Fidels Rache

Jungle World vom 30.04.2002
wolf-dieter vogel

 

Nr. 19/2002 - 30. April 2002
Mexikanisch-kubanische Beziehungen

Am Ende des Telefonats war man sich einig: Ankunft in Monterrey am 20. März, am späteren Abend, Abreise am nächsten Tag am frühen Mittag, möglichst schnell nach der Rede beim Uno-Entwicklungsgipfel, resümierte Vicente Fox. Gut, »verbleiben wir so«, erklärte Fidel Castro am anderen Ende der Leitung, »als Freunde und Ehrenmänner«.

Mexikos Staatschef Fox konnte zufrieden sein. Das knappe Timing, das er seinem kubanischen Kollegen aufgedrängt hatte, sollte verhindern, dass Castro während seines Aufenthalts in der nordmexikanischen Stadt auf US- Präsident George W. Bush stoßen könnte. Und um sicher zu gehen, bat Fox um Vertraulichkeit. »Hör mal, Fidel,« sagte er, »das ist eine private Konversation, zwischen dir und mir. Einverstanden?« »Einverstanden.«

Doch dann kam alles anders. In der vergangenen Woche konnten Kubas Fernsehzuschauer einem kompletten Mitschnitt des Telefonats lauschen, nur wenige Stunden später wurde die Unterhaltung im mexikanischen Abendprogramm übertragen. Castro hatte sich zur Veröffentlichung des Gesprächs entschlossen, nachdem die Vertretung Mexikos bei der Uno- Menschenrechtskommission in Genf vor zwei Wochen erstmals für eine Verurteilung Kubas gestimmt hatte.

Der Maximo Lider hatte den Plausch mit Fox nicht ganz so freundschaftlich aufgenommen, wie seine Worte erwarten ließen. Nach sieben Minuten beendete Castro seine Rede vor den UN-Delegierten. Durch seine Teilnahme an der Gipfelkonferenz sei eine »spezielle Situation« entstanden, nun sehe er sich gezwungen, »sofort in sein Land zurückzukehren«.

Seither ist Schluss mit den traditionell guten Beziehungen zwischen Mexiko und Kuba. Die mexikanische Regierung habe sich dem Druck aus Washington gebeugt und wollte Castro in Monterrey von Bush fernhalten, hieß es aus Havanna. Dies bestritt Mexikos Außenminister Jorge G. Castaneda. Es habe »keine Einflussnahme, keine Anregung«, nicht einmal »eine Anspielung« gegenüber Castro gegeben. Fox forderte, der Kubaner möge erklären, wie diese »Gerüchte« zustande kämen.

Das hätte er lieber nicht tun sollen. Denn die Worte des mexikanischen Präsidenten am Telefon lassen keinen Zweifel daran, dass man die US- Amerikaner nicht durch den Aufenthalt Castros brüskieren wollte. Dafür spricht nicht nur Fox’ Drängen auf schnelle Abreise. Er bat Castro auch, in seiner Rede »weder die Vereinigten Staaten noch Bush« anzugreifen.

Der Kubaner hätte sich nicht auf diese Bedingungen einlassen müssen, schließlich war er nicht von Mexikos Regierung, sondern von UN- Generalsekretär Kofi Annan eingeladen worden. Dass er es trotzdem getan hat, um dann nach verbalen Anspielungen abzureisen, legt nahe, dass er den Mitschnitt als Faustpfand gegen die kubafeindliche Politik des Kabinetts Fox sichern wollte.

Mit seiner Veröffentlichung nach der Genfer Entscheidung sorgte Castro jedenfalls für eine Zuspitzung in der politischen Debatte Mexikos. Schon seit längerem kritisieren alle Oppositionsparteien den proamerikanischen Kurs der Regierung. Die Fox und Castaneda nun vorgeworfenen »Lügen«, für die sich Fox öffentlich entschuldigen musste, bringen den Staatschef weiter in Bedrängnis. Castro dagegen geriet nur wegen seiner Indiskretion in die Kritik.

Die aber sei eine Frage für Philosophen, fand der Kubaner. Auch den Vorwurf, er habe unerlaubt Telefonate aufgezeichnet, nahm er mit Gelassenheit. Fox sei eben ein Mensch mit »wenig oder keiner Erfahrung«. Schon 1962, während der Kubakrise, so Castro, hätten die USA jedes Wort mitgeschnitten, das er mit den Sowjets gesprochen habe.

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