Puebla-Panama Plan: Der neue Kolonialismus

News vom 01.07.2001
The Ecologist, Juni 2001
übersetzt von: Dana

 

Sophie Style berichtet über den Plan der mexikanischen Regierung ihre Türen für multinationale Unternehmen noch weiter zu öffnen.

Der Puebla-Panama Plan oder PPP, ist ein gigantisches Projekt, der die Absicht verfolgt Mittelamerike für den freien Handel zu öffnen. Aber die Opposition dagegen wächst. Er ist der nächste Schritt zur "Globalisierung" Mittelamerikas. Er geht mit wenig Fanfaren voran, aber seine Implikationen sind riesig.

Am 12 März launcierte der neue mexikanische Präsident Vicente Fox das mexikanische Kapitel des "Puebla-Panama Planes" — dem neuesten Schritt bei der Schaffung einer riesigen "Freihandelszone der Americas" — in anderen Worten, die Kolonisation Lateinamerikas durch das Unternehmertum. Das 8 Milliarden Dollar Megaprojekt wird ein "Entwicklungskorridor" von Mexicos zentraler Staat Puebla, durch sechs Mittelamerikanische Länder bis nach Panama schaffen. Es wird als der Schlüssel zur Eliminierung der Armut und der Befriedung der Gegend angepriesen. Aber hinter dem offiziellen Diskurs lauern die bitteren Früchte des Unternehmerimperialismus in einer für die Exportindustrie der Vereinigten Staaten strategisch wichtigen Gegend, und laut dem mexikanischen Analysten Carols Fazio, die letzte Stufe eines Aufstandsbekämpfungsplans, der den indigenen Widerstand im Südosten brechen soll.

Noch bis vor kurzem war nur sehr wenig über den PPP bekannt. Er basiert auf einem Dokument der unter letzten mexikanischen Regierung von Santiago Levy entworfen worden ist, dem Untersekräter des Finanzministeriums und Berater der WTO und der Weltbank. Es ist diese weltweit wirkende Institution die gemeinsam mit der Interamerikanischen Entwicklungsbank den Hauptantrieb für den Plan liefert.


Die Förderung des "Freihandels"

Von allen 181 Staaten die bei der Weltbank verschuldet sind, sind die Schulden Mexicos die grössten, und der PPP wird sie noch vermehren. Wie es mit Weltbankkredite meistens ist, liegt der primäre Fokus der Anleihen die Mexico für den PPP gewährt worden sind auf die Modernisierung der Infrastrukturen in den neun am wenigsten industrialisierten Staaten des mexikanischen Südostens — wobei transnationale Unternehmen subventioniert werden und der Weg für weitere Privatisierungen geöffnet wird. Der Plan sieht die Expansion und den Bau von Autobahnen, Häfen, Flughäfen und Eisenbahnstrecken vor, die am Ende der sechsjährigen Regierungszeit Vicente Fox’ abgeschlossen sein soll. Allein in diesem Jahr wurden 420 Millionen $ für den Bau von mehr als 2.200 km an Autobahnen bestimmt, und die Arbeit an zwei hydeoelektische Dämme in Guerrero soll aufgenommen werden, einem Staat der bereits unter weitreichender Umweltzerstörung zu leiden hat.

Im Staat von Chiapas, der von Fox als "zentrale Achse" seiner Vision der Integrierung Südmexicos in die benachbarten Wirtschaften Mittelamerikas bezeichnet worden ist, liegt die Hauptaufmerksamkeit auf das heruntergekommene Puerto Madero. Der Präsident (ein ehemaliger Coca-Cola Leiter in Südamerika) hat seine Vermaktungstalente eingesetzt um das U.S. Kapital zu umwerben in dem zerfallenen 25-Jahre alten Hafen zu investieren und diesen in einem regionalen Handelstor zu verwandeln — komplett mit Industrieparks und Freihandelszone für Fischereien. Die Regierung behauptet diese Entwicklungen seien nötig, um die medizinischen und Bildungsdienstleistungen in den indigenen Gemeinden zu verbessern. In Wahrheit geht es dabei mehr um die Erleichterung des Ausfuhrs billig produzierter Güter und natürlicher Resourcen aus der Region, und der Steigerung des Einfuhrs von Fertigprodukte und Dienstleistungen für die 27 Millionen "Verbraucher" der Gegend.

Der Standort dieser Kommunikationsnetzwerke ist nicht zufällig. "Wir müssen den PPP an die gegenwärtigen Bedürfnisse der U.S-Wirtschaft und ihrer Exportindustrie anpassen", sagt Andres Barreda, ein Forscher an Mexicos unabhängiger Universität (UNAM). Er argumentiert, dass es wegen der Konzentrierung der Produktion an der Ostküste, einschliesslich fast der Hälfte der weltweiten Produktion von Autos und Getreide, und einer Verschiebung der globalen Wirtschaft vom Atlantik (Europa) zum Pazifik (Asien), für die Vereinigten Staaten von primärer Wichtigkeit sei Güter effizient an die Westküste transportieren zu können. Da die Rocky Mountains dafür ein unüberwindliches Hindernis darstellen, gewinnen mexikanische und mittelamerikanische Gebiete strategische Bedeutung, und bieten ein Sprungbrett zu den U.S. und asiatischen Märkten. Diese Funktion wurde bisher von dem Panama-Kanal erfüllt, dieser ist nun aber vom Schiffsverkehr überlastet.

Der Schwerpunkt des PPP ist die Wiedereaufnahme eines alten amerikanischen Traumes — die Verbindung des Coatzacoalcos Hafens am Golf von Mexico mit dem Salina Cruz Hafen an der Pazifischen Küste über dem Isthmus von Tehuantepec; die kürzeste Landenge zwischen den zwei Ozeanen dieser Region. Das PPP-Dokument spricht explizit von Investitionen in der Infrastruktur, "die den Isthmus in einem Ausfuhrkanal nach Europa für Unternehmen im Pazifik, und nach Osten für jene im Golf von Mexico verwandeln könnte." Bis jetzt betreffen die PPP-Investitionen die Modernisierung der trans-Isthmus Eisenbahnlinie und dem Bau einer achtspurigen Autobahn von Hafen zu Hafen. Diese Projekte werden zweifellos auf starkem Widerstand von den indigenen Gemeinden stossen, die es ablehnen einfache Schachfiguren in dem Kampf der U.S. mit Japan und Europa um Dominierung der globalen Wirtschaft zu sein. Während die zapatistische Karawane Ende Februar durch Oaxaca passierte, schloss sich Subcomandante Marcos den Stimmen der lokalen Gruppen an als er verkündete "der Isthmus ist nicht zu verkaufen".


Grünes Gold, schwarzes Gold

Das Auge des Kommerzes liegt auf dieser Region auch aufgrund ihrer Kombination aus Untergrundsresourcen und der reichen Biodiversität. Öl- und Gasvorkommen sowie für die Produktion von Hydroelektrizität geeignete Orte sind reichhaltig vorhanden, genau wie das Aufgebot an "genetische Resourcen" für biotechnologische Entwicklungen. Der PPP wird den Zugang an beides erleichtern. Investitionen von ca. 7 Milliarden $ sind für "Energieprojekte" einschliesschlich der Gas- und Ölproduktion in Tabasco, Chiapas und Campeche vorgesehen. So wie die zwei Wasserkraftdämme in Guerreo, sind in Chiapas 71 Orte für neue Dämme lokalisiert worden, die meisten von ihnen liegen in den autonomen zapatistischen Zonen. Die Energie wird gebraucht um neue industrielle Komplexe in der Gegend zu betreiben und um in die U.S. exportiert zu werden.

Ein verstecktes Element des PPP ist die Gelegenheit für die Gengiganten Monsanto, Syngenta, Diversa, Pulsar u.a., "Biopiraterie" in Mittelamerika zu betreiben. Unter der Flagge der "Bewahrung und Management von Biodiversität", treibt die Weltbank — gemeinsam mit privaten Investoren und sogenannte Umweltschutz NGO’s — in den "Mesoamerikanischen Biologischen Korridorprojekt" der nun Teil des PPP ist, die Schaffung nationaler Schutzzonen im Südosten voran. Die Sorge wächst, dass diese Allianzen dazu dienen um ohne der Information und der Zustimmung der lokalen indigenen Bevölkerungen Zugang zu Pflanzen und Mikroorganismen zu erlangen. Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit zwischen Pulsar und Conservation International im Lakandonischen Urwald. Die Pulsargruppe, die eins der weltweit grössten Unternehmen von genmanipuliertem Saatgut miteinschliesst, wird von dem Multimilionär Alfonso Romo geleitet, ein enger Verbündeter von Fox und der Hauptförderer des PPP. Trotz seines Namens ist Conservation International für seine Kollaboration mit der Pharmaindustrie in einigen der an Biodiversität reichsten Länder der Welt bekannt, auf der Suche nach pflanzliche Heilmittel, von denen später zahlreiche patentiert werden. Indigene Gruppen in Chiapas und Oaxaca haben sich gegen diese Projekte gesprochen, und beschrieben sie als ein "Raub unseres traditionellen indigenen Wissens und Resourcen".


Maquilatitlan

Als ein Mittel um die indigene Bevölkerungen aus diesen Regionen zu schaffen und die Immigration in die Vereinigten Staaten einzudämmen, sieht ein weiterer Aspekt des PPP die Schaffung industrieller Korridore vor, um das Maquiladora Modell nach Süden hin auszuweiten. Die meisten dieser steuerfreien Fabriken liegen nun an der Grenze zwischen Mexico und den U.S., aber Firmen haben seit neustem angefangen damit zu drohen woanders hinzuwandern, wegen dem was sie als hohe Produktionskosten, exzesive Bestimmungen, steigende Arbeitskosten und unzureichende Infrastruktur empfinden. Um sie davon abzuhalten das Land zu verlassen, hat Fox begonnen sie in den Südosten zu locken. Hier werden Firmen billige Arbeitskräfte zugesichert, mit Löhne die etwa 40% niedriger sind als im Norden, sowie grosszügige Subventionierungen und Provisionen für die Infrastruktur. In diesem Jahr werden 92 Maquiladoras in diese Region ziehen und 37.000 neue Arbeitsplätze schaffen.

Ein verwandter Aspekt des PPP ist der Antrieb die Landgegend "in ein profitables Geschäft" zu verwandeln. In diesem Jahr werden Investitionen in Wert von 65 Millionen $ in Bewässerungssystemen gesteckt werden, die 220.000 Hektare in den acht südlichsten Staaten Mexicos abdecken werden, in erster Linie für grosse Monokulturen. Ein anderes Projekt schlägt vor, dass Kleinbauern mit Geschäftsinvestoren "Partnerschaften" eingehen, und ihr Land als Kapital einsetzen, mit der Option dort weiterhin gegen Lohn zu arbeiten. Die starke Beteiligung von Romo in der PPP deutet darauf hin dass mit hoher Wahrscheinlichkeit noch mehr genmodifizierte Pflanzungen in der Region zu erwarten sind. Die Weltbank zum Beispiel sieht Chiapas als eine "interessante Versuchsgegend für genetisches Engineering".

All dies weist auf die Konzentration des Landbesitzes in den Händen grosser multinationaler Unternehmen hin, während kleine Produzenten gezwungen sein werden ihre kleinen Acker oder gemeinschaftliche Ejidos zu verkaufen oder zu verpachten. Seit dem Anbruch der neoliberalen Reformen in den 80’ern und insbesondere unter der NAFTA, macht es für die indigenen Campesinos finanziell mehr Sinn ihren Korn oder Kaffee auf den Feldern verrotten zu lassen als ihn zu Kleinstpreisen auf dem Markt zu verkaufen. Während immer mehr von ihnen ihr Land aufgeben, und damit viele ihrer Traditionen, sind die Optionen eindeutig. Anstatt in die Vereinigten Staaten auszuwandern, können sie nun ausgebeutete Lohnarbeiter in Maquiladoras oder in der Öl- oder Landwirtschaftsindustrie werden, und gleichzeitig den Unternehmen den Weg öffnen sich ihr Land und die sich darauf befindlichen wertvollen Resourcen anzueignen.


Zwei mit einem Streich

Wenn die indigenen Bevölkerungen sich weigern ihre Länder zu verlassen oder die Kontrolle über diese Resourcen aufzugeben, kann militäre Unterdrückung folgen. Die Staaten Guerrero, Oaxaca und insbesondere Chiapas sind gleichzeitig Schauplätze des grössten Widerstandes und der Guerrilla Organisation, reiche natürliche Resourcen, und der intensivsten Militarisierung in Mexico. Seit dem zapatistischen Aufstand in 1994 haben indigene Gemeinden in Chiapas sieben Jahre des Krieges niederer Intensität ertragen müssen. Während er sich bemüht ein Bild des Friedens zu vermitteln (der helfen wird Investoren in die Region zurückzulocken) hat Fox es bereits klargemacht, dass es niemals einen vollständigen Rückzug der Soldaten aus Chiapas geben wird, da die gebraucht werden um den Drogenhandel und die illegale Einwanderung zu bekämpfen. Der PPP sieht vor Unternehmen grösstmögliche Sicherheit zu garantieren — sowohl in Hinsicht von Infrastruktur und Landbesitz, als auch des militärischen Schutzes. Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der natürlichen Resourcen in dieser Gegend sagt Gustavo Castro von CIEPAC eine Verstärkung von dem was er als "Biomilitarisierung" und "Petromilitarisierung" beschreibt voraus.

Währenddessen hat der U.S.-Kongress dieses Jahr die Finanzierung von 38 Militäroperationen bewilligt, die die Entsendung von rund 100.000 Soldaten in 21 Länder in Mittelamerika, Südamerika und der Karibik betreffen. Der Zweck ist es unter dem Vorwand humanitärer Hilfe, die nationalen Streitkräfte im Kampf gegen den Drogenhandel und den Guerillas zu unterstützen. Die Vereinigten Staaten sagen dies sei nötig um einige der "schwächsten Demokratien" in dieser Gegend zu schützen. In diesem Sinne kann der PPP zwei Fliegen mit einem Streich erledigen: die Förderung der wirtschaftlichen Globalisierung und die Lieferung eines Vorwandes für eine zunehmende militärische Präsenz.


Grasswurzelopposition

Der Puebla-Panama Plan — mit Projekte die die Vertreibung indigener Gemeinden von ihrem Land bedeuten um Platz für Strassen, Flughäfen, Industrielle Zentren, Plantagen, Schutzzonen und Militärbasen zu machen — wird unweigerlich auf einer starken Grasswurzelopposition stossen. Im ganzen Südosten kämpfen Gemeinden bereits gegen spezifische Projekte auf lokaler Ebene, sei es der Widerstand der Hebammen und Heiler gegen die Biopiraterie in Chiapas, die gemeinschaftliche Verteidigung der Wälder in Oaxaca und Guerrero, Proteste gegen den industriellen Korridor über den Isthmus von Tehuantepec, oder der Einzug von genmodifiziertes Getreide. Der PPP wird als ein Plan angepriesen der nach einer nationalen Consulta "vom Volk aus" ausgehen wird. Aber was ist, wenn die Menschen entscheiden dass sie ihn nicht wollen? Und warum hat die Ausführung des Planes bereits begonnen?

Auf dem dritten Nationalen Indigenen Kongress in Michoacan. während des zapatistischen Marsches nach D.F., versammelten sich Vertreter von mehr als 40 indigene Völker und verfassten gemeinsam folgende entscheidende Erklärung:

"Für uns indigene Völker ist Mutter Erde heilig, und so sind es alle Wesen die sie bewohnen. Sie sind keine Ware die gekauft oder verkauft werden kann. Aus diesem Grund können wir die Zerstörung unserer Gebiete durch von der Bundesregierung und den lokalen Regierungen aufgezwungene Megaprojekte in unsere Gegenden im ganzen Land nicht akzeptieren. Wir fordern ein Moratorium auf alle Projekte die die Biodiversität, den Bergbau, Wassermegaprojekte und Aktivitäten der Biopiraterie betreffen die auf unserem Boden und in unserem Land stattfinden, bis die indigenen Völker die Fragen die mit der Kontrolle über ihre Resourcen zusammenhängen, in ihrer eigenen Zeit dikutiert haben."

Damit ist das was zumindest die indigenen Völker über den PPP denken klar. Wie die Regierung darauf antworten wird ist eine vollkommen andere Frage.
 

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