel für die äusserst angespannte Situation in Mexiko vor den Wahlen. Felipe Calderón, Spitzenkandidat der konservativen Regierungspartei PAN, gratulierte den Sicherheitskräften für die "Wiederherstellung des Rechtsstaates" und dachte laut darüber nach, ob während des Wahltags am 2.Juli die Armee zu mobilisieren sei (Hintergründe zur Konfrontation in Atenco siehe Literaturangaben im Anhang).

Menschenrechte in Südmexiko

Den Fragen nach den Fortschritten oder den Rückschritten im Demokratisierungsprozess sowie der Wahrung der Menschenrechte und der indigenen Rechte ist Peace Watch Switzerland in diesem Beobachtungsprogramm nachgegangen. Drei schweizerische Delegationen mit 15 erfahrenen Freiwilligen waren zwischen Februar und Juni 2006 vor Ort und besuchten die südlichen Bundesstaaten Chiapas, Oaxaca und Guerrero. Dabei konnte Peace Watch Switzerland auf die Erfahrung von neun Jahren kontinuierlicher Menschenrechtsbeobachtung im Konfliktgebiet in Chiapas aufbauen und den Aktionsradius stark ausweiten.

Die ungewöhnliche Initiative der intensivierten Beobachtung in den Monaten VOR den Wahlen hatte eine beachtliche Wirkung vor Ort. Unter lokaler Federführung des Friedensprogramms Propaz, das von Schweizer Hilfswerken (Caritas, Heks, Fastenopfer) getragen wird, arbeiteten vier Menschenrechtsorganisationen mit den Schweizer Freiwilligen zusammen und bildeten auch indigene Freiwillige aus, welche in ihren Regionen Verstösse gegen die Menschenrechte vor, während und nach den Wahlen registrieren.

Die Resultate dieses Beobachtungsprogramms in der Vorwahlperiode lassen das folgende Fazit zu: Der Rückfall in repressive Verhältnisse, wie sie in Atenco zu verzeichnen waren, kommt nicht überraschend. Denn Mexiko ist ein gespaltenes Land mit einem immensen sozialen Konfliktpotential. Die wichtigsten Stichworte dazu sind die sich weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich, die Missachtung der Rechte der indigenen Bevölkerung insbesondere in Südmexiko, eine fehlende Justizreform sowie die unbewältigten Migrationsproblematik.

Bei den Präsidentschaftswahlen wie auch bei den Gouverneurswahlen in Chiapas vom 20.August stellt sich die Frage, inwiefern die politische Klasse Mexikos die dringend notwendige Demokratisierung des Landes voranbringen kann. Breite Schichten der Bevölkerung gestehen den Parteien keine Legitimität mehr zu und bringen dies mit Wahlabstinenz oder in der Suche nach alternativen demokratischen Modellen zum Ausdruck.

Die Legitimationskrise der politischen Parteien wird verstärkt durch zahlreiche Klagen wegen Stimmenkauf, illegaler Wahlkampagnenfinanzierung sowie durch die Einmischung des Präsidenten Fox in den Wahlkampf. Mexiko, so unsere Analyse, hat den Autoritarismus und den Klientelismus, ein Erbe der 70 Jahre Einparteienherrschaft der PRI, noch nicht überwunden und viele der alten Methoden werden heute im Wahlkampf durch die PAN perpetuiert.

Öffentliche Veranstaltung zum Thema:

Mexiko aktuell: Wahlen, Menschenrechte, soziale Bewegungen

Peace Watch Switzerland berichtet über die Freiwilligen-Einsätze in Chiapas, Oaxaca und Guerrero

Montag, 26. Juni 2006, 19 Uhr, Quartierzentrum Aussersihl (Bäckeranlage) Hohlstrasse 67 8004 Zürich

unterwegs für Menschenrechte Peace Watch Switzerland
Quellenstrasse 31
8005 Zürich 272 27 88
info-AT-peacewatch.ch
www.peacewatch.ch

 

Quelle: http://www.peacewatch.ch


 

URL der Nachricht:  https://www.chiapas.eu/news.php?id=1478