Rechtsanwältin Digna Ochoa y Placido in ihrem Büro ermordet

Poonal vom 21.10.2001
Von Gerold Schmidt

 

(Mexiko-Stadt, 21. Oktober 2001, Poonal).- "Trotz Angriffen, Drohungen, Schmerzen und Entbehrungen, der Wunsch nach einem würdigen, gerechten, friedlichen Leben ist größer". So begründete die mexikanische Anwältin Digna Ochoa y Placido ihren Einsatz für die Menschenrechte bei einer Preisverleihung vor zweieinhalb Jahren. Sie habe die Hoffnung auf eine andere Welt, selbst wenn sie sie vielleicht nicht mehr erleben sollte, fuhr sie damals fort.

Am vergangenen Freitag wurde die 37-jährige erschossen in ihrem Anwaltsbüro in Mexiko-Stadt aufgefunden. Neben ihrem Körper fand sich eine handgeschriebene Warnung an die Mitglieder des angesehenen Menschenrechtszentrums Miguel Augustin Pro, mit dem Ochoa seit Jahren eng zusammen arbeitete. "Hurensöhne, wenn Ihr weiter macht, wird mehr als einem das gleiche passieren", stand darauf.

Die Nachricht löste in Mexiko tiefe Bestürzung aus. Sowohl der Leiter der Justizbehörden der Hauptstadt, Bernado Batiz, wie auch der gerade erst ernannte neue Menschenrechtsbeauftragte der Metropole, Emilio Alvarez Icaza, begaben sich umgehend zum Tatort. Niemand mag der Aussage von Batiz widersprechen, dass es sich bei dem Mord um ein politisches Verbrechen handelt. Vertreter verschiedener mexikanischer Menschenrechtsorganisationen bezeichneten die Tat als Angriff auf die gesamte Gesellschaft.

Scharf kritisierte Irene Khan, die Generalsekretärin von amnesty international, die mexikanischen Behörden. Wenn diese ihrer Verantwortung nachgegangen wären, Drohungen und Attacken gegen Ochoa und das Menschenrechtszentrum Augustin Pro zu verfolgen, "hätte dieser Mord vermieden werden können", erklärte sie. Die bisherige Straffreiheit derjenigen, die Menschenrechtler bedrohten, sei "ein Schlüsselfaktor in dieser jüngsten Tragödie".

Ochoa war für einige landesweit bekannte Fälle verantwortlich. Sie verteidigte unter anderem angebliche Guerilla-Mitglieder und zwei Ökobauern, die aufgrund falscher Beschuldigungen durch Militärs selbst nach Regierungsauffassung unschuldig seit über zwei Jahren inhaftiert sind. Ebenso setzte sie sich für die Witwen von 17 Bauern ein, die 1995 bei dem als Massaker von Aguas Blancas bekannt gewordenen Verbrechen staatlicher Sicherheitsbehörden ums Leben kamen.

In ihren Prozessen ging die junge Anwältin der Konfrontation mit staatlichen Institutionen wie der Armee oder der Justizpolizei nicht aus dem Weg. Dies ist vielleicht der Grund, warum sie wie einige weitere Anwälte vom Nationalen Sicherheitsdienst verdächtigt wird, mit der Guerilla in Kontakt zu stehen. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hatte hingegen 1999 die mexikanische Regierung explizit dazu aufgefordert, die Sicherheit von Ochoa zu gewährleisten.

Die Drohungen gegen Digna Ochoa hatten sich seit 1996, gehäuft. Einer mehrstündigen Entführung im August 1999 folgte wenige Wochen später ein Überfall auf ihr Haus. Die damaligen Täter befragten sie mehrere Stunden lang über angebliche Kontakte zu Guerillagruppen und ließen sie am Ende neben einem geöffneten Gastank auf dem Bett gefesselt zurück. Danach erhielt die Anwältin mehrere Todesdrohungen im Büro der Menschenrechtsorganisation Augustin Pro. Mehrere Klagen der Anwätlin verliefen bei der Bundesstaatsanwaltschaft im Sande. Im September 2000 entschied sich Digna Ochoa aufgrund der bedrohlichen Situation, vorübergehend in die USA zu gehen.

Mit dem Amtsantritt von Präsident Vicente Fox im Dezember 2001 und dem Ende der 71-jährigen PRI-Herrschaft in Mexiko hofften manche auf eine änderung der Menschenrechtssituation im Land. In der Tat betonte Fox die Bedeutung der Menschenrechte mehrfach und setzte mit der Ernennung einer Sonderbotschafterin für Menschenrechte ein Zeichen. Dennoch befürchteten viele Organisationen von Anfang an, es könne bei reiner Symbolik bleiben. Die vielen Drohungen in letzter Zeit und der Mord an Digna Ochoa sind ein schlechte Omen.


Quelle: poonal
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