Oaxaca − die langen Nächte kehren zurück

Direkte Solidarität Chiapas vom 29.09.2006

 

29. September

Oaxaca befindet sich weiterhin auf Alarmstufe Rot. Viele Gerüchte über die Verlegung von Polizei- und Militärkräften in die Region und die Zusammenrottung von Schlägertruppen und Paramilitärs aus dem Dunstkreis der PRI bestehen und machen ein zunehmend bedrohliches Klima gegen die Aktivitäten der Volksbewegung APPO aus. So wurde gestern eine Brigade der APPO bei der friedlichen und symbolischen Schliessung einer von der PRI kontrollierten staatlichen Institution plötzlich aus zwei Lieferwagen heraus von Zivilpersonen beschossen. Verletzt wurde offenbar niemand, aber es ist nur einer der Vorfälle in diesen Tagen. Es gab auch Versuche von PRI-Provokateuren Läden zu plündern und diese Aktionen dann der APPO in die Schuhe zu schieben. Die Sicherheitskommission der APPO ruft daher auch auf sehr wachsam zu bleiben, sofort zu informieren wenn Übergriffe und Provokationen von Seite der PRI Anhänger stattfinden.

Der Streik der Unternehmer floppt

Der Streikaufruf der Unternehmer und Händler − welcher vom rechten Unternehmerverband für den Donnerstag 28.9. und heute Freitag ausgerufen wurde, um gegen die rechtlose Situation in Oaxaca zu protestieren − war bisher ein totaler Reinfall. Laut offiziellen rechten Medien hatten kaum 20% der Läden usw. geschlossen − laut Angaben der APPO lediglich 5%. So oder so zeigt dies den grossen Einfluss der Volksbewegung.

Auch der Versuch der PRI-Leute, in ganz Oaxaca auf eigene Faust die Schulen wieder aufzumachen, um sich gegen die »Radikalen" der LehrerInnengewerkschaft zu stellen, war mehr als ein Misserfolg. Knapp 50 Schulen wurden zum Unterricht geöffnet, was nicht mal 0.5% der 14’000 Schulen in Oaxaca ausmacht.

Vollversammlung der Lehrergewerkschaft: der Streik geht weiter

In dieser sehr angespannten Situation hat die Vollversammlung der LehrerInnengewerkschaft am Mittwoch 27.9. 06 beschlossen, den Kampf geschlossen weiterzuführen. Die 1500 Delegierten haben die Resultate der Befragung der Basis zusammengetragen und halten auch nach 129 Tagen Streik klar fest, dass »sie erst nach dem Sturz des Tyrannen, dem Gouverneur Ulizes Ruiz Ortiz den Streik abbrechen und in die 14’000 Schulen zurückkehren werden".

Die Vollversammlung der LehrerInnengewerkschaft besteht auch mit Nachdruck auf der Tatsache, dass sie sich nicht abspalten lassen werden von der APPO (den über 350 Volks- und Basisorganisationen), sondern integraler Teil von ihr sind. Es wird kein Extra-Züglein geben, indem die mexikanische Regierung die LehrerInnengewerkschaft mit Verbesserungen des Schulsystem, der Löhne usw. abspeisen will. Die ganzen Forderungen bleiben bestehen, aber sind nur im Zusammenhang mit der Absetzung von Ruiz und politischen Reformen in Oaxaca verhandelbar.

Der Fussmarsch in die Hauptstadt

Der Marsch der LehrerInnengewerkschaft und der APPO zur Hauptstadt, an dem über 5’000 Personen teilnehmen und der überall immer wieder halt macht und die Situation in Oaxaca vermittelt und sich mit den Leuten vor Ort austauscht, wird auch erst dann gestoppt, wenn die Nachricht der Absetzung von Ruiz eintrifft. Ansonsten wird die »Marcha" , die gerade nach einem Tagesmarsch von 25 Kilometern im Bundesstaat Puebla angekommen ist, am nächsten Dienstag dem 3. Oktober im Distito Federal − der Hauptstadt − ankommen und ihren Forderungen so im Zentrum der Macht Nachdruck verleihen.

Gerüchte über Verhandlungen und bevorstehende Militarisierung

An der Pressekonferenz von gestern Donnerstag haben die LehrerInnen auch klar festgehalten, dass sie gegen jegliche Militarisierung in Oaxaca sind und fordern die mexikanische Regierung auf, das Militär wieder in die Kasernen zurückzuschicken oder dort zu behalten und keine weiteren Truppen nach Oaxaca zu verlegen. Ebenso negiert die Gewerkschaft, dass es irgendwelche Verhandlungen zwischen ihnen und Ruiz gegeben hätte − das als Antwort auf eine der vielen gezielten Falschmeldungen, die bewusst gestreut werden, um die APPO zu verunsichern, verschiedene Kräfte zu spalten.

Von Regierungsseite her wird der nächste Mittwoch 4. Oktober als Schlüsseltag erklärt, wenn eine Verhandlungsrunde mit VertreterInnen von allen politischen Parteien, der LehrerInnengewerkschaft, der APPO, der Kirche und Persönlichkeiten wie Toledo stattfinden soll. Dabei soll es nach dem Willen der Regierung zu Übereinkünften über eine Staatsreform kommen. Die Ideen bewegen sich im Rahmen von einer Umgestaltung des Schulsystems, besseren Löhnen usw. bis auch zu allgemeinen rechtlichen Neugestaltungen für den Bundesstaat Oaxaca in Bezug auf Gewaltentrennung, Zuständigkeiten. Auch mögliche Formen der Volksbefragung zu gewählten Regierungen werden diskutiert − in wieweit was auch rückwirkend auf die heutige Situation anwendbar wäre ist noch nicht bekannt.

Auch soll eine bevorstehende Militarisierung nur zum Schutz der Wiederherstellung der »Ordnung" dienen und explizit nicht um die Volksbewegung niederzuknüppeln. Den Leuten der APPO wird Straffreiheit zugesichert und die PFP habe explizit den Befehl erhalten keine Verhaftung der Kader der APPO vorzunehmen...

Ob es sich dabei bloss um eine plumpe Zeitschinderei handelt , um die APPO noch ein wenig hinzuhalten und parallel dazu die nächtlichen Übergriffe, Provokationen, Verunsicherungen immer mehr zu steigern, um schlussendlich die Bewegung aufzureiben oder sogar eine direkte polizeilich-militärische Intervention durchzuführen ist sehr schwer einzuschätzen. Dass sie der APPO Straffreiheit etc. zusichern ist im Moment auch nichts mehr als zwangsläufig, da die mexikanischen Regierung mit einer Volksbewegung verhandelt − der APPO − die immerhin die Regierbarkeit des Bundesstaates Oaxaca seit über 4 Monate verunmöglicht und eigene, volksnahe Strukturen und Kommunikations- Beteiligungsformen entwickelt hat.

Auf der Seite der APPO laufen auf verschiedensten Ebenen Diskussionen. Die Alarmstufe Rot bleibt. Die Sicherheitskommission der APPO hat heute Nacht ausdrücklich nochmals dazu aufgerufen, an den Barrikaden sehr wachsam zu sein. An verschiedenen Punkten wurden maskierte Gruppen beobachtet, die den Schlägertruppen der PRI zuzurechnen sind und die einzelne Punkte angreifen werden. Von der APPO Seite her werden insbesondere auch die Radiostationen speziell geschützt, da sie wohl die ersten Punkte sein werden, die der Bewegung entrissen werden sollen, damit die Kommunikation der Volksbewegung verhindert wird. Die Radios sind nach wie vor den ganzen Tag auf Sendung und es wird diskutiert, geweint, gehofft, vereint geträumt, gestritten. Ein sehr eindrückliches Szenario und echte Beteiligung, wie es sich viele überall auf der Welt wünschen würden.


Quelle:
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