Oaxaca Ticker vom 27.08.2006

Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse der letzten Tage

Direkte Solidarität Chiapas vom 27.08.2006

 

Die Barrikaden in Oaxaca Stadt

Die Barrikaden werden jede Nacht grösser und zahlreicher und es gibt keine Anzeichen dafür, dass diese bald aufgegeben werden. Teilweise sind die Quartiere derart gut abgeriegelt, dass es selbst für die dort wohnhafte Bevölkerung schwierig war in ihre Häuser zu gelangen.

Die Urabstimmung der SNTE Sektion 22

Die Urabstimmung der Lehrer- und Lehrerinnen der SNTE Sektion 22 ist beendet und zugunsten einer Weiterführung der Protestaktionen in massiver Form ausgegangen. Das bedeutet, dass alle Schulen geschlossen bleiben und die Lehrer und Lehrerinnen weiterhin in Oaxaca ihren "Planton" weiterführen. Die Hoffnung von Ulises, dass die Lehrer und Lehrerinnen bald in die Schulen zurückkeheren ist damit bis auf weiteres zerschlagen und zu all dem gibt es Anzeichen dafür (gemäss Aussagen von Schülern die von immer mehr ausgefallenen Stunden berichten), dass sich immer mehr Lehrer und Lehrerinnen der COBAO’s (Colegio de Bachilleres del Estado de Oaxaca) an den Aktionen beteiligt. Im Moment wächst die Bewegung jeden Tag mehr.

Die Verhandlungen mit dem Innenministerium

Die APPO und die Sektion 22 der SNTE haben zugestimmt, dass sie mit dem Innenminister Abascal verhandeln werden, immer dann, wenn er nach Oaxaca komme und kein Vertreter der Regierung Ulises teilnehme. Seither ist es um die Verhandlung stillgeworden und es gibt noch keinen Termin für deren Beginn, weil die Secretaría de Gobernación natürlich darauf besteht, dass die Verhandlungen mit der Regierung Ulises stattzufinden hat, weil sie ja wiederholt und stereotyp verlauten liess, dass sie sich nicht in innere Angelegenheiten einmischen werde. Würde sie schlussendlich doch noch nach Oaxaca kommen und direkt mit der APPO verhandeln, käme das einem Richtungswechsel gleich, der als Unterstützung der Absetzung von Ulises gedeutet werden kann.

Generalstreik der Unternehmer

Für den nächsten Dienstag wurde ein Generalstreik der besonderen Art ausgerufen, nämlich der Unternehmer und Geschäftsbesitzer. Mehr als 1000 Delegierte stimmten einem eintägigen Generalstreik zu, an dem die Läden geschlossen bleiben und jegliche ökonomische Aktivität ruhen soll. Die Standbesitzer der Märkte forderten einen unbegrenzten Streik, konnten sich aber nicht durchsetzten. Die Unternehmer sind sich sehr uneinig und darum zweifeln viele an einem Erfolg des Protesttages. Die Forderung ist moderat: Gegen die Gewalt und die Unfähigkeit der Regierung den Konflikt zu lösen. Im Gegensatz zu früheren äusserungen fehlt aber jegliche Forderung für ein repressives Eingreifen der Regierung und es ist bekannt, dass immer mehr Unternehmerstimmen sich für eine Absetzung von Ulises stark machen. Die APPO hat gleichzeitig beschlossen, am Dienstag mit eigenen Aktionen die Geschäftsblockaden auszuweiten.

Die Preise steigen

Eine wichtige Entwicklung, die in der Presse kaum beachtet wird, ist der Fakt, dass die Preise für Grundnahrungsmittel steigen, teilweise massiv. Grund dafür ist, dass viele Märkte von mafiaähnlichen Strukturen kontrolliert werden. Diese Mafias geniessen die Unterstützung der PRI und werden von dieser geschützt. Die PRI hat diese Woche angefangen massiv Propaganda und Gerüchte zu streuen, dass die Subventionsprogramme, wie zum Beispiel Oportunidades, gestrichen werden, wenn die APPO an die Macht komme. Eine Absurdität, weil alle diese Programme aus Bundesgelder finanziert werden. Diese Gerüchte sind aber wirkungsvoll, weil viele Leute nicht wissen woher die Subventionsprogramme kommen und darum glauben viele, dass diese direkt von der Ulises Regierung bezahlt werden. Viele Leute sind darum verunsichert. Gleichzeitig versuchen die erwähnten Mafias in den Märkten die Standbesitzer dazu zu bewegen (oder zu erpressen) ihre Preise zu erhöhen und diese Preiserhöhungen mit dem Strei k der Lehrer- und Lehrerinnen zu rechtfertigen. Das ist ein wirkungsvolles und mittelfristig gesehen auch ein machtvolles Instrument, weil es direkt diejenigen trifft, die potentiell in der APPO organisiert sind − die Unterschichten.

Die Kirche solidarisiert sich teilweise

Auch die Kirche ist nicht mehr so einheitlich gegen die APPO wie auch schon. 39 Geistliche (Presbíteros) haben sich in einem Communique mit der pazifistischen Volksbewegung solidarisiert und den Rücktritt von Ulises als Notwendigkeit bezeichnet um zum Frieden zurückzukehren. Ausserdem unterstützen sie ausdrücklich die Idee einer Volksregierung von unten nach oben, wie sie die APPO vorschlägt. Der Kanzlersekretär der Erzdiozöse von Oaxaca hat sich unmittelbar nach dessen Veröffentlichung von diesem Communiqué distanziert und gesagt, dass es sich ausschliesslich um die persönliche Meinung der unterzeichnenden Geistlichen handle und keine offizielle Stellungnahme der Kirche darstelle. Interessanterweise wurden aber weder die Geistlichen noch das Communique disqualifiziert, was einer indirekten Unterstützung gleichkommt. Der Druck von der Basis auf die Kirche hat in den letzen Wochen ständig zugenommen und immer mehr Pfarrer haben auf die eine oder andere Art die Bewegung unterst ützt. Speziell haben viele Kirchen ihre Glockentürme geöffnet, damit diese bei Angriffen auf die besetzten Orte geläutet werden konnten und somit die Bevölkerung gewarnt oder deren Hilfe angefordert werden konnte. Eine Methode die bisher ausgezeichnet funktioniert hat.

Der Nationalfeiertag

Ein wichtiger Tag wird der nächste Freitag sein. Der 1. September ist in Mexiko Nationalfeiertag. An diesem Tag hatte Hidalgo mit dem Grito "Viva Mexico" zum Beginn des Aufstandes für die Unabhängigkeit aufgerufen. Heutzutage ist es den Präsidenten vorbehalten, vor versammeltem Volk mit den Grito den Beginn einer Reihe von Festen und Gedenktagen auszurufen. Dieses Jahr haben aber sowohl der Bundespräsident Fox wie Ulises in Oaxaca gewisse Sorgen dies nicht tun zu können. Auf dem Zocalo in Mexico City ist nach wie vor der "Planton" der PRD gegen den Wahlbetrug installiert. Ort also, wo normalerweise sowohl der "Grito" wie auch ein grossangelegtes Militärdefilee stattfindet. In Oaxaca wird Ulises den "Grito" wahrscheinlich im privaten Rahmen ausrufen müssen, weil ihm kaum Zutritt in die Innenstadt gewährt werden wird. Aber auch hier findet normalerweise ein Defilee statt, dass normalerweise genau die Route zum Zocalo nimmt, die Heute durch Barrikaden abgeriegelt ist. Die APPO h at zu diesem Zweck am 1. September zur fünften "Megamarcha", einer Grossdemonstration also, aufgerufen. Damit kann der Unabhängigkeitstag wahrscheinlich in aller Würde von unten nach oben gefeiert werden. Lebte er noch heute, würde dies zweifelsohne auch Hidalgo ein überzeugtes "Viva Mexico" entlocken.

Tourismus

Das Staatsdepartement der USA hat alle Bürger aufgefordert, Oaxca als Ferienziel zu meiden und falls sie sich schon dort befänden, raten sie, die Häuser oder Hotels nicht zu verlassen. Die Tourismusindustrie bezeichnet dies als einen heftigen Schlag, womit sie wahrscheinlich recht hat. Der Tourismus ist regelrecht zusammengebrochen. Gemäss der Präsidentin der mexikanischen Vereinigung der Reisebüros, Magdalena Victoria Rodriguez, landen normalerweise 10 Flugzeuge täglich hier in Oaxaca, im Moment sind es noch deren drei. Die Erstklassebusse haben eine reduzierten und unregelmässigen Fahrbetrieb und es ist darum schwierig hier zu reisen. Frau Rodriguez unterstreicht, dass aus all diesen Gründen Oaxaca praktisch isoliert ist.

Ausländische Leute

Ein Thema am Rande war diese Tage die Präsenz von ausländischen Leuten an den Aktivitäten. Verschiedentlich betonten offizielle Stellen (unter anderem Präsident Fox), dass es Hinweise auf eine massive Einmischung von Ausländern in diesem Konflikt gebe und dass gegen diese der Artikel 35 der Verfassung schonungslos angewendet werden würde. Der Artikel 35 besagt, dass für ausländische Personen jegliche Beteiligung und Einmischung in innere Angelegenheiten verboten ist und eine sofortige Ausschaffung zu folge hat. Das Wiederaufgreifen dieses Themas hat vermutlich zwei Gründe: Erstens wachsen die Proteste aus dem Ausland jeden Tag. Zweitens ist dies ein immer wiederkehrendes Muster. Manchmal sind es die kubanischen Leute, dann wieder Menschen aus Venezuela (natürlich alle mit direkten Kontakten zu Hugo Chavez) und jetzt sind es gerade alle Linksradikalen der Welt und alle mittelamerikanischen Guerillas. Also aufgepasst wer hier herkommt! Es ist wichtig die mexikanische Rechtslage zu kennen, weil die Polizei diese garantiert nicht kennt oder nicht kennen will. Aus diesem Grunde kann bei www.chiapas.ch ein Dokument runtergeladen werden, welches die verschiedenen Grundrechte auflistet, die in der mexikanischen Verfassung verankert sind (ohne Gewähr auf Vollständigkeit und ohne auf den Artikel 35 einzugehen, der allen Ausländern eine politische Einmischung verbietet.).


Quelle:
Direkte Solidarität mit Chiapas/Café RebelDía:
Quellenstrasse 25, 8005 Zürich

Spenden für Direkte Solidarität mit Chiapas
Zur Spendeninformation


Café RebelDía
fein-fair-bio
Quellenstrasse 25
8005 Zürich

Für Deinen täglichen Aufstand!
Verkaufsstellen in der Schweiz


Das Buch zum Kaffee: "Das Aroma der Rebellion."
Zapatistischer Kaffee, indigener Aufstand und autonome Kooperativen in Chiapas, Mexiko.
Zur Ankündigung der Neuauflage


https://chiapas.ch/
soli AT chiapas PUNKT ch



 

Quelle: https://chiapas.ch/


 

URL der Nachricht:  https://www.chiapas.eu/news.php?id=1745